dieser Grundlage fallübergreifende Dateien zu führen. Dies würde letztlich die rechtlichen Begrenzungen für
übergreifende Dateien und Verbundsysteme unterlaufen. Diese setzen engere Vorgaben, wenn etwa die Daten
eines Beschuldigten oder eines Zeugen in künftigen Verfahren, also für die Gefahrenvorsorge, genutzt werden
sollen. Würde man solche Dateien zulassen, könnten etwa die Daten zu Zeugen oder Geschädigten fallübergreifend und umfassend ausgewertet werden.
Darüber hinaus geht es vielfach um die Frage, in welchem Umfang Datenbanken auf die Generalklausel des § 7
Absatz 1 BKAG gestützt werden können. Dies betraf wie schon in früheren Berichtszeiträumen vor allem die so
genannten Prüffälle (vgl. 24. TB Nr. 7.4.4). Unzulässig ist es z.B. eine Person zu speichern, bei der noch unklar
ist, ob sie ausreichenden Anlass für eine Speicherung gegeben hat. Nicht tragbar ist es insbesondere, solche
Personen nur mit dem Ziel der „Anreicherung“ der Daten zu speichern.
Eine Besonderheit sind Prüfdateien, in denen Prüffälle in einem bislang nicht gekannten Umfang gespeichert
werden. In einer neuen Datei speichert das Bundeskriminalamt die Daten aus den Funkzellenabfragen aus
einer Vielzahl von Verfahren aus verschiedenen Bundesländern und gleicht diese miteinander ab. Nach meiner
Auffassung handelt es sich der Sache nach um eine Rasterfahndung gemäß § 98a StPO. Das Bundeskriminalamt und das Bundesministerium des Innern sind jedoch der Auffassung, eine solche Datei auf die Generalklausel des § 7 Absatz 1 BKAG stützen zu können. Diese Datenverarbeitung hat eine hohe Streubreite und enthält
die Daten einer Vielzahl von Personen, die selbst keinen Anlass für eine Speicherung gegeben haben. Dies kann
nur auf Grundlage einer spezifischen Rechtsgrundlage erfolgen, die Voraussetzungen und Umfang verhältnismäßig regelt. Die Generalklausel genügt dafür nicht. Ich sehe mich durch einzelne Gerichtsentscheidungen
bestätigt, die bei Funkzellenabfragen gleichzeitig einen Beschluss gemäß § 98a StPO fassen. Auf die Datei aufmerksam geworden bin ich im Verfahren der Anhörung zur Errichtungsanordnung. Ich beabsichtige, sie einer
datenschutzrechtlichen Kontrolle zu unterziehen. Zahlen liegen mir noch nicht vor, ich gehe aber davon aus,
dass eine solche Datei prinzipiell eine sehr hohe Anzahl von Daten enthalten kann.
In einer Vielzahl von Dateien führt das Bundeskriminalamt „ermittlungsunterstützende Hinweise“ (EHW)
als neues Speicherdatum ein. Betroffen sind auch bundesweite Verbunddateien. Zuvor waren nur „personengebundene Hinweise“ (PHW) vorgesehen. Diese sind gesetzlich legitimiert und dienen der Eigensicherung der
Polizei und dem Schutz der betroffenen Person (z. B. „bewaffnet“, „gewalttätig“, „Suizidgefahr“). Die neuen
EHW sollen die betroffene Person aber darüber hinaus klassifizieren und eine schnelle Einstufung ermöglichen
(z. B. „Rocker“, „politisch motivierter Straftäter“). Anders als bei bisherigen PHW sind keine besonderen Fristen vorgesehen. Das „Etikett“ hängt den Betroffenen also im Zweifel für die gesamte Speicherdauer an. Nach
meiner Auffassung haben EHW einen stärker stigmatisierenden Charakter. Sie können nicht mit dem legitimen
Zweck der Eigensicherung der eingesetzten Beamten gerechtfertigt werden. Wie bei allen polizeilichen Daten
ist zu berücksichtigen, dass es nicht nur um verurteilte Straftäter geht. Ein Großteil aller polizeilichen Daten
betrifft Personen, die nur wegen eines Verdachts gespeichert sind. Das mit dem EHW vergebene Etikett erhalten
also auch solche Personen, deren Daten beispielsweise bei einer Demonstration erfasst wurden, gegen die ein
Strafverfahren aber später wegen mangelnder Beweise eingestellt wurde oder die sogar freigesprochen wurden.
Die Kriterien, nach denen EHW vergeben werden, sind völlig unklar. Ich habe das Bundesministerium des Innern gebeten, mir für alle geplanten EHW im Einzelnen zu erläutern, nach welchen genauen Kriterien und auf
welcher Rechtsgrundlage diese jeweils vergeben werden. Leider habe ich bislang nur die allgemeine Antwort
erhalten, die EHW seien von den Gremien der Innenministerkonferenz so beschlossen worden. Der Vorgang ist
noch nicht abgeschlossen.
Die Reaktion auf meine Anmerkungen im Anhörungsverfahren zu Errichtungsanordnungen war auch in
anderen Fällen nicht zufriedenstellend. So habe ich immer wieder auf die fehlende Protokollierung verschiedener Dateien hingewiesen. Eine Änderung der bestehenden Praxis wurde immer wieder abgelehnt. Leider ist es
mir bislang verwehrt, in derartigen Fällem die Gerichte anzurufen. Das Anhörungsverfahren hat sich für meine
Arbeit aber gleichwohl als sehr wichtig erwiesen, da es Ansatzpunkt für mein weiteres Tätigwerden und für
datenschutzrechtliche Kontrollen bietet. Viele Problemlagen wären mir ohne das Anhörungsverfahren verborgen geblieben (vgl. a. u. Nr. 10.2.9.1).

BfDI 26. Tätigkeitsbericht 2015-2016

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