Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
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Einführung
Auch wenn der vorliegende 2. Tätigkeitsbericht nur die Jahre 2008 und 2009 abdeckt, möchte ich ihm eine Bewertung der mehr als vier Jahre seit dem Inkrafttreten
des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes am 1. Januar 2006 voranstellen.
Bei Abgabe meines 1. Tätigkeitsberichts war ich noch voller Zuversicht, dass sich
Transparenz und Informationsfreiheit nach den zu erwartenden Anfangsschwierigkeiten beim Paradigmenwechsel von der generellen Amtsverschwiegenheit zu einer
offenen Verwaltung bald überall durchsetzen und selbstverständliche Normalität
werden würden. Nach weiteren zwei Jahren zeigt sich, dass es sich dabei um einen
steinigen Weg handelt, an dessen Ziel wir noch längst nicht angekommen sind.
Während der freie Informationszugang gegenüber öffentlichen Stellen in anderen
Staaten, insbesondere in Skandinavien und im angelsächsischen Raum, als bedeutsame Flankierung demokratischer Entscheidungsprozesse angesehen wird, sind wir
in Deutschland noch weit davon entfernt. Dies liegt zum einen sicherlich an dem immer noch unzureichenden Bekanntheitsgrad des IFG. Zum anderen ermutigt die behördliche Praxis in vielen Fällen, über die hier zu berichten ist, nicht gerade zur
Wahrnehmung des Rechts auf Informationszugang. Schließlich gibt es – auch wenn
in den letzten zwei Jahren mit Thüringen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, drei
weitere Länder eigene Informationsfreiheitsgesetzte beschlossen haben – immer
noch weiße Flecken auf der innerdeutschen Landkarte, in denen die Bürgerinnen und
Bürger keinen gesetzlich verbrieften allgemeinen Anspruch auf Zugang zu behördlichen Informationen haben.
Zwar bemühten sich auch in dem Berichtszeitraum viele Bundesbehörden um Transparenz und wendeten das IFG in diesem Sinne geradezu vorbildlich an. Dies konnte
ich zum Teil auch bei meinen Beratungs- und Kontrollbesuchen feststellen (vgl.
Nr. 3.3). Auf der anderen Seite sind aber auch die Widerstände gegen die neuen Regelungen und damit verbunden ihre sehr restriktive Anwendung eher größer geworden, insbesondere dort, wo sie von Anfang an schon bestanden haben, wie zum Beispiel in der Finanzverwaltung.
Das IFG wird in manchen Verwaltungen nach wie vor vom Grundsatz her abgelehnt
und deswegen nur angewendet, soweit es unumgänglich ist. Mit Sorge habe ich auch
beobachtet, dass „restriktive“ Urteile, selbst erstinstanzliche, sofort genutzt werden,
um die ohnehin umfangreichen im Gesetz genannten Ausnahmetatbestände durch
weitere, ungeschriebene Ausnahmen zu ergänzen, wie etwa bei der „Regierungstätigkeit“ (vgl. Nr. 2.1.1). Dagegen werden Urteile, die die Informationsfreiheit stärken, eher verhalten aufgenommen und finden keineswegs sogleich überall Beachtung. Vielfach wird dann darauf hingewiesen, das Urteil gelte ja nur für den
konkreten Einzelfall und sei im Übrigen noch nicht höchstrichterlich best��tigt worden. Bisweilen werden solche Urteile sogar zum Anlass genommen, zusätzliche
Ausnahmen zu fordern, bis hin zur Herausnahme ganzer Verwaltungszweige aus
dem Informationszugangsanspruch (vgl. Nr. 2.3.1.4)
Nach inzwischen vier Jahren Anwendungspraxis halte ich deswegen eine Evaluierung des Gesetzes und seiner Umsetzung, wie sie grundsätzlich in § 14 IFG auch
vorgesehen ist, für dringend geboten. Danach ist das IFG „ein Jahr vor Außerkrafttreten auf wissenschaftlicher Grundlage“ vom Deutschen Bundestag zu „evaluieren“, nachdem ihn die Bundesregierung „zwei Jahre vor Außerkrafttreten über die
Anwendung dieses Gesetzes“ unterrichtet hat. Allerdings fehlt der Evaluationsverpflichtung der Bezugspunkt, da das Gesetz – anders als zunächst vorgesehen – ohne
Befristung beschlossen wurde. Selbst wenn danach eine Evaluation nicht zwingend
erfolgen muss, sollte eine solche doch bald stattfinden, um den freien Informationszugang auf Basis der seitherigen Erfahrungen zu optimieren. Insbesondere die Ausnahmetatbestände des IFG bedürfen nach meiner Einschätzung einer gründlichen
Überarbeitung. Gegebenenfalls wird auch eine Klarstellung des Gesetzgebers erforderlich werden, dass die vom IFG vorgesehene Transparenz auch für „Regierungshandeln“ in der Verwaltung gilt, soweit nicht einer der Ausnahmetatbestände greift,
die ohnehin alle Bereiche abdecken, wo im Interesse des Gemeinwohls Informationszugang unterbleiben muss.
2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit