Auch die Sozialgerichtsbarkeit hat leider die Tendenz, den Anwendungsbereich und auch die Bedeutung des
§ 200 Absatz 2 SGB VII zunehmend einzuschränken. So haben die Unfallversicherungsträger im Berichtszeitraum unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung der Sozialgerichte den Einwand der Rügepflichtverletzung erhoben, wenn ein Versicherter von seinem Widerspruchsrecht im Verwaltungsverfahren keinen Gebrauch
gemacht bzw. bis zum Schluss der gerichtlichen Verhandlung in der Vorinstanz die Nichtverwertbarkeit des
Gutachtens nicht gerügt hat. Die Verletzung der Rügepflicht führe nach ihrer Auffassung dazu, dass ein etwaiger Verstoß gegen die Gutachterregelung nicht mehr geltend gemacht werden könne.
Als Konsequenz verlieren die Versicherten ihre Rechte nach § 200 Absatz 2 SGB VII, wenn sie nicht in der
Instanz, in der ein Gutachten eingeführt wurde, die Verwertbarkeit gerügt haben, auch wenn sie auf ihre entsprechenden Rechte zuvor gar nicht hingewiesen worden waren.
Es wird der Bedeutung der Gutachterregelung des § 200 Absatz 2 SGB VII und des grundlegenden Ranges des
Widerspruchsrechtsrechts, mit dem der Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Versicherten
beabsichtigt war, nicht gerecht, wenn diese Rechte durch die Einrede der Rügepflichtverletzung, das letztlich
auf dem Gedanken der Verfahrensbeschleunigung beruht, eingeschränkt werden.
Deswegen sehe ich auch weiterhin den Gesetzgeber in der Pflicht, für die bereits überfällige Klarstellung des
§ 200 Absatz 2 SGB VII zu sorgen.
3.2.3.3
Einwilligungserklärungen trotz gesetzlicher Erhebungs- und Übermittlungsbefugnis
im Sozialrecht
Die Informationsschreiben der Unfallversicherungsträger an die Versicherten zu den geltenden gesetzlichen
Regelungen über die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten müssen verbessert werden. Dies
dient der Transparenz und Vertrauensbildung.
Für Verwirrung sorgt die Praxis der Unfallversicherungsträger, zu Beginn eines Verfahrens mit „Einwilligungserklärung“ überschriebene Formulare zu versenden, mit denen sich die Versicherten mit verschiedenen Datenerhebungen einverstanden erklären sollen.
Für Datenerhebungen bei den gesetzlichen Krankenkassen und bei behandelnden Ärzten gibt es bereits gesetzliche Vorschriften (§ 188 SGB VII bzw. § 203 SGB VII), die den Unfallversicherungsträgern die Befugnis zu
dieser Datenerhebung einräumen. Das zusätzliche Einholen einer Einwilligung führt nicht zu transparenten
Verfahren. Denn es wäre für einen Versicherten völlig unverständlich, wenn er seine Einwilligung zu diesen
Datenerhebungen verweigert, die Unfallversicherungsträger aber - zulässigerweise - aufgrund ihrer gesetzlichen
Erhebungsbefugnis die Daten von den Krankenkassen und Ärzten gleichwohl anfordert.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) und die Unfallversicherungsträger haben erkannt, dass
die „Einwilligungsformulare“ überarbeitet werden müssen.
Im Hinblick auf eine neue Formulargestaltung bin ich bereits mit der DGUV im Gespräch. Ich bin zuversichtlich, dass es gelingen wird, die erforderlichen Informationen und Befugnisse zur Datenerhebung durch eine
transparent gehaltene Formulargestaltung zu verbessern.
3.2.3.4
Probleme bei der Umstellung auf sichere Betriebssysteme in der Rentenversicherung
Auf den Rechnern der DRV Bund waren Betriebssysteme mit datenschutzrechtlichen Risiken installiert. Die
Umstellung auf eine aktuelle Software erfolgte nur schleppend.
Obwohl die Firma Microsoft seit April 2014 keinerlei technischen Support inklusive Sicherheitsaktualisierungen für das Betriebssystem Windows XP mehr anbietet, sind noch immer nicht alle PC der DRV Bund auf ein
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BfDI 26. Tätigkeitsbericht 2015-2016