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A n l a g e 14 (zu Nr. 7.2.1)
66. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 25. und 26. September 2003
Entschließung:
Konsequenzen aus der Untersuchung des Max-Planck-Instituts über Rechtswirklichkeit und Effizienz
der Überwachung der Telekommunikation
Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg hat im Mai dieses Jahres sein
im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz erstelltes
Gutachten „Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100 a,
100 b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen“ vorgelegt. Darin hat es festgestellt, dass
– die Zahl der Ermittlungsverfahren, in denen TKÜ-Anordnungen erfolgten, sich im Zeitraum von 1996 bis
2001 um 80 Prozent erhöht (1996: 2 149; 2001; 3 868)
hat,
– die Gesamtzahl der TKÜ-Anordnungen pro Jahr im
Zeitraum von 1990 bis 2000 von 2 494 um das Sechsfache auf 15 741 gestiegen ist,
– sich die Zahl der jährlich davon Betroffenen im Zeitraum von 1994 bis 2001 von 3 730 auf 9 122 fast verdreifacht hat,
– in 21 Prozent der Anordnungen zwischen 1 000 und
5 000 Gespräche, in 8 Prozent der Anordnungen mehr
als 5 000 Gespräche abgehört worden sind,
– der Anteil der staatsanwaltschaftlichen Eilanordnungen im Zeitraum von 1992 bis 1999 von ca. 2 Prozent
auf ca. 14 Prozent angestiegen ist,
– die Beschlüsse in ca. ¾ aller Fälle das gesetzliche Maximum von drei Monaten umfassen, ¾ aller Maßnahmen tatsächlicher aber nur bis zu zwei Monaten andauern,
– lediglich 24 Prozent der Beschlüsse substanziell begründet werden,

Deutung – nämlich nicht allein mit dem Zuwachs der Anschlüsse erklärt werden. Telefonüberwachungen müssen
ultima ratio bleiben. Außerdem sind die im Gutachten des
Max-Planck-Instituts zum Ausdruck kommenden strukturellen Mängel zu beseitigen.
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes
und der Länder fordert den Gesetzgeber und die zuständigen Behörden auf, aus den Ergebnissen der Untersuchung
daher folgende Konsequenzen zu ziehen:
– Der gesetzliche Richtervorbehalt darf nicht aufgelockert werden. Die Verwertung der angefertigten Aufzeichnungen sollte in Fällen staatsanwaltschaftlicher
Eilanordnungen davon abhängig gemacht werden,
dass ein Gericht rückwirkend deren Rechtmäßigkeit
feststellt.
– Um die Qualität der Entscheidungen zu verbessern,
sollte die Regelung des § 100b StPO dahingehend ergänzt werden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen
der Anordnung einzelfallbezogen darzulegen sind. Die
Rechtsfolgen für erhebliche Verstöße gegen die Begründungsanforderungen sollten gesetzlich geregelt
werden (z. B. Beweisverwertungsverbote).
– Um die spezifische Sachkunde zu fördern, sollten die
Aufgaben der Ermittlungsrichterinnen und -richter auf
möglichst wenige Personen konzentriert werden. Die
Verlagerung auf ein Kollegialgericht ist zu erwägen.
– Der Umfang des – seit Einführung der Vorschrift regelmäßig erweiterten – Straftatenkataloges des § 100 a
StPO muss reduziert werden.

– 73 Prozent der betroffenen Anschlussinhaberinnen
und -inhaber nicht über die Maßnahme unterrichtet
wurden.

– Um eine umfassende Kontrolle der Entwicklung von
TKÜ-Maßnahmen zu ermöglichen, muss in der StPO
eine Pflicht zur zeitnahen Erstellung aussagekräftiger
Berichte geschafft werden. Jedenfalls bis dahin muss
auch die in § 88 Abs. 5 TKG festgelegte Berichtspflicht der Betreiber von Telekommunikationsanlagen
und der Regulierungsbehörde beibehalten werden.

Die Telefonüberwachung stellt wegen ihrer Heimlichkeit
und wegen der Bedeutung des Rechts auf unbeobachtete
Kommunikation einen gravierenden Eingriff in das Persönlichkeitsrechts der Betroffenen dar, zu denen auch unbeteiligte Dritte gehören. Dieser Eingriff kann nur durch
ein legitimes höherwertiges Interesse gerechtfertigt werden. Nur die Verfolgung schwerwiegender Straftaten
kann ein solches Interesse begründen. Vor diesem Hintergrund ist der Anstieg der Zahl der Verfahren, in denen
Telefonüberwachungen angeordnet werden, kritisch zu
bewerten. Dieser kann – entgegen häufig gegebener

– Der Umfang der Benachrichtigungspflichten, insbesondere der Begriff der Beteiligten, ist im Gesetz näher zu definieren, um die Rechte, zumindest aller bekannten Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmer zu
sichern. Für eine längerfristige Zurückstellung der
Benachrichtigung ist zumindest eine richterliche Zustimmung entsprechend § 101 Abs. 1 Satz 2 StPO vorzusehen. Darüber hinaus müssen die Strafverfolgungsbehörden beispielsweise durch Berichtspflichten
angehalten werden, diesen gesetzlich festgeschriebenen Pflichten nachzukommen.

– es nur in 17 Prozent der Fälle Ermittlungserfolge gegeben hat, die sich direkt auf den die Telefonüberwachung begründenden Verdacht bezogen,

BfD

20. Tätigkeitsbericht

2003–2004

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