Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
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Zusammenfassende Bewertung
Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus stellt
nach wie vor die zentrale Aufgabe der deutschen Sicherheitsbehörden dar. Die jüngsten Anschläge auf die U-Bahn
in London mit einer Vielzahl von Toten und Verletzten
haben die Furcht vieler Bürgerinnen und Bürger, unvermittelt und unvorbereitet Opfer eines Terroraktes zu werden, weiter verstärkt. Die Anschläge haben wiederum
gezeigt, wie verletzlich offene Gesellschaften gegen derartige Angriffe sein können und wie wichtig es ist, gerade
als freiheitlich demokratische Gesellschaft abwehrbereit
zu sein. Das Ausmaß der Gewaltbereitschaft, die logistische Vernetzung und die lang angelegte und grenzüberschreitende Vorgehensweise der Täter haben darüber hinaus deutlich gemacht wie wichtig ein abgestimmtes
Vorgehen aller nationalen Sicherheitskräfte ist, aber auch
wie notwendig eine gute internationale Zusammenarbeit
ist. Mit der Einrichtung des gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums mit Experten aus Bund und Ländern in
Berlin-Treptow im Dezember 2004 wurde ein wichtiger
Schritt zur weiteren Intensivierung der Zusammenarbeit
der Sicherheitsbehörden auf nationaler sowie auf internationaler Ebene erzielt. Das Parlamentarische Kontrollgremium hat im Berichtszeitraum die Gelegenheit genutzt,
sich über die Arbeit dieses gemeinsamen Zentrums ausführlich zu informieren.
Neben der Bekämpfung des internationalen Terrorismus
bergen auch die Proliferation von Massenvernichtungswaffen, die Geldwäsche und der internationale Drogenhandel große Gefahren für das Gemeinwesen. Daher
bleibt eine frühzeitige und umfassende Information der
Bundesregierung durch einen leistungsfähigen Auslandsnachrichtendienst zur Abwehr von Gefahren vor allem in
diesen Bereichen dringend geboten.
Auch die drohenden Gefahren im Inland auf den Gebieten
des Rechts-, Links- und Ausländerextremismus sowie die
Spionageabwehr erfordern gut funktionierende und motivierte Inlandsnachrichtendienste.
Die deutschen Nachrichtendienste haben in den letzten
Jahren – nicht zuletzt auch durch eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit – gezeigt, dass sie ein wichtiger Bestandteil unserer wehrhaften Demokratie sind. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sind sie wie alle staatliche
Gewalt an Recht und Gesetz gebunden. Sie unterliegen in
vielfältiger Weise – teilweise stärker als andere Bereiche
staatlichen Handelns – einer besonders strengen Kontrolle. Diese beginnt bei der Fach- und Rechtsaufsicht
durch das jeweils zuständige Ministerium bzw. das Bundeskanzleramt, setzt sich fort über die Kontrolle durch
einzelne Abgeordnete, das Plenum des Deutschen Bundestages, Fachausschüsse, den Bundesbeauftragten für
den Datenschutz und den Bundesrechnungshof bis hin zur
besonders ausgestalteten Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium, das Vertrauensgremium des
Haushaltsausschusses sowie die G10-Kommission. Darüber hinaus wird ihre Tätigkeit begleitet durch eine besonders kritische Öffentlichkeit in Presse und Medien.
Drucksache 15/5989
Eine wichtige und zentrale Aufgabe der deutschen Sicherheitsbehörden wie auch der sie kontrollierenden Gremien wird auch in Zukunft darin bestehen, unter Einsatz
aller rechtsstaatlichen Mittel einerseits ein größtmögliches Maß an Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger
in unserem Land zu garantieren, dabei andererseits aber
die Bedürfnisse jedes Einzelnen auf Schutz seiner Privatsphäre und seiner grundgesetzlich geschützten Positionen
im Rahmen der freiheitlichen Ordnung möglichst weitgehend zu wahren.
Das Parlamentarische Kontrollgremium hat im Berichtszeitraum erstmals von seiner besonderen Befugnis zur
Beauftragung eines Sachverständigen in einem Einzelfall
Gebrauch gemacht. Im Zusammenhang der Veröffentlichung des Buches „Bedingt dienstbereit“ beauftragte das
Gremium einstimmig den ehemaligen Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Gerhard Schäfer mit der
Untersuchung. Die Beauftragung eines Sachverständigen
hat sich dabei für das Gremium als ein besonders effektives Kontrollinstrument bewährt, mit dem in kurzer Zeit
ein konstruktives sachdienliches Ergebnis erzielt wurde.
Darüber hinaus hat der Sachverständige in seinem Bericht
Vorschläge für eine weitere Verbesserung der Kontrolltätigkeit unterbreitet, über die in der Zukunft sicherlich zu
diskutieren sein wird. So geht eine Anregung des Sachverständigen dahin, zur Verbesserung der Befugnisse des
Kontrollgremiums auf eine Gesetzesänderung hinzuwirken, nach der auf die Beweiserhebung des Gremiums die
Vorschriften der Strafprozessordnung sinngemäß Anwendung finden sollten.
Für das Parlamentarische Kontrollgremium hat sich auch
im vorliegenden Berichtszeitraum erneut der Eindruck
bestätigt, dass die Bundesregierung das Gremium angemessen und zeitnah unterrichtet hat. Dies gilt auch für die
Informationen durch die Nachrichtendienste. Das Gremium stellt für den zweiten Berichtszeitraum dieser
15. Wahlperiode fest, dass die Nachrichtendienste ihrem
gesetzlichen Auftrag entsprechend und mit nicht nachlassendem Engagement gearbeitet haben. Die Dienste haben
insbesondere auch hinsichtlich der Durchführung von Beschränkungsmaßnahmen im Bereich grundgesetzlich geschützter Bürgerrechte sehr verantwortlich gehandelt und
ihre Tätigkeit äußerst gewissenhaft ausgeübt, um die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu bewahren.
I.
Grundlagen der Berichtspflicht
Nach § 6 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz – PKGrG) vom 11. April 1978
(BGBl. I S. 453), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 1260), erstattet das Parlamentarische Kontrollgremium in der Mitte
und am Ende jeder Wahlperiode dem Deutschen Bundestag einen Bericht über seine Kontrolltätigkeit. Dabei ist
das Gremium gehalten, der Verpflichtung zur Geheimhaltung nach § 5 Abs. 1 PKGrG Rechnung zu tragen.
Das Parlamentarische Kontrollgremium hat seinen letzten
Bericht am 2. Dezember 2004 (Bundestagsdrucksache
15/4437), zur Hälfte der 15. Wahlperiode, vorgelegt. Der