Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
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Daten würden nicht durch das BMELV, sondern durch die
nach Landesrecht zuständigen Stellen, durch die BLE und
durch das HZA erhoben. Das Vorliegen von Daten bei einer Behörde bedeute nicht auch, dass sie darüber verfügungsberechtigt sei. Ich vertrete jedoch die Auffassung,
dass eine Information, die eine Bundesbehörde zu ihren
Vorgängen genommen hat, grundsätzlich auch der rechtlichen Verfügungsbefugnis des Bundes unterliegt (näher
dazu Nr. 2.2.2.2 und 4.8.3). Danach ist auch das BMELV
verfügungsberechtigt, sofern die begehrten Informationen
über Empfänger von Agrarsubventionen (auch) bei ihm
vorhanden und Bestandteil der eigenen Akten sind. Dass
es die Daten nicht selbst erhoben hat, ist unerheblich.
Die BLE und das HZA hielten die begehrten Informationen mit der Begründung geheim, durch ihre Offenlegung
könnten die Belange der Subventionsempfänger, insbesondere deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, berührt sein. Es müsste daher sämtlichen betroffenen Subventionsempfängern (bei der BLE: ca. 2 000; beim HZA:
1 129) gemäß § 8 i. V. m. § 6 IFG schriftlich Gelegenheit
zur Stellungnahme gegeben werden. Dies stelle einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand dar, weshalb die
Anträge gemäß § 7 Abs. 2 IFG abzulehnen gewesen
seien.
Aus meiner Sicht waren hier jedoch keine Betriebs- oder
Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 6 Satz 2 IFG betroffen. Ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis setzt
voraus, dass das Unternehmen ein berechtigtes wirtschaftliches Geheimhaltungsinteresse an der fraglichen
Information hat (vgl. Nr. 2.2.6). Die Preisgabe der Information, dass ein Betrieb eine Subvention erhalten hat,
kann nach meiner Auffassung aber nicht zu einem wirtschaftlichen Nachteil dieses Betriebs führen. Ein wettbewerblicher Nachteil ist schon deshalb nicht möglich, weil
um Subventionen kein Wettbewerb geführt wird. Diese
werden vielmehr nach allgemeingültigen Regeln und unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vergeben. Ob ein anderer Betrieb auch mit Erfolg eine Subvention beantragen kann oder nicht, steht demnach von
vornherein fest und wird durch die Offenlegung anderer
Subventionsempfänger nicht berührt. Auch droht den
Subventionsempfängern kein Imageverlust, der möglicherweise einen wirtschaftlichen Nachteil darstellen
könnte. Denn dass ein Betrieb rechtmäßigerweise eine
Subvention erhalten hat, vermag den Ruf des Betriebs
nicht zu beeinträchtigen. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind meines Erachtens auch dann nicht berührt,
wenn – worauf das HZA hinwies – aus der an ein Unternehmen gezahlten Ausfuhrerstattung auf die exportierten
Mengen geschlossen werden kann. Ich kann nicht erkennen, inwiefern die Unternehmen ein berechtigtes Interesse daran haben könnten, Angaben über die von ihnen
exportierten Mengen – sofern diese nicht ohnehin im
Rahmen der Bilanzen oder aufgrund sonstiger Publizitätspflichten veröffentlicht werden müssen – geheim zu halten. Eine Beteiligung der Subventionsempfänger gemäß
§ 8 Abs. 1 i. V. m. § 6 Satz 2 IFG war daher nach meiner
Auffassung von vornherein nicht erforderlich. Soweit allerdings Einpersonen-Betriebe betroffen waren, enthielten die begehrten Informationen personenbezogene Daten. Solchen Betroffenen war gemäß § 8 Abs. 1 i. V. m.
§ 5 IFG Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Eine Regelung, nach der ein hoher Verwaltungsaufwand,
der durch die erforderliche Beteiligung Dritter entsteht,
zu einer Ablehnung des Informationszugangsantrags führen kann, enthält das IFG nicht. Die von der BLE und
dem HZA herangezogene Vorschrift des § 7 Abs. 2 IFG
betrifft eine andere Fallgestaltung. Gemäß § 7 Abs. 2
Satz 1 IFG ist in Fällen, in denen ein Anspruch auf Informationszugang nur zum Teil besteht, dem Antrag in dem
Umfang stattzugeben, in dem der Informationszugang
ohne Preisgabe der geheimhaltungsbedürftigen Informationen und ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand möglich ist. Gemeint ist hier der Aufwand, der entsteht, um die geheimhaltungsbedürftigen Informationen
auszusondern, nicht der vorgelagerte Aufwand, der für
die Feststellung erforderlich ist, ob überhaupt geheimhaltungsbedürftige Informationen vorliegen. Damit ist insbesondere nicht der Aufwand erfasst, betroffene Dritte gemäß § 8 IFG anzuschreiben und ihre Stellungnahmen
auszuwerten. Allenfalls in extremen Ausnahmefällen
kann ein unverhältnismäßiger Beteiligungsaufwand als
ungeschriebener Ablehnungsgrund anerkannt werden
(vgl. Nr. 2.2.2.1; 4.3.2). Aber auch in solchen Fällen
sollte sich die Behörde zunächst mit dem Antragsteller in
Verbindung setzen und mit ihm abstimmen, ob nicht eine
Beschränkung des Antrags möglich ist, durch die der Beteiligungsaufwand auf ein verhältnismäßiges Maß reduziert wird. So hatte vorliegend einer der Petenten von
vornhe-rein nur die namentliche Nennung der 50 Subventionsempfänger, die im jeweiligen Jahr die höchsten Leistungen erhalten hatten, verlangt. Da nach meiner Auffassung hier zudem nur die Einzelunternehmer zu beteiligen
waren, stellte sich der Aufwand ohnehin erheblich geringer als von den Behörden angenommen dar.
Trotz meines Tätigwerdens haben weder das BMELV,
noch die BLE oder das HZA bislang die Empfänger der
EU-Agrarsubventionen offen gelegt. Da in dieser Angelegenheit auch Klagen vor dem Verwaltungsgericht anhängig sind, habe ich die Entscheidung, ob ich gemäß § 12
Abs. 3 IFG i. V. m. § 25 Abs. 1 BDSG eine Beanstandung
ausspreche, bis zum Abschluss der gerichtlichen Verfahren zurückgestellt.
4.8.3
Verfügungsberechtigt – ja oder nein?
Über die „Verfügungsberechtigung“ einer Behörde im
Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG besteht Uneinigkeit.
K a s t e n zu Nr. 4.8.3
§ 7 Abs. 1 Satz 1 IFG
Über den Antrag auf Informationszugang entscheidet
die Behörde, die zur Verfügung über die begehrten Informationen berechtigt ist.
1. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit