Der Zusammenhang mit weiteren Themenbereichen, wie dem Austausch der Polizeibehörden mit den Nachrichtendiensten, der europäische Datenaustausch oder die weit im Gefahrenvorfeld stattfindende Auswertung von
Daten in der Geldwäschebekämpfung darf dabei nicht übersehen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind alle Maßnahmen, die insbesondere durch heimliche Ermittlungsmaßnahmen und
Datenanalysen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen, stets im gesamten Zusammenhang zu betrachten. Dafür wurde der treffende Begriff der „Überwachungs-Gesamtrechnung“ geprägt.
10.2.9.1 Novellierung des BKAG
Der von der Bundesregierung beschlossene Gesetzentwurf zur Novelle des Bundeskriminalamtgesetzes wird die
polizeiliche Datenlandschaft in Bund und Ländern grundlegend verändern. Ich sehe dabei viele datenschutzrechtliche Mängel.
Anlass des Entwurfs sollte eigentlich die Umsetzung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts der jüngsten
Zeit (vgl. o. Nr. 1.3), insbesondere zum Bundeskriminalamtgesetz, sowie der neuen EU-Richtlinie für den Datenschutz im Bereich Justiz und Inneres (JI-Richtlinie, vgl. o. Nr. 1.2.2) sein. Der Entwurf beschränkt sich aber
nicht darauf, sondern schafft einen neuen relativ undifferenzierten Informationspool, führt zu wesentlich längeren Speicherfristen und berücksichtigt viele der datenschutzrechtlichen Forderungen an ein modernes polizeiliches Datenschutzrecht nicht.
Neuer Informationspool
Der Entwurf will die bisherigen Verbunddateien des bundesweiten INPOL-Systems abschaffen und durch einen
neuen „Informationsverbund“ ersetzen. Die bisherige Differenzierung nach verschiedenen Dateien wird es dann
in Zukunft nicht mehr geben. Dasselbe gilt für die internen Dateien des BKA, die der Gesetzentwurf durch ein
„Informationssystem“ ersetzen will.
Das Bundesministerium des Innern und das BKA haben bislang keine konkreten Planungen für eine neue
IT-Struktur vorgelegt. Diese sollten als erstes in schriftlicher und damit belastbarer Form vorliegen. Erst dann
kann inhaltlich diskutiert werden, ob und ggf. welche gesetzlichen Anpassungen notwendig sind. Nach meiner
Überzeugung kann das BKA die IT-Landschaft auch ohne die im Gesetzentwurf vorgesehenen fundamentalen
Änderungen modernisieren. Insbesondere ist die vorgesehene vollständige Abkehr vom Dateibegriff dazu nicht
notwendig. Solange konkrete Planungen fehlen, findet die Diskussion quasi im luftleeren Raum statt.
Die Funktionalität der Systeme soll nach dem Entwurf nur noch wenig begrenzt sein:
-

Sämtliche Daten innerhalb des Informationssystems und des Informationsverbundes können prinzipiell
miteinander verknüpft werden.
Durch die Verknüpfung laufen die Aussonderungsprüffristen ins Leere.
Alle Daten können miteinander abgeglichen werden.
Die Methoden des Datenabgleichs sind nicht eingegrenzt.
Jeder Abgleich kann zu weiteren Datenverknüpfungen führen und damit wiederum die Speicherdauer verlängern.
Personen bleiben auch dann dauerhaft gespeichert, wenn ihre Daten in „strategische Analysen und Statistiken“ einfließen.

Durch die neue geplante Struktur werden die gespeicherten Daten nicht mehr einzelnen Dateien zugeordnet.
Damit enthalten die in den jeweiligen Dateien zusammengefassten Daten keine spezifischen Vorgaben mehr
zum Zweck der jeweiligen Speicherung, zu Aussonderungsprüffristen und zu den weiteren bislang in Errichtungsanordnungen vorgesehenen Verfahrenssicherungen.

BfDI 26. Tätigkeitsbericht 2015-2016

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