So war ich mit der Frage befasst, wie weit das Akteneinsichtsrecht nach § 25 SGB X reicht. Dieses Recht steht
grundsätzlich allen an einem Verfahren Beteiligten zu. Es gilt aber vor Abschluss des Verfahrens nicht für Entwürfe der Entscheidungen und für Vorbereitungsarbeiten (§ 25 Absatz 1 Satz 2 SGB X).
Die Unfallversicherungsträger vertreten unter Berufung auf diese Ausnahmeregelung die Auffassung, eine Behörde habe das Recht, Überlegungen, die für den Betroffenen letztendlich irrelevant seien, nicht offen zu legen.
Ich halte dies für problematisch, da keine klaren Kriterien dafür bestehen, welche Daten noch zu den bloßen
Entwürfen einer Entscheidung und welche Daten zu den Grundlagen der Entscheidung zählen. Im Sinne der
Verfahrenstransparenz fordere ich daher, grundsätzlich alle Aktenbestandteile für eine Akteneinsicht zur Verfügung zu stellen. Sollte ein Unfallversicherungsträger in ganz seltenen Ausnahmefällen von seiner o. a. Ausnahmeregelung Gebrauch machen wollen, ist dies konkret zu begründen. Die Entwürfe wären dann zu sperren und
für eine mögliche spätere Überprüfung aufzubewahren. Für diese Handhabung des § 25 Absatz 1 Satz 2 SGB X
werde ich mich weiterhin einsetzen.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hatte in einem anderen Fall die Auffassung vertreten,
der Versicherte habe lediglich gegenüber dem zuständigen Unfallversicherungsträger, nicht aber gegenüber dem
Gutachter selbst ein Akteneinsichtsrecht oder ein Auskunftsrecht bezüglich des vom ihm erstellten Gutachtens.
Der Unfallversicherungsträger schließe mit dem Gutachter einen Werkvertrag ab, sodass das geschuldete Werk
Teil der Verwaltungsakte werde. Der Versicherte habe daher lediglich ein Akteneinsichtsrecht nach § 25 SGB X
gegenüber dem Unfallversicherungsträger.
Ich habe die DGUV überzeugen können, diese Auffassung aufzugeben. Denn durch einen mit dem Gutachter
abgeschlossenen Vertrag können gesetzlich normierte Rechte grundsätzlich nicht abbedungen werden. Für den
Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes legt § 6 BDSG ausdrücklich fest, dass Rechte eines Betroffenen auf Auskunft nach § 19 BDSG und § 34 BDSG nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden können. Darüber hinaus ist zu beachten, dass durch den geschlossenen Werkvertrag auch Patientenrechte nach § 630g BGB ausgeschlossen würden, nach denen der Begutachtete das Gutachten auch direkt
von dem Arzt herausverlangen könnte.
In den mit Gutachtern geschlossenen Verträgen wird nunmehr ausdrücklich festgelegt, dass eigene Rechte des
Versicherten gegen den Gutachter auf Auskunft unberührt bleiben.
3.2.3.2
Weitere Einschränkung der Gutachterregelung im SGB VII
Seit der Einfügung des § 200 Absatz 2 SGB VII in das Sozialgesetzbuch habe ich eine gesetzliche Klarstellung
dieser Gutachterregelung gefordert.
Am 1. Januar 1997 war die Gutachterregelung in Kraft getreten, nach der die Versicherten unter drei Vorschlägen einen Gutachter auswählen können und auf das Recht hinzuweisen sind, der Übermittlung ihrer Daten an
einen Gutachter zu widersprechen. Seitdem haben die Unfallversicherungsträger versucht, den Anwendungsbereich und die Bedeutung der ungeliebten Vorschrift einzuschränken. Obwohl der Wortlaut des § 200 Absatz 2
SGB VII die Gewährung dieser Rechte anordnet, wird dies aber immer wieder durch juristische Spitzfindigkeiten unterlaufen. Deswegen habe ich wiederholt eine gesetzliche Klarstellung des § 200 Absatz 2 SGB VII angemahnt, damit die Versicherten nicht hilflos intransparenten Verfahren in der gesetzlichen Unfallversicherung
ausgeliefert sind (vgl. 25. TB Nr. 9.6). Auch zwanzig Jahre nach Einführung der Gutachterregelung führt diese
Norm noch zu vielen Eingaben Betroffener. Dabei konnte ich innerhalb des Berichtszeitraumes eine deutliche
Steigerung der Eingabezahlen zur Gutachterregelung feststellen.
Zu meinem Bedauern sieht das zuständige BMAS seit Jahren, zuletzt im Rahmen eines Verfahrens vor dem
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, nicht nur keinen Handlungsbedarf für eine Klarstellung des
§ 200 Absatz 2 SGB VII, sondern lobt die Vorschrift sogar als gelungenen Ausgleich zwischen den Interessen
der Unfallversicherungsträger und den Interessen der Versicherten.
BfDI 26. Tätigkeitsbericht 2015-2016
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