Drucksache 18/218
I.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Grundlagen der Berichtspflicht
Nach Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) sind das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis unverletzlich. Das Grundrecht gewährleistet die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch einen privaten, vor der Öffentlichkeit verborgenen Austausch von Kommunikation und schützt damit zugleich die Würde
des Menschen. Es begründet ein Abwehrrecht gegen die Öffnung von Briefen und die Einsichtnahme in sie sowie gegen das Abhören, die Kenntnisnahme und das Aufzeichnen des Inhalts der Telekommunikation, aber auch
gegen die Erfassung ihrer Umstände, die Auswertung des Inhalts und die Verwendung gewonnener Daten. Die
Kenntnisnahme des Inhalts von Briefen und das Abhören von Telefongesprächen sind ein intensiver Grundrechtseingriff, der umso schwerer wiegt, wenn der Betroffene wegen der gebotenen Heimlichkeit nicht an dem
betreffenden Anordnungsverfahren beteiligt ist (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März
2004, 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33).
Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses dürfen nach Artikel 10 Absatz 2 GG nur auf
Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz
bestimmen, dass sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und dass an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.
Eine solche Beschränkung enthält das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post und Fernmeldegeheimnisses
(Artikel 10-Gesetz – G 10) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, ber. S. 2298), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 4 des Gesetzes vom 6. Juni 2013 (BGBl. I S. 1482) geändert worden ist.
Nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 G 10 sind die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, der Militärische Abschirmdienst (MAD) und der Bundesnachrichtendienst (BND) berechtigt, zur Abwehr von drohenden
Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes
oder eines Landes einschließlich der Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der
nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen sowie die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegenden Sendungen zu öffnen und einzusehen. Nummer 2 der Vorschrift regelt weitere spezifische Befugnisse des BND.
Die weiteren Voraussetzungen richten sich danach, ob Beschränkungen in Einzelfällen gemäß § 3 G 10 (sogenannte Individualmaßnahmen) oder strategische Beschränkungen nach den §§ 5 oder 8 G 10 für internationale
Telekommunikationsbeziehungen vorgenommen werden sollen. Unter den Voraussetzungen des § 7a G 10 darf
der BND durch Beschränkungen nach § 5 Absatz 1 Satz 3 Nummer 2, 3 und 7 erhobene personenbezogene Daten an mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betraute ausländische öffentliche Stellen übermitteln.
Das Parlamentarische Kontrollgremium erstattet dem Deutschen Bundestag gemäß § 14 Absatz 1 Satz 2 G 10
jährlich einen Bericht über Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den vorgenannten Vorschriften. Dabei sind die Geheimhaltungsgrundsätze nach § 10 Absatz 1 des Gesetzes über die parlamentarische
Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz – PKGrG) vom 29. Juli 2009
(BGBl. I S. 2346) zu beachten.
Seinen letzten Bericht hat das Gremium am 14. März 2013 (Bundestagsdrucksache 17/12773) vorgelegt. Er
erstreckte sich auf den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2011. Auf die dort enthaltenen Fundstellen früherer Berichte wird verwiesen. Weitere Hinweise auf Fundstellen zu vorherigen Berichten seit der
14. Wahlperiode finden sich in der Bundestagsdrucksache 16/11559. Der jetzt vorliegende Bericht setzt diese
Berichterstattung fort und umfasst den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2012.
II.
Kontrolle der Beschränkungsmaßnahmen nach dem G 10
Nach § 1 Absatz 2 G 10 unterliegen Beschränkungsmaßnahmen, die von Behörden des Bundes durchgeführt
werden, der Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium und durch eine besondere Kommission
(G 10-Kommission). Werden solche Maßnahmen von Behörden der Länder durchgeführt, obliegt die Kontrolle
vergleichbaren Gremien auf Länderebene. Angesichts der Bedeutung des Grundrechts aus Artikel 10 und der
Schwere des jeweiligen Eingriffs tragen die Nachrichtendienste, die beteiligten Ministerien und die sie kontrollierenden Gremien im gesamten Prozess der Beantragung, Genehmigung, Durchführung, Beendigung und Mitteilung einer Beschränkungsmaßnahme sowie der betreffenden Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten eine hohe Verantwortung. Einerseits gilt es, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu
gewährleisten, andererseits aber auch, die Rechte jedes Einzelnen auf Schutz seiner Privatsphäre zu achten und
zu wahren.