Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

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angaben würde die Konkurrenz in die Lage versetzen, die
Planungen und die wirtschaftliche Ertragskraft der
Knappschaft zu analysieren. Dies wäre im Wettbewerb
eine unzumutbare Beeinträchtigung.
Nach Prüfung des Sachverhaltes gehe ich davon aus, dass
hier der Ausnahmetatbestand des § 6 Satz 2 IFG greift.
Danach besteht kein Informationszugang, soweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffen sind und der
Betroffene nicht eingewilligt hat (vgl. Nr. 2.2.6).
Die Auskunftsverweigerung war deshalb nicht zu beanstanden.
4.12

Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung

4.12.1 Der Fall „Toll Collect“
Ein herausragender Fall des Berichtszeitraums war das
Einsichtsbegehren in den Mautbetreibervertrag.
Mehrere Petenten, unter ihnen ein Mitglied des Deutschen Bundestages, wandten sich an mich, da das
BMVBS ihre Anträge auf Einsicht in den Vertrag mit
dem Konsortium Toll Collect über die Einführung eines
Systems zur Erhebung der Lkw-Maut auf deutschen Autobahnen (sog. Mautbetreibervertrag) abgelehnt hatte.
Nach der Begründung des Ablehnungsbescheids war ein
Zugang zum Betreibervertrag zum einen durch die zwischen dem Bund und seinen Vertragspartnern in dem Vertrag getroffene Vertraulichkeitsabrede, zum anderen deshalb ausgeschlossen, weil der Vertrag mit seinen Anlagen
im Ganzen Betriebsgeheimnis von Toll Collect sei (§ 6
Satz 2 IFG) und außerdem das auch teilweise Bekanntwerden des Vertragsinhaltes nachteilige Auswirkungen
auf die Durchführung eines zwischen dem Bund einerseits und der Toll Collect GbR sowie deren Konsorten
DaimlerChrysler Financial Services AG und Deutsche
Telekom AG andererseits laufenden Schiedsgerichtsverfahrens haben könne (§ 3 Nr. 1 lit. g IFG).
Um das Vorliegen der Verweigerungsgründe überprüfen
zu können, habe ich von meiner Befugnis Gebrauch gemacht, selbst Einsicht in die fraglichen Unterlagen zu
nehmen (§ 12 Abs. 3 IFG i. V. m. § 24 Abs. 1 und 4
BDSG). Unter Berücksichtigung der dabei gewonnenen
Erkenntnisse bin ich zu der Bewertung gelangt, dass zumindest der Kernvertrag des Mautbetreibervertrages
nebst Ergänzungsvereinbarungen grundsätzlich gemäß
§ 1 Abs. 1 Satz 1 IFG zugänglich zu machen ist, § 6
Satz 2 IFG zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen allenfalls die Schwärzung von konkret bezifferten Angaben zu Entgelthöhe, Höhe von Vertragsstrafen
u. ä. erfordert und gemäß § 3 Nr. 1 lit. g IFG für die
Dauer des laufenden Schiedsgerichtsverfahrens nur die
dort entscheidungserheblichen Vertragsklauseln geheim
gehalten werden können. Da das BMVBS dennoch nur
bereit war, zwei einzelne Vertragsklauseln (die Vertraulichkeitsklausel und die Schiedsabrede) offen zu legen,
habe ich die restriktive Handhabung des IFG schließlich
formell gemäß § 12 Abs. 3 IFG i. V. m. § 25 Abs. 1
Satz 1 IFG beanstandet. Dies ergab sich im Einzelnen aus
folgenden Erwägungen:

– Vertragliche Vertraulichkeitsabrede
Nach Auffassung des BMVBS stand die im Vertrag
enthaltene Vertraulichkeitsabrede dem Informationszugang deshalb entgegen, weil unter dem Gesichtspunkt der verfassungskonformen Auslegung des IFG
nicht davon ausgegangen werden könne, dass durch
das IFG in der Weise in die Vertragsfreiheit (Artikel 2
Abs. 1 GG) eingegriffen werden solle, dass vertragliche Vertraulichkeitsabreden, an denen der Bund beteiligt ist, gegenüber Anspruchstellern im Sinne des IFG
keine Geltung mehr haben sollten. Im vorliegenden
Fall komme noch dazu, dass die Vertraulichkeitsabrede des Betreibervertrages vor Inkrafttreten des IFG
getroffen worden sei und daher besonderen Vertrauensschutz genieße.
Aus meiner Sicht können vertragliche Vertraulichkeitsabreden jedoch generell einen Informationszugang nach dem IFG nicht ausschließen. Entsprechende
Abreden sind gemäß § 54 Satz 1 2. Hs. VwVfG (bei
öffentlich-rechtlichen Verträgen) bzw. § 134 BGB (bei
privatrechtlichen Verträgen) wegen Verstoßes gegen
ein gesetzliches Verbot nichtig. Die genannten Regelungen setzen kein ausdrückliches gesetzliches Verbot
voraus. Es genügt, dass eine Rechtsvorschrift nach
Sinn und Zweck bestimmte Inhalte vertraglicher Regelungen ausschließt oder verbietet. Eine vertraglich
vereinbarte Vertraulichkeit stünde in Widerspruch zu
der durch das IFG normierten Pflicht zur Gewährung
eines allgemeinen Informationszugangs. Für Vertraulichkeitsabreden, die vor Inkrafttreten des IFG getroffen wurden, sind auch unter dem Gesichtspunkt des
Vertrauensschutzes regelmäßig keine schutzwürdigen
Geheimhaltungsinteressen erkennbar, denen nicht
schon durch die Ausnahmetatbestände des IFG, insbesondere durch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, Rechnung getragen würde (vgl.
auch Nr. 2.2.5). Unabhängig davon, dass ein vertraglicher Ausschluss des IFG also ohnehin nicht möglich
ist, wäre die Vertraulichkeitsabrede des Mautbetreibervertrags aufgrund ihres konkreten Wortlauts meines Erachtens auch gar nicht in diesem Sinne auszulegen gewesen.
Im Laufe der Auseinandersetzung hat auch das
BMVBS ausdrücklich nicht mehr daran festgehalten,
unmittelbar aus der Vertraulichkeitsklausel einen Versagungsgrund herzuleiten. Statt dessen berief es sich
dann jedoch auf den Ausnahmetatbestand des § 3
Nr. 7 IFG (Schutz vertraulich erhobener oder übermittelter Informationen), und zwar mit folgender Begründung: Die Vertraulichkeitsklausel sei Ausdruck eines
erkennbaren und schutzwürdigen Vertraulichkeitsinteresses von Toll Collect GbR und Toll Collect GmbH.
Geschützt werde deren Interesse an der Vermeidung
unzumutbarer, nicht erstattungsfähiger Aufwendungen
für die detaillierte Darlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in einem komplexen Vertragswerk. Dieses Interesse sei beachtlich, da das BMVBS
nicht aus eigener Sachkunde, also ohne Hinzuziehung
1. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit

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