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Einführung
– Überblick und Ausblick –

Die Suchmaschine Google liefert zum Stichwort „Datenschutz“ mehr als 30 Millionen Treffer, beim englischen
„privacy“ sind es über 430 Millionen. Es ist also kaum zu
bestreiten, dass sich der Schutz personenbezogener Daten
inzwischen sowohl in Deutschland als auch international
etabliert hat. Seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vor mittlerweile mehr als zwanzig
Jahren ist auch klar, dass der Datenschutz als Recht auf
informationelle Selbstbestimmung zu den Grundrechten
gehört.
Trotzdem wird bisweilen der Eindruck vermittelt, Datenschutz sei eine lästige und bürokratische Pflichtübung,
die sinnvolle Lösungen be- und verhindere. Immer wieder höre ich die Forderung, der Datenschutz müsse zugunsten vermeintlich bedeutsamerer Rechtsgüter – wie
Sicherheit, Wissenschafts- und Forschungsfreiheit, Steuergerechtigkeit – eingeschränkt werden. In einzelnen Bereichen ist es auch tatsächlich zu erheblichen Gewichtsverschiebungen zu Lasten des Datenschutzes gekommen,
vor allem für Zwecke der Kriminalitätsbekämpfung und
im Finanz- und Sozialwesen.
Im Berichtszeitraum war es wiederum das Bundesverfassungsgericht, das in verschiedenen Entscheidungen das
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gestärkt und damit einen wichtigen Kontrapunkt gesetzt hat.
Dies gilt vor allem für die Entscheidung zur akustischen
Wohnraumüberwachung („Großer Lauschangriff“) vom
3. März 2004, die betont, dass ein unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung vor jeglicher Überwachung geschützt bleiben muss, für den also auch Nützlichkeitserwägungen einen Eingriff nicht rechtfertigen
können. Wie vor zwanzig Jahren beim Volkszählungsurteil ist in einigen Diskussionsbeiträgen das Bemühen
erkennbar, das Urteil zum Lauschangriff kleinzureden. So
wird davon gesprochen, die Entscheidung habe ausschließlich Konsequenzen für die akustische Wohnraumüberwachung, nicht jedoch für andere Befugnisse zur
heimlichen Datenerhebung, etwa für die Telefonüberwachung. Dabei hat das BVerfG in einer anderen Entscheidung vom gleichen Tage festgestellt, dass die Grundsätze
des Urteils zum Lauschangriff auch bei der Befugnis zur
präventiven Telekommunikationsüberwachung durch das
Zollkriminalamt zu beachten sind. Bei einem von mir
veranstalteten wissenschaftlichen Kolloquium bestand
zwischen den Experten Einigkeit, dass eine „kleine Lösung“ nicht ausreicht, also auch die übrigen Befugnisse
zur verdeckten Datenerhebung auf den Prüfstand gehören. (Vgl. Nr. 7.1)
Auch die Befugnisse, die den Sicherheitsbehörden nach
den terroristischen Anschlägen am 11. September 2001
eingeräumt wurden, müssen überprüft werden, wie dies
bereits im Gesetzgebungsverfahren vorgesehen wurde. In
diesem Zusammenhang begrüße ich es, wenn die dabei
verwendeten Kriterien und die Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, damit die anstehende
politische Debatte auf Basis einer gesicherten Faktenlage
geführt werden kann. Dies ist deshalb besonders wichtig,
weil über Grundrechtseingriffe zu entscheiden ist, die nur

unter Wahrung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingeführt oder fortgesetzt werden
dürfen. (Vgl. Nr. 5.5.4)
Technologische Innovationen, insbesondere bei der Ortungstechnik, der Datenübertragung und bei der Bilderkennung, sind im Berichtszeitraum so weit vorangeschritten, dass die durch sie ermöglichten neuen Dienste und
Verfahren kurz vor ihrer Einführung bzw. Durchsetzung
in großem Maßstab stehen: Mobilkommunikations- und
Ortungstechniken erlauben Lokalisierungsdienste, die
nicht nur zur Komfortsteigerung beitragen und neue Geschäftsmodelle ermöglichen, sondern auch die Verfolgung und Registrierung der Aufenthaltsorte und Bewegungen von Personen gestatten. Biometrische Verfahren
können sowohl im privaten als auch im staatlichen Bereich eingesetzt werden, um die Identifikation von Personen zu erleichtern. Sie ermöglichen es jedoch auch, den
Einzelnen heimlich zu überwachen. Leider hat die Entwicklung technologischer Instrumente, mit denen sich der
Einzelne gegen Überwachung schützen kann, nicht mit
den Überwachungstechnologien Schritt gehalten. Umso
wichtiger ist es, bei neuen Systemen den Datenschutz bereits in der Entwicklungs- und Konzeptionsphase zu berücksichtigen, wie dies das Bundesdatenschutzgesetz bereits seit 2001 vorsieht. Offenbar hat diese Erkenntnis
allerdings noch nicht alle Beteiligten erreicht. So musste
ich feststellen, dass selbst bei einem Großprojekt wie der
Umstellung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf das
Arbeitslosengeld II elementare Datenschutzanforderungen bei der Systemgestaltung nicht beachtet wurden.
(Vgl. Nr. 16.1)
Von grundlegender Bedeutung sind auch die neuen Erkenntnisse bei der Erforschung des menschlichen Genoms und die daraus erwachsenen Anwendungsmöglichkeiten. Aus der DNA lassen sich sowohl die Identität und
die Abstammung feststellen als auch Hinweise auf persönliche Eigenschaften und über die Veranlagung zu
Krankheiten gewinnen. Die Kontroversen um die Nutzung der DNA als „Fingerabdruck des 21. Jahrhunderts“
und über die Zulässigkeit heimlicher Vaterschaftstests
sind dabei nur ein erster Ausdruck für die Umwälzungen,
die sich aus den neuen Erkenntnissen ergeben. Die hiermit verbundenen Fragen gehen weit über das kodifizierte
Datenschutzrecht hinaus. Die kommenden Jahre werden
entscheidende Weichenstellungen bringen, ob angesichts
dieser qualitativ neuen Möglichkeiten das Persönlichkeitsrecht bewahrt werden kann. (Vgl. Nr. 7.3)
Bei der Datenschutzgesetzgebung wurden während der
Berichtsperiode leider kaum sichtbare Fortschritte erzielt.
Das für den Vollzug des BDSG 2001 erforderliche Datenschutzauditgesetz, das vom Bundestag seit langem geforderte Arbeitnehmerdatenschutzgesetz und das dringend
notwendige Gendiagnostikgesetz lassen weiter auf sich
warten, und bei der angekündigten grundlegenden Modernisierung des Datenschutzrechts herrscht Stillstand.
Lediglich in einigen gesetzlichen Spezialregelungen
konnten erfreuliche Ergebnisse erreicht werden – ich
möchte hier beispielhaft auf die Bestimmungen zum Datenschutz bei der Gesundheitskarte hinweisen. Vor diesem Hintergrund begrüße ich Ankündigungen aus dem

BfD

20. Tätigkeitsbericht

2003–2004

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