Drucksache 17/4278
I.
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Grundlagen der Berichtspflicht
Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) gewährleistet das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis. Das
Grundrecht begründet ein Abwehrrecht des Einzelnen gegen das Öffnen und Lesen von Briefen sowie gegen das
Abhören, die Kenntnisnahme und das Aufzeichnen des
Inhalts der Telekommunikation. Es gewährleistet die freie
Entfaltung der Persönlichkeit durch einen privaten, vor
der Öffentlichkeit verborgenen Austausch von Kommunikation und schützt damit zugleich die Würde des Menschen. Die in Artikel 10 GG aufgeführten subjektiven
Rechte auf Eingriffsunterlassung verpflichten primär die
Staatsgewalt, und zwar sowohl des Bundes als auch der
Länder, in seinen Funktionen der Gesetzgebung, vollziehenden Gewalt und Rechtsprechung. Wird vom Inhalt
von Briefen Kenntnis genommen und werden Telefongespräche abgehört, wird intensiv in das Grundrecht eingegriffen. Die Schwere des Eingriffs wird auch dadurch geprägt, dass der Betroffene wegen der gebotenen
Heimlichkeit nicht an dem Anordnungsverfahren beteiligt
ist (vgl. BVerfG, 1 BvF 3/92 vom 3. März 2004, in:
BVerfGE 110, 33).
Beschränkungen dieses Grundrechts dürfen nur auf
Grund eines Gesetzes angeordnet werden (Artikel 10 Absatz 2 Satz 1 GG). Eine gesetzliche Beschränkung des
Grundrechts aus Artikel 10 GG durch die Nachrichtendienste enthält das Gesetz zur Beschränkung des Brief-,
Post und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz G 10)
vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, ber. 2298), zuletzt
geändert durch Gesetz vom 31. Juli 2009 (BGBl. I
S. 2499). In § 1 G 10 wird in allgemeiner Form die Berechtigung der Nachrichtendienste (Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, Militärischer Abschirmdienst und Bundesnachrichtendienst) geregelt,
Maßnahmen der Überwachung des Brief-, Post- und
Fernmeldeverkehrs durchzuführen. Voraussetzung für
eine Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses ist nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 G 10 insbesondere die Abwehr von drohenden Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder für den
Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, einschließlich der Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen
Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages. Die weiteren
Voraussetzungen einer Beschränkungsmaßnahme richten
sich danach, welche Maßnahme konkret vorgenommen
wird. Unterschieden wird dabei zwischen den Beschränkungen des Grundrechts nach Artikel 10 GG in Einzelfällen gemäß § 3 G 10 (sog. Individualmaßnahmen) und den
strategischen Beschränkungsmaßnahmen nach den §§ 5
und 8 G 10.
Das Parlamentarische Kontrollgremium hat dem Deutschen Bundestag nach § 14 Absatz 1 Satz 2 G 10 jährlich
einen Bericht über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 G 10 zu
erstatten. Im Rahmen der Berichterstattung sind die Geheimhaltungsgrundsätze des § 10 Absatz 1 des Gesetzes
über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz –
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
PKGrG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2346) zu beachten.
Seinen letzten Bericht hat das Kontrollgremium am
28. Januar 2010 (Bundestagsdrucksache 17/549) vorgelegt. Er erstreckte sich auf den Zeitraum vom 1. Januar
bis 31. Dezember 2008. Auf die dort enthaltenen Fundstellen früherer Berichte wird verwiesen.
Der jetzt vorliegende Bericht setzt die bisherige Berichterstattung fort und umfasst den Zeitraum vom 1. Januar
bis zum 31. Dezember 2009. Durch die Neufassung des
§ 14 Absatz 1 Satz 2 G 10 mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Artikel 10-Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I
S. 2499) ist die Berichtspflicht auch auf den neuen § 7a
G 10 erweitert worden, der eine Rechtsgrundlage für
Übermittlungen von nach den §§ 5 und 8 G 10 erhobenen
personenbezogenen Daten durch den Bundesnachrichtendienst an bestimmte ausländische öffentliche Stellen enthält. Die Berichtspflicht über die Anwendung des § 7a
G 10 ist für den Berichtszeitraum 2009 erstmals relevant,
da diese Rechtsgrundlage ab dem Jahre 2009 greift. Übermittlungen durch den Bundesnachrichtendienst an ausländische öffentliche Stellen erfolgten im Berichtszeitraum
nicht.
II.
Kontrolle der Beschränkungsmaßnahmen
nach dem G 10
Von Behörden des Bundes veranlasste Beschränkungsmaßnahmen nach § 1 Absatz 1 G 10 – wie die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation oder
das Öffnen und Einsehen von Brief- und Postsendungen –
unterliegen der Kontrolle durch das Parlamentarische
Kontrollgremium und durch die G 10-Kommission des
Deutschen Bundestages (§ 1 Absatz 2 G 10). Bei Behörden der Länder obliegt diese Aufgabe den parlamentarischen Gremien des jeweiligen Landesparlaments.
Angesichts der bereits dargestellten Bedeutung des
Grundrechts aus Artikel 10 GG tragen die Nachrichtendienste, die beteiligten Ministerien sowie die sie kontrollierenden parlamentarischen Gremien eine hohe Verantwortung bei der Beantragung, Genehmigung und
Durchführung jeder einzelnen Beschränkungsmaßnahme
des Grundrechts aus Artikel 10 GG. Einerseits haben die
beteiligten Stellen die Sicherheit in unserem Land zu
gewährleisten, andererseits aber auch die Rechte jedes
Einzelnen auf Schutz seiner Privatsphäre zu wahren. Insoweit kommt der Ausgestaltung von Verfahrenssicherungen bei Beschränkungen des Grundrechts aus Artikel 10 GG
sowie der parlamentarischen Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium und die G 10-Kommission eine wesentliche Bedeutung zu.
1.
Kontrolle durch das Parlamentarische
Kontrollgremium
Im Berichtszeitraum oblag die allgemeine parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeiten auf
dem Gebiet des G 10 dem Parlamentarischen Kontrollgremium sowohl der 16. als auch der 17. Wahlperiode des
Deutschen Bundestages.