Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

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zung der entscheidungsrelevanten Passagen würde die Information verfälschen. Außerdem würden, wenn die Entscheidung um alle zu schützenden Passagen gekürzt
würde, nur noch der Titel des indizierten Mediums und
allgemeine Ausführungen zur Spruchpraxis der Gremien
verbleiben. Diese Informationen würden jedoch bereits in
allgemein zugänglichen Quellen, nämlich im eigenen
Mitteilungsblatt sowie auf der Homepage der BPjM veröffentlicht, so dass ein Antrag auf Auskunftserteilung
hinsichtlich der verbleibenden Informationen nach § 9
Abs. 3 IFG abgelehnt werden könne.
Nach Prüfung der Angelegenheit bin ich demgegenüber
zu dem Ergebnis gekommen, dass das IFG dem Petenten
zumindest einen Anspruch auf Einsicht in die Indizierungsentscheidungen bei der BPjM vor Ort, unter
bestimmten Voraussetzungen aber auch auf deren Übersendung gewährt. Zu den einzelnen vorgebrachten Ablehnungsgründen war Folgendes zu sagen:
Zum Ausnahmetatbestand des § 3 Nr. 2 IFG vertritt die
BPjM den Standpunkt, die Weitergabe von Indizierungsentscheidungen im Volltext konterkariere Sinn und
Zweck des Jugendschutzes als Teil der Rechtsordnung
und somit als Teil der öffentlichen Sicherheit. Auch bei
einer Übersendung an erwachsene Antragsteller könne
nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidungen,
die regelmäßig die als jugendgefährdend bewerteten
Texte, Filmauszüge etc. wörtlich wiedergeben, Kindern
und Jugendlichen zugänglich gemacht würden und diese
somit detailliert Kenntnis von den Inhalten jugendgefährdender Medien erhielten, vor denen sie durch die Indizierung gerade geschützt werden sollten. Der Antragsteller
hätte jederzeit die Möglichkeit, die Indizierungsentscheidungen an Kinder und Jugendliche zu verteilen oder sie
„online“ zu stellen.
Aus meiner Sicht ist hier jedoch zu differenzieren. Denn
für den Tatbestand des § 3 Nr. 2 IFG ist zu verlangen,
dass das Bekanntwerden der begehrten Information eine
konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit begründet.
Es genügt nicht, dass die Information abstrakt geeignet
ist, zu einem Rechtsbruch missbraucht zu werden. Sonst
würde § 3 Nr. 2 IFG den Grundsatz der Informationsfreiheit aushebeln, da in der Regel jede Information zumindest theoretisch geeignet ist, zu einem Rechtsbruch beizutragen. Erforderlich ist vielmehr, dass mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, das
Bekanntwerden der Information führe in absehbarer Zeit
adäquat kausal zu einem aktiven Schädigungsverhalten
des Antragstellers oder eines Dritten. Für die Übersendung von Indizierungsentscheidungen an erwachsene Antragsteller bedeutet dies meines Erachtens, dass diese nur
dann wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit abgelehnt werden kann, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Antragsteller sich gesetzwidrig verhalten und die Indizierungsentscheidung
Kindern oder Jugendlichen zugänglich machen wird.
Dass eine solche Weitergabe allgemein nicht auszuschließen ist, genügt für eine Verweigerung der Übersendung
nicht. Keinesfalls steht § 3 Nr. 2 IFG einem Informationszugang im Wege der Akteneinsicht bei der BPjM entge-

gen, da der Antragsteller in diesem Falle von vornherein
nicht die Möglichkeit erhielte, die Indizierungsentscheidungen Kindern und Jugendlichen zugänglich zu machen.
Zur Begründung sowohl des Ausnahmetatbestands nach
§ 3 Nr. 3 lit. b IFG als auch desjenigen nach § 3 Nr. 4 IFG
beruft sich die BPjM auf die Vorschrift des § 7 Abs. 2
Satz 1 der Durchführungsverordnung zum Jugendschutzgesetz, wonach die Verhandlung der BPjM über die Aufnahme eines Mediums in die Liste jugendgefährdender
Medien nicht öffentlich ist. Dies begründe ein besonderes
Amtsgeheimnis im Sinne des § 3 Nr. 4 IFG sowie eine
besondere und fortbestehende Vertraulichkeit der behördlichen Beratungen gemäß § 3 Nr. 3 lit. b IFG. Beide Bewertungen teile ich nicht. Zum einen resultiert allein aus
dem Umstand der Nichtöffentlichkeit einer Verhandlung
noch kein besonderes Amtsgeheimnis. Zum anderen ist
der Tatbestand des § 3 Nr. 3 lit. b IFG bereits in zeitlicher
Hinsicht nicht erfüllt. Er greift nur, solange die Beratungen einer Behörde durch das Bekanntwerden der begehrten Information beeinträchtigt werden. Die Beratung über
die Aufnahme eines bestimmten Mediums in die Liste jugendgefährdender Medien ist jedoch mit der Indizierungsentscheidung abgeschlossen und kann daher durch
das Bekanntwerden der Entscheidung nicht mehr beeinträchtigt werden.
Soweit die BPjM aus urheberrechtlichen Gründen (§ 6
Satz 1 IFG) meint, diejenigen Passagen der Indizierungsentscheidungen, die Medieninhalte wörtlich wiedergeben,
seien stets zu schwärzen, sofern der Urheber bzw. der Inhaber der Rechte nicht in ihre Weitergabe eingewilligt
habe, bedarf dies aus meiner Sicht einer näheren Prüfung
im jeweiligen Einzelfall. Denn das Urhebergesetz
(UrhG), aus dem sich der Schutzumfang des Urheberrechts ergibt, gewährt selbst umfangreiche Befugnisse zur
Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke von Werken zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch (§ 53
UrhG). Die Prüfung, ob ein entsprechender Gebrauch anzunehmen ist, setzt allerdings eine Beurteilung des Informationsinteresses des Antragstellers voraus. Daher ist der
IFG-Antrag in Fällen, in denen Urheberrechte berührt
sind, gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 IFG zu begründen. Es
hängt somit von der Begründung des Antrags und deren
Bewertung durch die BPjM im Einzelfall ab, ob der
Schutz geistigen Eigentums der Übersendung von Indizierungsentscheidungen entgegensteht und die entsprechenden Passagen daher zu schwärzen sind. Keinesfalls
wäre eine Schwärzung allerdings bei einer Akteneinsicht
vor Ort erforderlich, da dabei das urheberrechtliche Vervielfältigungsrecht von vornherein nicht betroffen wäre.
Selbst wenn urheberrechtlich relevante Texte oder auch
personenbezogene Daten unkenntlich zu machen wären,
bestünde aber ein Anspruch auf Zugang zu den übrigen
Passagen der Indizierungsentscheidungen nach Maßgabe
des § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG. Durch die Schwärzungen
würde die Information zwar ggf. weniger aussagekräftig,
aber entgegen der Auffassung der BPjM nicht verfälscht.
Eine Ablehnung des Antrags nach § 9 Abs. 3 IFG käme
nur dann in Betracht, wenn nach den erforderlichen
Schwärzungen tatsächlich nur noch diejenigen Angaben
1. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit

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