Die fehlende Differenzierung wirkt sich bei der Speicherung von Daten zu Kindern in besonderer Weise aus,
zumal hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stärker zu beachten ist.
Speziell für Kinder ist festzuhalten, dass diese keine Beschuldigten sein können. Daher ist auch eine Speicherung als Verdächtige einer Straftat nur mit erheblichen Einschränkungen zulässig. Als Zeugen, Hinweisgeber und in vergleichbarer Rolle können Kinder ohnehin nur mit den für diese Personengruppe gesetzlich vorgesehenen Restriktionen gespeichert werden.
Nicht zu beanstanden ist, wenn Kinder zur Aufgabenerfüllung mit entsprechend begrenztem Zweck gespeichert
werden. Dies kann bei der Strafverfolgung für kurze Zeit der Fall sein, um der Staatsanwaltschaft den Vorgang
mit dem Ziel der Einstellung zuzuleiten. Das kann aber auch zur Gefahrenabwehr zulässig sein, etwa wenn ein
Kind vermisst oder sonst gefährdet wird.
Eine darüber hinausgehende Speicherung - insbesondere in der Datei „b-case“ - ist aber in der Regel unzulässig.
Ziel der Datei ist es, Daten aus einem Ermittlungsverfahren für weitere Verfahren zur Verfügung zu stellen, um
mögliche Zusammenhänge zu ermitteln. Dazu soll nicht nur das Ereignis mit den handelnden Personen für sich
isoliert abgebildet werden, sondern die gespeicherten Personen, Objekte, Institutionen, Sachen und Ereignisse
sollen fallübergreifend verknüpft werden. Daher ist jedes gespeicherte Datum prinzipiell darauf angelegt, „angereichert“ zu werden. Die in „b-case“ gespeicherten Daten stehen daher unbegrenzt für Zwecke der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung zur Verfügung. Für Kinder verstößt eine solche Speicherung gegen den Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit. Auch die für eine Speicherung notwendige Negativprognose ist in diesen Fällen nicht
möglich.
Eine Speicherung von Zeugen und Hinweisgebern in „b-case“ kommt nicht in Betracht, denn diese Datei erfüllt
nicht die für diese Personen zu beachtenden gesetzlichen Restriktionen.
Die Kontrolle hat zu datenschutzrechtlichen Beanstandungen geführt. Derzeit befinde ich mich mit der Bundespolizei im Dialog zur Neugestaltung der Dateien.
10.3.5 ATD-Pflichtkontrollen - wichtig und unbedingt auszubauen
Die verfassungsgerichtlich und gesetzlich vorgegebenen Pflichtkontrollen der Antiterrordatei (ATD 5 beim BfV,
BND und beim Militärischen Abschirmdienst (MAD) bildeten einen Schwerpunkt meiner Tätigkeit. Allerdings
verfüge ich noch nicht über ausreichende personelle Ressourcen, die verfassungsgerichtlichen und gesetzlichen
Vorgaben voll zu erfüllen (vgl. o. Nr. 1.3).
Die Kontrollen bei BND und MAD waren bei Redaktionsschluss noch nicht vollständig abgeschlossen, so dass
ich mich vorliegend im Wesentlichen auf die ATD-Pflichtkontrolle beim BfV in Berlin beschränke, die in der
zweiten Jahreshälfte 2015 gemeinsam mit Mitarbeitern des Sekretariats der G-10-Kommission des Deutschen
Bundestages durchgeführt wurde, (vgl. o. Nr. 10.2.10.2).
Ohne die Ergebnisse vorwegnehmen zu wollen, kann ich aber schon jetzt sagen, dass der organisatorische Ablauf der Kontrollen beim BND und MAD sowie die Unterstützung, die meinen Mitarbeitern dort insbesondere
durch die behördlichen Datenschutzbeauftragten zu Teil wurde, sehr erfreulich waren. Vergleichbares kann ich
auch über eine entsprechende Kontrolle beim BKA als dateiführender Stelle sagen.
Den im Rahmen der Kontrolle beim BfV erstmalig verfolgten gemeinsamen Kontrollansatz mit der
G-10-Kommission des Deutschen Bundestages betrachte ich als zukunftsweisendes Modell, das es zur Vermeidung kontrollfreier Räume auch künftig zu verfolgen gilt (vgl. o. Nr. 10.2.10.2).
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BfDI 26. Tätigkeitsbericht 2015-2016

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