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7.1.2

Neuregelung der akustischen
Wohnraumüberwachung

K a s t e n zu Nr. 7.1.2

Der Gesetzentwurf zur Neuregelung der akustischen
Wohnraumüberwachung ließ zunächst wichtige Forderungen unberücksichtigt.

68. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des
Bundes und der Länder am 28. Und 29. Oktober
2004 in Saarbrücken

Das BMJ hat im Juni 2004 einen Gesetzentwurf zur
Abstimmung vorgelegt, in dem die beanstandeten Regelungen überarbeitet worden waren. Die Neuregelung beschränkt sich allein auf die akustische Wohnraumüberwachung in der StPO und lässt andere Befugnisse,
insbesondere zu verdeckten Ermittlungsmaßnahmen, bei
denen auf Grund der BVerfG-Entscheidung ebenfalls Reformbedarf besteht, außer Acht. In einem Gespräch mit
der Bundesministerin der Justiz habe ich auf den weiteren
Reformbedarf hingewiesen, der bezüglich der StPO vor
allem die Überwachung der Telekommunikation nach den
§§ 100a ff. StPO betrifft, aber auch andere Formen der
verdeckten Datenerhebung mit zwangsläufiger Berührung der privaten Lebensgestaltung, wie etwa die längerfristige Observation, den verdeckten Einsatz technischer
Mittel, den Einsatz von Vertrauenspersonen oder von verdeckten Ermittlern umfasst (vgl. hierzu auch die Entschließungen der Datenschutzbeauftragten des Bundes
und der Länder, Kasten zu Nr. 5.1.2, 7.1.2).

Entschließung:
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur
Neuregelung der akustischen
Wohnraumüberwachung

Darüber hinaus enthielt der erste Entwurf vom Juni 2004
insbesondere zwei kritische Punkte:
– Die Möglichkeit, Gespräche mit Ärzten, Psychologen,
Rechtsanwälten, Journalisten oder Seelsorgern abzuhören, sollten nicht etwa eingeschränkt, sondern erweitert werden. Ein absoluter Schutz vor Abhörmaßnahmen sollte nur noch für Gespräche mit
Strafverteidigern im Rahmen ihres Mandats sowie für
Beichtgespräche mit Seelsorgern gelten. Bei den übrigen Berufsgeheimnisträgern enthielt der Referentenentwurf lediglich eine Abwägungsklausel. Dagegen ist
bereits nach geltendem Recht durch Verweis auf
§ 53 StPO sichergestellt, dass wenigstens Gespräche
mit Berufsgeheimnisträgern auch bei akustischer
Wohnraumüberwachung weitgehend geschützt werden.
– In den Straftatenkatalog des § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO
dürfen nach Vorgabe des BVerfG nur Straftaten mit einer Höchststrafe von mehr als fünf Jahren aufgenommen werden. Offenbar um in erster Linie diesem Maßstab zu genügen, sollte die Bildung krimineller
Vereinigung in einem besonders schweren Fall (§ 129
Abs. 4 Strafgesetzbuch) statt mit bisher fünf Jahren
künftig mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht
werden.
Diese beiden Punkte wurden in den von der Bundesregierung im September 2004 beschlossenen Entwurf nicht
übernommen. Darüber hinaus wurden auch einige weitere
von mir angeregte Änderungen berücksichtigt. Allerdings
erfolgte keine klare Definition des „unantastbaren Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung“ und auch der
Kreis der Menschen „des persönlichen Vertrauens“ blieb
offen.

BfD

20. Tätigkeitsbericht

2003–2004

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Neuregelung der akustischen Wohnraumüberwachung vorgelegt. Sie setzt damit in großen Teilen das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 um, wonach die Vorschriften der Strafprozessordnung zum
„großen Lauschangriff“ in wesentlichen Teilen verfassungswidrig sind. Allerdings sind zentrale Punkte, wie
die Begriffsbestimmung des „unantastbaren Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung“ und die Bestimmung des Kreises der Menschen „des persönlichen Vertrauens“ offen geblieben.
Ungeachtet dessen drohen im weiteren Verlauf des
Gesetzgebungsverfahrens schwerwiegende Verschlechterungen: So wird diskutiert, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts dadurch zu unterlaufen, dass
auch bei erkannten Eingriffen in den absolut geschützten
Kernbereich die technische Aufzeichnung fortgesetzt
wird. Dies steht in eklatantem Widerspruch zur eindeutigen Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, die Aufzeichnung in derartigen Fällen sofort zu beenden. Darüber hinaus wird versucht, den Anwendungsbereich
der akustischen Wohnraumüberwachung dadurch auszuweiten, dass auch nicht strafbare Vorbereitungshandlungen einbezogen werden. Auch dies widerspricht den verfassungsgerichtlichen Vorgaben und verwischt die
Grenzen zwischen Strafverfolgung und Gefahrenabwehr.
Die Datenschutzbeauftragten bekräftigen im Übrigen
ihre Forderung, dass es im Hinblick auf die Heimlichkeit der Überwachung und ihrer zwangsläufigen Berührung mit dem Kernbereich privater Lebensgestaltung
erforderlich ist, alle Formen der verdeckten Datenerhebung an den Maßstäben der verfassungsgerichtlichen
Entscheidung vom 3. März 2004 zu messen und auszurichten sowie die einschlägigen gesetzlichen Befugnisregelungen des Bundes und der Länder auf den Prüfstand zu stellen und ggf. neu zu fassen. Dies gilt etwa
für die präventive Telekommunikationsüberwachung,
die längerfristige Observation, den verdeckten Einsatz
technischer Mittel, den Einsatz nachrichtendienstlicher
Mittel und von verdeckten Ermittlern. Dabei sind insbesondere Regelungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und zum Schutz vertraulicher
Kommunikation mit engsten Familienangehörigen und
anderen engsten Vertrauten sowie mit Personen, die einem Berufsgeheimnis unterliegen, zur Einhaltung der
Zweckbindung bei Weiterverwendung der durch die
Eingriffsmaßnahmen erlangten Daten, zu der dazu erforderlichen Kennzeichnungspflicht und zur Benachrichtigung aller von der Eingriffsmaßnahme Betroffenen
sowie zur detaillierten Ausgestaltung von Berichtspflichten gegenüber den Parlamenten vorzusehen.

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