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Hauptgutachter über die Beauftragung des Zusatzgutachters auseinandersetzen zu müssen.

19.3

Ich begrüße es, dass mehrere Berufsgenossenschaften ein
Verfahren entwickeln wollen, das datenschutzfreundlichen Maßstäben gerecht wird.

Auch nach Änderungen in der zweiten Auflage des von
dem Hauptverband der Gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) herausgegebenen Reports zur Berufskrankheit Nr. 1317 werden in den Ermittlungsverfahren
zu dieser Berufskrankheit die datenschutzrechtlichen Vorschriften §§ 199 Abs. 3, 200 Abs. 2 SGB VII nicht berücksichtigt.

19.2

Datenerhebung nach §§ 201, 203 SGB VII

Die von einigen Berufsgenossenschaften immer wieder
geforderte Erweiterung der Möglichkeiten zur Datenerhebung wäre unzulässig und würde zudem den Versicherten unzumutbar belasten.
Die Regelung des § 203 Abs. 1 SGB VII verpflichtet
Ärzte, die nicht an einer Heilbehandlung beteiligt sind
– gemeint ist damit im wesentlichen das Durchgangsarztverfahren –, dem Unfallversicherungsträger auf Verlangen Auskunft über die „Behandlung, den Zustand sowie
über Erkrankungen und frühere Erkrankungen des Versicherten“ zu erteilen, soweit dies für die Heilbehandlung
und sonstige Leistungen erforderlich ist. Obwohl diese
Regelung ihrem Wortlaut nach eindeutig ist, gibt es immer wieder Versuche, den Rahmen der Auskunftspflicht
durch Auslegung zu erweitern. So wird bisweilen entgegen der eindeutigen Aufzählung der zu übermittelnden
Daten behauptet, dass zusätzlich auch Daten der Versicherten zu beauskunften seien, die über den rein medizinischen Bereich hinausgehen. Auf diese Auffassung gestützt, erfragen verschiedene Berufsgenossenschaften
formularmäßig, welche Angaben der Versicherte zu der
Entstehung seiner Beschwerden gemacht habe. Zwar
wird eingeräumt, dass zur Erhebung dieser Auskünfte
kein praktisches Bedürfnis bestehe, da die nicht an einer
Heilbehandlung beteiligten Ärzte in aller Regel keine
Kenntnis vom Hergang eines Unfalls oder der Exposition
an der Arbeitsstelle hätten. Die Erhebung dieser Daten
verstößt auch gegen den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Diese Einschränkung der Auskunftspflicht eines
behandelnden Arztes auf die Erkrankung halte ich für unabdingbar, da viele Patienten gegenüber ihrem Arzt nur
Mutmaßungen zu der Entstehung einer Erkrankung äußern und mögliche Aufzeichnungen des Arztes nicht
überprüfen. Würden solche Äußerungen auch noch nach
Jahren zu der Prüfung eines Anspruches in der gesetzlichen Unfallversicherung herangezogen werden können,
würde dies nicht nur zu fragwürdigen Ergebnissen führen, sondern auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt
und Patienten stark beeinträchtigen. In dem unfallversicherungsrechtlichen Verfahren wäre es für den Betroffenen dann nahezu unmöglich, seine früheren Angaben zu
korrigieren, zumal die Berufsgenossenschaften nicht selten mit dem Argument, die Erinnerung sei kurz nach einem Geschehen besonders frisch und daher zuverlässig,
Korrekturen von Angaben generell ablehnen.
Über die Auslegung der §§ 201, 203 SGB VII bin ich
weiterhin mit Berufsgenossenschaften, dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften sowie
dem Bundesversicherungsamt im Gespräch.

BfD

20. Tätigkeitsbericht

2003–2004

Zweite Auflage des BK-Reports zur
Berufskrankheit Nr. 1317

Die Berufskrankheit Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren
Gemische) ist seit dem 1. Dezember 1997 in die Anlage
der Berufskrankheiten-Verordnung aufgenommen worden. Aufgrund des komplexen Krankheitsbildes und der
Vielzahl der in Frage kommenden toxischen Stoffe gab
der HVBG einen BK-Report zu dieser Berufskrankheit
heraus, der in der ersten Auflage auch Empfehlungen zur
Sachbearbeitung enthielt. Gegen die in der Erstauflage
enthaltenen Bearbeitungshinweise hatte ich im Hinblick
auf die Einhaltung der Vorgaben des § 199 Abs. 3
SGB VII und § 200 Abs. 2 SGB VII Bedenken erhoben
(18. TB Nr. 23.1.1). Im Berichtszeitraum erschien die
überarbeitete zweite Auflage, in deren Erarbeitung ich
trotz der schwerwiegenden datenschutzrechtlichen Mängel in der Vorauflage nicht einbezogen wurde. In der
zweiten Auflage sind zwar keine detaillierten Bearbeitungshinweise enthalten. Dennoch sehe ich die Gefahr,
dass die gesetzlichen Regelungen der §§ 119 Abs. 3, 200
Abs. 2 SGB VII weiterhin nicht beachtet werden, wenn
der Sachbearbeitung die Neufassung des Reports zugrundegelegt wird.
Ich werde bei weiteren Kontrollen prüfen, ob in diesem
Zusammenhang die Rechte der Versicherten nunmehr gewahrt werden.
20

Rehabilitations- und
Schwerbehindertenrecht

Aufgrund fast identischer Zielsetzung von Datenschutz
und allgemeinem Selbstbestimmungsrecht sind im Rehabilitations- und Schwerbehindertenrecht lediglich einige
Umsetzungsfragen problematisch.
Nach dem das SGB IX prägenden Leitsatz des § 1
SGB IX erhalten behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch
und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen
entgegenzuwirken. Selbstbestimmung und Teilhabe sind
danach nicht nur Ziel des Rehabilitations- und Schwerbehindertenrechts, sondern auch Direktive für die Gewährung und Durchführung von Leistungen. Da dieses
Gesetz in Zielsetzung und Methodik mit datenschutzrechtlichen Positionen zu den Rechten Betroffener übereinstimmt, sind keine grundsätzlichen Differenzen und
Schwierigkeiten aufgetreten. Im Rahmen meiner Beteiligung an den gemeinsamen Empfehlungen nach

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