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der Toll Collect GbR und der Toll Collect GmbH im
Verfahren nach § 8 IFG feststellen könne, dass der Betreibervertrag und die ihn ergänzenden Vereinbarungen keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthielten.
Nach meiner Auffassung war § 3 Nr. 7 IFG hier
jedoch nicht anwendbar. Nach ihrer Entstehungsgeschichte bezweckt die Regelung den Schutz von Informanten und Hinweisgebern (vgl. näher Bundestagsdrucksache 15/4493, S. 11, Kasten b zu Nr. 2.2.5).
Entgegen der Auffassung des BMVBS kommt eine
Ausdehnung des Schutzes auf andere Interessen meines
Erachtens nicht in Betracht. Die Ausnahmetatbestände
des IFG sind nach Sinn und Zweck des Gesetzes, welches den freien Informationszugang als Grundsatz
vorsieht, regelmäßig eng auszulegen. Mit Hilfe der
Argumentation des BMVBS ließe sich letztlich jedes
Interesse über § 3 Nr. 7 IFG schützen, sofern nur ein
entsprechendes Vertraulichkeitsinteresse erkennbar
wäre. Dies würde nicht nur dazu führen, dass sich das
IFG im Ergebnis doch durch vertragliche Vertraulichkeitsabreden ausschließen ließe, sondern vor allem das
IFG insgesamt ausgehebelt werden könnte. Geheimhaltungsinteressen, die das IFG nicht in seinen Ausnahmetatbeständen nennt, sind nach der Wertung des
Gesetzes gerade nicht schutzwürdig und können es
auch nicht dadurch werden, dass im Einzelfall Vertraulichkeit gewünscht oder vereinbart wird. Zudem
erschien es vorliegend ohnehin zweifelhaft, dass der
Vertraulichkeitsklausel des Mautbetreibervertrags gerade (auch) der Zweck zukommen sollte, Toll Collect
vor unzumutbaren Aufwendungen in einem etwaigen
IFG-Verfahren zu schützen.
– Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Nicht überzeugen konnte mich auch die Argumentation des BMVBS zum Vorliegen von Betriebs- und
Geschäftsgeheimnissen im Sinne des § 6 Satz 2 IFG.
Das BMVBS berief sich darauf, dass der Mautbetreibervertrag in weiten Teilen Angaben zur Funktionsweise des Mautsystems sowie zu dessen Finanzierung,
Errichtung und Betrieb beinhalte, die technisches
Know-how bzw. betriebswirtschaftliche oder sicherheitsrelevanten Daten darstellten. Ein Bekanntwerden
dieser Informationen könne Toll Collect im Wettbewerb schaden und/oder die Sicherheit des Systems gefährden. Eine Sonderung geheimer von eventuell nicht
geheimhaltungsbedürftigen Passagen des Betreibervertrages sei dem BMVBS nicht möglich, da es nicht
über die hierfür erforderlichen Kenntnisse betrieblicher oder geschäftlicher Abläufe der Toll Collect
GbR, der Toll Collect GmbH und ihrer Wettbewerber
verfüge. Hinzu komme bei den rund 17 000 Seiten
umfassenden Anlagen des Betreibervertrages, dass der
Versuch einer Trennung geheimhaltungsbedürftiger
von eventuell nicht geheimhaltungsbedürftigen Informationen schon wegen der Menge der zu prüfenden
Daten mit einem unzumutbaren Verwaltungsaufwand
(§ 7 Abs. 2 IFG) verbunden wäre.
1. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
In dem 67-seitigen Kernvertrag und in den Ergänzungsvereinbarung konnte ich grundsätzlich keine Betriebsoder Geschäftsgeheimnisse erkennen. Die dortigen Regelungen enthalten keine technischen oder betriebswirtschaftlichen Details des Mautsystems – diese befinden
sich vielmehr in den Anlagen –, sondern beinhalten allgemeine Vertragsklauseln sowie sonstige Vereinbarungen zu Rechten und Pflichten der Vertragspartner, wie
sie für die Gestaltung von Verträgen generell nicht unüblich sind (bspw. Regelungen zu Entgelt, Haftung,
Vertragsbeendigung u. ä.). Diese können meines Erachtens regelmäßig nicht als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gewertet werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 6 Satz 2 IFG
setzen ein berechtigtes wirtschaftliches Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens voraus. Erforderlich
ist, dass mögliche Konkurrenten tatsächlich einen
wirtschaftlichen Nutzen aus der Offenlegung des Vertrages ziehen können (vgl. Nr. 2.2.6). Dies ist bei
Verträgen, die zwischen Verwaltung und Privaten geschlossen werden, insbesondere hinsichtlich Haftungs- und Entgeltregelungen typischerweise nicht der
Fall, da die öffentliche Verwaltung hier eher an objektive Kriterien bei der Vertragsgestaltung gebunden ist.
Soweit das BMVBS demgegenüber darauf abstellte,
dass alle Vertragsregelungen, die Einfluss auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, das Risiko
des Scheiterns des Vertrags sowie das Risiko des Unterliegens einer Vertragspartei bei Auseinandersetzungen über den Vertragsinhalt hätten, geschützt seien, da
sie im Falle Ihres Bekanntwerdens wettbewerbliche
Vorteile für etwaige Konkurrenten schaffen, die Verhandlungsposition der Unternehmen mit potentiellen
weiteren Auftraggebern schwächen sowie bei börsennotierten Unternehmen nachteilige Auswirkungen auf
die Nachfrage nach Unternehmensanteilen haben
könnten, habe ich dem entgegengehalten, dass sich mit
dieser Argumentation letztlich jeder Vertrag nahezu in
Gänze geheim halten ließe. Verträge mit der öffentlichen Hand sind aber nicht per se geheimhaltungsbedürftig, sondern nur, soweit ein konkret schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens
besteht.
Hinzu kam im vorliegenden Fall, dass eine Wettbewerbssituation ohnehin nur in sehr begrenztem Umfang existiert. National ist kein Konkurrenzverhältnis
erkennbar, in welchem sich Toll Collect befände.
Durch die Offenlegung des Vertrages könnte allenfalls
die Position von Toll Collect in künftigen Verhandlungen mit anderen Staaten geschwächt werden. Dies ist
aus meiner Sicht allerdings – wenn überhaupt – nur insofern denkbar, als der Vertrag konkret bezifferte Angaben zu Entgelthöhe, Höhe von Vertragsstrafen u. ä.
enthält. Diese Zahlen ggf. zu schwärzen, stellt keinen
unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand im Sinne
des § 7 Abs. 2 IFG dar. Mithin konnte jedenfalls bei
einer Beschränkung auf den Kernvertrag nebst Ergänzungsvereinbarungen der Informationszugang nicht