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dass die Erneuerung der digitalen Signatur in den Verantwortungsbereich der erlassenden Behörde fällt.
Neben dem Verwaltungsverfahrensgesetz wurden mit dem
Gesetz vom 21. August 2002 auch das Verwaltungsverfahren bei den Sozialleistungsträgern (Erstes und Zehntes Buch
Sozialgesetzbuch) und der Finanzverwaltung (Abgabenordnung) sowie weitere Gesetze mit Verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften angepasst. Der Gesetzgeber hat
hier sicherlich Neuland betreten.
8.11
Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen
In meinem 9. TB (S. 20 Nr. 4.3) habe ich mich bereits einmal mit der Frage befasst, inwieweit Verfahrensbeteiligte
bei der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen hinnehmen müssen, dass damit gegebenenfalls auch personenbezogene Daten über sie bekannt gemacht werden. Anlässlich einer Eingabe aufgrund der Veröffentlichung eines
Beschlusses des Bundesgerichtshofs habe ich mich erneut,
diesmal auf der Grundlage eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts, eingehend damit auseinandergesetzt. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs hatte aus Gründen der Verständlichkeit der Entscheidung insbesondere die Funktion
eines Verfahrensbeteiligten einschließlich der Art der Beschäftigungsstelle genannt und durch die notwendige Auseinandersetzung mit einem Gesetz des betreffenden Bundeslandes für kundige Leser letztlich erkennen lassen, wer die
in Frage stehende Person ist.
Ausgangspunkt meiner Bewertung war ein neueres Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses hat in seiner Entscheidung vom 26. Februar 1997 (BVerwGE 104, 106 =
NJW 1997, 2694) die Bedeutung der Veröffentlichung der
maßgeblichen Entscheidungen als eine Aufgabe der Gerichte herausgestellt, die sich aus dem Rechtsstaatsgebot
einschließlich der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot und auch aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung
ergibt. Dabei hat das Gericht auch auf die Notwendigkeit
der Anonymisierung der Entscheidungen hingewiesen.
Hieraus ergibt sich zunächst, dass eine Entscheidung nicht
ohne weiteres veröffentlicht werden darf, wenn sie im Hinblick auf ihre Verständlichkeit nicht anonymisiert werden
kann. Auch wenn eine Veröffentlichung nach dem Wortlaut
von § 16 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig wäre, darf dies dann nicht geschehen, wenn die darin
liegende Schwere des Eingriffs in das informationelle
Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen außer Verhältnis
zu dem mit der Veröffentlichung der Entscheidung verfolgten öffentlichen Interesse steht. Dies kann der Fall sein,
wenn es in einer Entscheidung ausnahmsweise nur um die
Lösung rein individueller Probleme des Einzelfalles geht.
Ebenso bedarf aber die Zulässigkeit der Veröffentlichung einer besonders sorgfältigen Prüfung, wenn sich eine Entscheidung aus Verständnisgründen nicht anonymisieren
lässt, andererseits aber nachteilige Informationen über einen
Betroffenen enthält, wie z. B. Strafurteile.
Unter diesen Gesichtspunkten unterfällt der vom Bundesgerichtshof entschiedene Sachverhalt den tragenden Entscheidungsgründen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts.
Ich habe daher keine Einwendungen gegen die Veröffentlichung dieses Falls erhoben. Insgesamt gehe ich davon aus,
dass die Gerichte bei den seltenen Fällen nicht anonymisier-
barer Entscheidungen neben der wichtigen Aufgabe zur
Veröffentlichung ebenso die schutzwürdigen Interessen der
Betroffenen berücksichtigen und prüfen, ob nicht im Einzelfall hierauf zu verzichten ist.
9
Finanzwesen
9.1
Datenschutzgerechte Änderung
der Abgabenordnung auf dem Weg
In meinem 18. TB (Nr. 7.2) habe ich über Gespräche mit
dem BMF zur datenschutzrechtlichen Verbesserung der Abgabenordnung berichtet. Angesichts der Bedeutung, die einer datenschutzgerechten Ausgestaltung der Abgabenordnung zukommt, hat der Deutsche Bundestag in seiner
Entschließung zum 18. TB ausdrücklich erklärt, dass er das
BMF in seinem Bemühen, den datenschutzrechtlichen Regelungsbedarf der Abgabenordnung zu ermitteln, unterstützt
und erwartet, dass die hierbei als notwendig erkannten
datenschutzrechtlichen Regelungen in der nächsten Legislaturperiode getroffen werden (Empfehlungen des Innenausschusses, Bundestagsdrucksache 14/9490 vom 18. Juni
2002, Plenarprotokoll 14/248 der 248. Sitzung am 4. Juli
2002, S. 25174).
Inzwischen habe ich dem BMF ausführliche, mit den Landesbeauftragten für den Datenschutz abgestimmte Lösungsvorschläge zu den bereits im 18. TB genannten und zu weiteren
Schwerpunkten, wie z. B. der zwischenstaatlichen Rechtsund Amtshilfe und zu Kontrollmitteilungen, zugeleitet. Dieser Katalog von Vorschlägen wurde in einer hierfür eingerichteten Koordinierungsrunde, an der unter Vorsitz des BMF
Vertreter einiger Finanzressorts der Länder sowie von Landesbeauftragten für den Datenschutz beteiligt waren, gründlich diskutiert. Hierbei konnte ich erkennen, dass die Finanzverwaltung ernsthaft bemüht ist, den datenschutzrechtlichen
Regelungsbedarf zur Ergänzung der Abgabenordnung zu
prüfen und eine unter Berücksichtigung der steuerlichen Belange angemessene Lösung zu erreichen. Das BMF wird nunmehr auf der Grundlage des Besprechungsergebnisses Formulierungsvorschläge zur Ergänzung der Abgabenordnung
ausarbeiten und mit den Finanzressorts der Länder abstimmen. Anschließend sollen diese in der bereits erwähnten Koordinierungsrunde erörtert werden. Ich würde es begrüßen,
wenn auf dem jetzt eingeschlagenen Weg in absehbarer Zeit
eine aus datenschutzrechtlicher Sicht zufrieden stellende Fassung der Abgabenordnung erreicht werden könnte.
9.2
Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs
schränkt Datenschutz ein
Mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Steuerverkürzungen
bei der Umsatzsteuer und zur Änderung anderer Steuergesetze (Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz – StVBG;
BGBl. 2001 I S. 3922) soll den Finanzbehörden ermöglicht
werden, dem Umsatzsteuerbetrug in Form so genannter Karussellgeschäfte besser zu begegnen. Bei diesen wirken mehrere Unternehmer zusammen, in der Absicht, die Möglichkeit
des Vorsteuerabzugs missbräuchlich ausnutzen. Die bisher
aufgedeckten betrügerischen Aktivitäten bewegen sich häufig
in Größenordnungen mehrstelliger Millionenbeträge (s. Gesetzesbegründung in Bundestagsdrucksache 14/6883 S. 7).
Besondere Aufmerksamkeit aus der Sicht des Datenschutzes erfordern die in dem StVBG geregelte UmsatzsteuerNachschau ohne Ankündigung und die dort festgelegte
BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002