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Insofern scheint nicht ein fehlendes allgemeines Zugangsrecht der Statistik das Problem, sondern die nicht
vorhandenen gebrauchsfertigen Verwaltungsregister.
Ich sehe somit für die Schaffung eines generellen gesetzlichen Zugangsrechts der Statistik zu Verwaltungsdaten
weder eine verfassungsgemäße Möglichkeit, noch eine
praktikable Verbesserung der Situation. Aus meiner Sicht
kann und sollte jedoch darüber diskutiert werden, inwieweit künftig ein Stammdatensatz pro Unternehmen, der
für verschiedene Statistiken herangezogen werden kann,
Erleichterungen bringt. Diskutabel ist ferner die Rückmeldung plausibilisierter Daten in Einzelfällen (z. B. Anschrift, Rechtsform, Wirtschaftszweig, Organzugehörigkeit) und die Zusammenarbeit mit der Verwaltung bei der
Gestaltung der Verwaltungsregister.
Der Datenschutz ist kein unüberwindbares Hindernis für
die Verwendung von Verwaltungsdaten für Wirtschaftsstatistiken. Deshalb bin ich sicher, dass sich vertretbare
Lösungen finden lassen werden.
6.11
Mikrozensusgesetz – was gibt es
Neues?
Durch das Mikrozensusgesetz 2005 werden nicht mehr
alle Erhebungsmerkmale im Gesetz selbst, sondern durch
eine Rechtsverordnung festgelegt.
Die Grundidee des Mikrozensus ist, mit einer Auswahl
der Bevölkerung nach mathematisch-statistischen Verfahren ein annähernd wirklichkeitsgetreues Abbild der gesamten Bevölkerung darzustellen. Die Ergebnisse bilden
eine Grundlage für politische Entscheidungen, z. B. im
Bereich der Arbeits-, Sozial-, Familien-, Gesundheitsoder Bildungspolitik; sie finden Eingang in Regierungsberichte, in das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und stehen Wissenschaft und Forschung zur
Verfügung.
Das Mikrozensusgesetz 2005 (MZG) ist – wie seine Vorgänger – zeitlich befristet und gilt für acht Jahre, um den
Erhebungsbedarf überprüfen und gegebenenfalls anpassen zu können. Nachdem im Mikrozensusgesetz 1996 den
Anregungen des BfD Rechnung getragen worden war
(vgl. 16. TB Nr. 30.4), habe ich mich auf die Änderungen
dieses Gesetzes konzentriert. Die entscheidende Veränderung besteht darin, nicht mehr sämtliche Einzelfragen
(Erhebungsmerkmale) im Gesetz selbst zu regeln, sondern die Regelung auf Fragenkomplexe zu beschränken,
aus denen dann die konkreten Fragen entwickelt und im
Wege einer Rechtsverordnung gesetzlich festgelegt werden können. So kann z. B. das im MZG formulierte
Merkmal „Art, Anlass und Dauer der Arbeitssuche“ zu
mehreren Fragen führen: Einerseits nach dem Grund
(z. B. Entlassung, eigene Kündigung und freiwillige Unterbrechung) und andererseits nach der Tätigkeit (z. B.
Selbständiger, Arbeitnehmer und Voll- oder Teilzeit). Ich
habe dabei geprüft, ob die gewählten Umschreibungen
dem Gebot der Normenklarheit entsprechen, d. h. ob die
Fragenkomplexe hinreichend deutlich Inhalt und Umfang
der Erhebungsmerkmale bestimmen. Da der Fragebogen
aber erst im Zusammenhang mit der späteren Rechtsverordnung entwickelt werden soll, wird sich meine Prüfung
bei jeder konkreten Fragestellung fortsetzen. Die Umstellung wurde gewählt, um eine größere Flexibilität für statistische Erhebungen zu erreichen, indem neue Fragestellungen einbezogen oder andere nuanciert werden können,
ohne das Gesetz selbst ändern zu müssen. Die Auskunftspflicht der Befragten besteht für die meisten Daten fort.
Die zur freiwilligen Beantwortung stehenden Fragen wurden mit ganz geringen Ausnahmen (z. B. fehlende Antworten zum Schulabschluss mit der Folge mangelnder
Aussagefähigkeit, daher jetzt Auskunftspflicht) beibehalten.
Ich habe deshalb noch einmal die generelle Auskunftspflicht der Befragten zur Diskussion gestellt und nach Alternativen mit geringerem Eingriffcharakter für den Bürger gefragt. Die Statistiker haben eingewandt, dass bei
einer 1 Prozent Stichprobe die Datenbasis zu gering sei,
um Ausfälle durch eine Beantwortungsquote, die unter
50 Prozent liegen würde, aufzufangen. Man sei aber bemüht, dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung zu tragen, indem Fragen nach sensiblen
Daten weitgehend der freiwilligen Auskunft überlassen
seien. Gleichwohl habe ich auf die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Methodendiskussion hingewiesen, die sich auch auf Stichprobenerhebungen und
Entwicklungen sozialwissenschaftlicher Hochrechnungsverfahren erstreckt. Weitere Neuerungen betreffen eher
technisch-organisatorische Maßnahmen. Ich werde mich
an der weiteren Konkretisierung des Fragenprogramms
im Rahmen der zu erlassenden Rechtsverordnung beteiligen.
6.12
Volkszählungstest – Beginn eines neuen
Zeitalters?
Bei künftigen Volkszählungen könnte möglicherweise auf
aufwändige Befragungen aller Einwohner verzichtet werden. In den letzten Jahren wurde getestet, ob Dateien der
Verwaltung geeignet sind, zu gleichen Ergebnissen zu gelangen.
Auf der Grundlage des Zensustestgesetzes vom 27. Juli 2001 (vgl. 19. TB Nr. 7.9) haben die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder Tests zur Erprobung eines
registergestützten Zensusverfahrens durchgeführt, deren
erste Ergebnisse nun vorliegen. Dabei wurde ein Alternativkonzept getestet, das anstelle der herkömmlichen
Volkszählung – soweit möglich – die Nutzung vorhandener Verwaltungsregister, insbesondere der Melderegister
und Dateien der Bundesagentur für Arbeit (BA), vorsieht.
Gegenstand des Tests waren: Die Qualität der Melderegister und der Dateien der BA, die Verfahren zur statistischen Bereinigung der Melderegisterdaten und der Zusammenführung der verschiedenen Daten sowie das
Verfahren zur Generierung von Haushaltszusammenhängen. Dazu wurden zu einem bestimmten Stichtag Daten
aus den Melderegistern und den Dateien der BA für ausgewählte Gemeinden und Gebäude an die Statistischen
BfD
20. Tätigkeitsbericht
2003–2004