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Funktionen, sondern auch fast unbemerkt eine veränderte
Gefährdungslage für das Fernmeldegeheimnis. Die denkbaren Angriffe bestehen auch in der missbräuchlichen Nutzung vorhandener Funktionalitäten. Die Verhinderung des
Missbrauchs dieser durchaus gewünschten und nützlichen
Funktionalitäten bedarf einer Reihe von Maßnahmen, die
gewährleisten, dass den datenschutzrechtlichen Vorschriften
Rechnung getragen wird. Ein Beispiel hierfür ist der so genannte „Rückruf bei Nichtmelden“, den verschiedene Netzbetreiber ihren Kunden anbieten. Dieses Leistungsmerkmal
löst eine automatische Mitteilung an den Anrufer, der einen
Angerufenen nicht erreicht hat, aus, sobald der Angerufene
wieder telefoniert bzw. den Hörer betätigt hat. Manche Telefonkunden möchten aber nicht, dass Dritte erfahren, ob sie
in der Zwischenzeit telefoniert haben, oder sie befürchten,
dass Dritte auf diese Art und Weise erfahren, ob sie zu
Hause sind oder ob ungebetene Besucher freies Feld haben.
Aufgrund einer Reihe von Beschwerden, die wegen solcher
Befürchtungen an mich gerichtet worden sind, habe ich
mich im Berichtszeitraum mit der datenschutzrechtlichen
Bewertung dieser Funktion bei einem großen Telekommunikationsunternehmen beschäftigt.
Nach eingehender Prüfung der Informationen über die Ausgestaltung des Leistungsmerkmals und über die technischen
Details konnte ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Bereich der Telekommunikation nicht festgestellt werden. Meine Rechtsauffassung wird auch von der
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post geteilt, mit der ich mich diesbezüglich in Verbindung gesetzt
habe. Nach meiner Einschätzung kann das Leistungsmerkmal nicht als geeignetes Instrument zur Überwachung der
Telekommunikation angesehen werden, weil der Verbindungsversuch lediglich für drei Stunden gespeichert und danach gelöscht wird. Zudem wird der Rückruf durch jede Aktivität beim angerufenen Anschluss, zum Beispiel bereits
durch Abheben und Auflegen des Telefonhörers, ausgelöst,
sodass der Anrufer nicht erfährt, ob der Angerufene ein Telefongespräch geführt hat. Wegen der relativ kurzen Speicherdauer kann diese Funktion noch als Speicherung von
Verbindungsdaten zum Aufbau einer weiteren Verbindung
angesehen werden. Dies ist nach § 6 Abs. 2 TDSV ausdrücklich zugelassen.
Für alle, die sich persönlich besonders stark von dem Leistungsmerkmal in ihrer Privatsphäre gestört fühlen, folgender Tipp: Beim Anschluss eines Anrufbeantworters, der sich
nach dem ersten Klingeln einschaltet, kann der Anrufer den
Rückruf nicht aktivieren.
11.10.4 Wo ist er denn?
Moderne Kommunikationsmittel können zur Verbesserung
der Sicherheit eingesetzt werden. So wird beispielsweise
eine zusätzliche Hardware für das Handy angeboten, die
mittels SMS einen Alarm aussendet, wenn das Handy einen
vorgegebenen Bereich verlässt. Mithilfe dieser Technik
können Eltern beispielsweise informiert werden, wenn ihr
Kind zu weit vom Weg in den Kindergarten abkommt. Das
Handy kann dann auch angerufen werden, um unauffällig zu
hören, ob sich das Kind in einer gefährlichen Situation befindet. Was bei einem Kindergartenkind eine gewisse Sicherheit vermittelt, wird von einem Jugendlichen sicherlich
als Bevormundung und Überwachung verstanden. Hier
müssen die Erziehungsberechtigten verantwortungsvoll prü-

BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002

fen, ob und wann ein solches Gerät angemessen ist. Gleichfalls kann es aber auch, etwa im Handschuhfach eines Autos
versteckt, zur Überwachung von Personen missbraucht werden. Demnächst wird eine Überwachungskamera auf den
Markt kommen, mit der man sich das aktuelle Bild per Multimedia Messaging Service auf das Handy schicken lassen
kann. Ein Bespitzeln Dritter ist mit diesen Produkten ohne
weiteren Aufwand möglich. Wie bei vielen Dingen des täglichen Lebens gilt auch hier, dass sie sinnvoll, aber auch
zum Schaden für Andere eingesetzt werden können. Gerade
im Bereich der neuen Technologien ist daher ein verantwortungsvoller Umgang mit den Produkten gefordert.
Das gleiche gilt für bestimmte Dienste in den Mobilfunknetzen. So bietet etwa ein Mobilfunknetzbetreiber einen Dienst
an, mit dem ein verlegtes Handy gefunden werden kann.
Dabei wird der ungefähre Standort im Internet auf einer
Karte sichtbar gemacht. Dieser Dienst kann sinnvollerweise
u. a. dazu genutzt werden, den Standort eines Außendienstmitarbeiters zu erfahren, ohne ihn durch ständige Anrufe zu
stören. Obwohl der Dienst passwortgeschützt ist, bestand
bei seiner Nutzung ein hohes Missbrauchspotenzial. Auf
meine Anregung hin hat der Netzbetreiber eingeführt, dass
bei jeder Ortung eine entsprechende Kurzmitteilung an das
Handy gesendet wird. Wenn nun der Handybesitzer gegen
seinen Willen geortet und ihm dies automatisch mitgeteilt
wird, kann er darauf reagieren. Der neugierige Mitmensch
hat dann das Nachsehen. Dieses Beispiel zeigt, wie durch
eine kleine Änderung die Möglichkeit, einen Dienst zu
missbrauchen, deutlich reduziert werden kann, ohne seine
Nutzung einzuschränken.
11.11

Einzelverbindungsnachweis

Der Einzelverbindungsnachweis (EVN) wird einzig zu dem
Zweck erstellt, um den Anschlussinhaber in die Lage zu
versetzen, die Höhe seiner Telefonrechnung detailliert nachvollziehen zu können, da dort jede entgeltpflichtige Verbindung im Einzelnen aufgelistet ist. Andere Nutzungsmöglichkeiten des EVN sind dagegen ausgeschlossen. So darf
beispielsweise ein Unternehmen, auch soweit es die Kosten
für die bei ihm eingehenden Telefonate übernimmt, keinen
EVN mit der Angabe der vollständigen Rufnummern erhalten, um damit das Anrufverhalten seiner Kunden auswerten
und konkrete Werbemaßnahmen vornehmen zu können.
11.11.1 Entgeltfreie Verbindungen – nicht
auf der Rechnung
Nach § 7 Abs. 3 Telekommunikations-Datenschutzverordnung hat der Diensteanbieter unmittelbar nach Beendigung
der Verbindung aus den erhobenen Verbindungsdaten die
für die Berechnung des Entgelts erforderlichen Daten zu ermitteln und nicht erforderliche Daten unverzüglich zu löschen. Bei entgeltfreien Verbindungen besteht daher keine
Notwendigkeit, solche Verbindungsdaten nach Versendung
der Rechnung abzuspeichern. Dies gilt beispielsweise für
Verbindungen zu 0800-Rufnummern, die für den Anrufer
kostenfrei sind. Das hat für die Kunden, die einen EVN beantragt haben, zur Folge, dass dort nur die entgeltpflichtigen
Verbindungen aufgeführt werden dürfen. Damit wird das
Fernmeldegeheimnis, dem auch die im EVN aufgeführten
Verbindungsdaten unterliegen, nur so weit eingeschränkt,
wie es zugunsten der Transparenz der Rechnung erforder-

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