Drucksache 17/8638
I.
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Grundlagen der Berichtspflicht
Durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Gesetz
zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 9. Januar 2002 (BGBl. I
S. 361) bzw. das mit Wirkung vom 11. Januar 2007
hinzugekommene Gesetz zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes (Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz) vom 5. Januar 2007 (BGBl. I S. 2), geändert
durch Gesetz vom 6. Juni 2009 (BGBl. I S. 1226), wurde
dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) zeitlich befristet zunächst bis zum
9. Januar 2012 die Befugnis eingeräumt, im Rahmen ihrer
Zuständigkeit unter bestimmten Voraussetzungen von
Luftfahrtunternehmen, Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen, Postunternehmen, Telekommunikationsunternehmen und Teledienstunternehmen kunden- bzw. nutzerbezogene Auskünfte zu
verlangen sowie technische Mittel zur Ortung und Identifizierung aktiv geschalteter Mobiltelefone (sog. IMSICatcher) einzusetzen.1
Die Rechtsgrundlagen für die Auskunftsverlangen und
den Einsatz des IMSI-Catchers finden sich nicht im Terrorismusbekämpfungs- bzw. Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz selbst, sondern in den Stammgesetzen
der drei Nachrichtendienste des Bundes. Die Ermächtigungsgrundlage für Auskunftsverlangen und IMSI-Catcher-Einsätze des BfV findet sich in § 8a Absatz 2 und
§ 9 Absatz 4 Satz 1 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des
Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz – BVerfSchG)
vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954), in der Fassung des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2499).
Für den BND ergeben sich diese Befugnisse aus den § 2a
und 3 Satz 2 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz – BNDG) vom 20. Dezember 1990
(BGBl. I S. 2954), in der Fassung des Gesetzes vom 31.
Juli 2009 (BGBl. I S. 2499). Für den MAD sind die §§ 4a
und 5 des Gesetzes über den Militärischen Abschirmdienst (MAD-Gesetz – MADG) vom 20. Dezember 1990
(BGBl. I S. 2454), in der Fassung des Gesetzes vom 5. Januar 2007 (BGBl. I S. 2), einschlägig. Die §§ 2a und 3
Satz 2 BNDG, § 4a und 5 MADG verweisen grundsätzlich auf die für das BfV geltenden Regelungen in § 8a
und § 9 BVerfSchG und passen diese lediglich an die spezifischen Aufgaben des BND und MAD an. 2 Die Befug1
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Soweit nicht anders gekennzeichnet, wird für diesen Bericht die im
Berichtszeitraum 2010, d.h. vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 7. Dezember 2011,
BGBl. I S. 2576 geltende Rechtslage zugrunde gelegt.
Mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes
vom 7. Dezember 2011, BGBl. I S. 2576, wurden die genannten
Anti-Terror-Gesetze mit Änderungen bis zum 10. Januar 2016 verlängert. Bei den Befugnissen der Nachrichtendienste des Bundes,
Auskunftsersuchen an Unternehmen zu richten, wurden die rechtsstaatliche Kontrolle und der Grundrechtsschutz durch eine systematisch stimmig ausgestaltete Regelung der Verfahren und Mitteilungspflichten verbessert. Diejenigen Regelungen, die sich seit
dem Inkrafttreten des Terrorismusbekämpfungsgesetzes als sinnvoll
erwiesen haben, wurden erneut – befristet auf vier Jahre – verlängert.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nis zur Einholung der genannten Auskünfte wurde auch
den Verfassungsschutzbehörden der Länder eingeräumt
unter der Bedingung, dass der Landesgesetzgeber bestimmte verfahrensmäßige Vorkehrungen trifft. Rechtsgrundlage ist insoweit § 8a Absatz 8 BVerfSchG in Verbindung mit den entsprechenden landesrechtlichen
Regelungen.
Zur Gewährleistung einer angemessenen parlamentarischen Kontrolle der Nutzung dieser Befugnisse haben gemäß § 8a Absatz 6 Satz 1, § 9 Absatz 4 Satz 7 BVerfSchG,
§ 2a Satz 4, § 3 Satz 2 BNDG und § 4a Satz 1, § 5
Zweiter Halbsatz MADG das Bundeskanzleramt (für den
BND) bzw. das Bundesministerium des Innern (für das
BfV und den MAD) dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages halbjährlich über die
angeordneten Maßnahmen zu berichten. Auch die Länder, die sich dafür entschieden haben, von der in § 8a Absatz 8 BVerfSchG eingeräumten Option Gebrauch zu machen, müssen nach dieser Vorschrift in Verbindung mit
den jeweiligen landesrechtlichen Regelungen dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundes regelmäßig
Bericht erstatten.
Das Parlamentarische Kontrollgremium erstattet seinerseits dem Deutschen Bundestag nach § 8a Absatz 6 Satz 2
und § 9 Absatz 4 Satz 7 BVerfSchG, § 2a Satz 4, § 3
Satz 2 BNDG, § 4a Satz 1, § 5 MADG sowie § 8a Absatz 8 Satz 1 BVerfSchG jährlich einen Bericht über die
Durchführung sowie Art, Umfang und Anordnungsgründe der Auskunftsverlangen und IMSI-Catcher-Einsätze. Nach § 10 Absatz 1 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit
des Bundes (Kontrollgremiumgesetz – PKGrG) in der
Neufassung vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2346) sind dabei die Geheimhaltungsgrundsätze des § 10 zu beachten.
Das Parlamentarische Kontrollgremium hat auf dieser
Grundlage erstmals am 12. Mai 2003 einen Bericht für
das Jahr 2002 und zuletzt am 17. Dezember 2010 einen
Bericht für das Jahr 2009 (Bundestagsdrucksache 17/4277)
vorgelegt. Der vorliegende Bericht setzt die jährliche Berichterstattung fort und enthält eine Darstellung der Entwicklung im Jahr 2010. Er beruht im wesentlichen auf
den Berichten des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums des Innern für das 1. und 2. Halbjahr 2010,
die dem Parlamentarischen Kontrollgremium übersandt
worden sind.
II.
Zusammensetzung des Parlamentarischen
Kontrollgremiums
Der Deutsche Bundestag hat am 17. Dezember 2009 beschlossen, für die 17. Wahlperiode ein aus elf Abgeordne2
Demgegenüber wurden Regelungen, die im Evaluierungszeitraum
nicht zur Terrorismusbekämpfung genutzt worden sind und sich als
entbehrlich erwiesen haben, ersatzlos aufgehoben. Neu eingeführt
wird unter anderen für die Nachrichtendienste des Bundes die Möglichkeit der zentralen Datenabfrage bei Computerreservierungen für
Flüge. Auch wird ihnen die Abfrage von Kontostammdaten von Betroffenen ermöglicht. Zum Ausbau der parlamentarischen Kontrolle
wird die Mitwirkung der sogenannten G 10-Kommission des Bundestages bei der Einholung von Auskünften von Fluglinien und von
Unternehmen der Finanzbranche ausgeweitet.