Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
– 49 –
Herausgabe der Adressen entgegen. Das Informationsinteresse der Antragstellerin überwiege das schutzwürdige Interesse der Dritten nicht, da die Antragstellerin die
Adressen rein kommerziell für gewerbliche Angebote
nutzen wolle. Ferner dürfe nach § 6 Satz 2 IFG Zugang
zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nur gewährt
werden, soweit der Betroffene eingewilligt habe. Die Verlagsgesellschaft bat mich in dieser Sache um Unterstützung.
Auch nach meiner Auffassung war hier zwischen Einzelunternehmen und Gesellschaftsunternehmen, d. h. juristischen Personen, zu differenzieren, allerdings mit anderem
Ergebnis als von den Berufsgenossenschaften angenommen.
Die Adressen von Einzelunternehmern dürfen nur mit
Einwilligung des Betroffenen herausgegeben werden. Soweit Unternehmen von einer natürlichen Person betrieben
werden, handelt es sich bei ihren Namen und Anschriften
um Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Diese werden von der Berufsgenossenschaft
im Hinblick auf ihre Aufgaben nach dem SGB erhoben,
verarbeitet oder genutzt und stellen somit Sozialdaten im
Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar. Eine gesetzliche
Übermittlungsbefugnis nach §§ 68 bis 77 SGB X oder einer anderen Vorschrift des SGB besteht nicht, so dass die
Übermittlung unzulässig ist (§ 67d SGB X). Zulässig
wäre sie allerdings mit Einwilligung der Betroffenen
(§ 67b Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dann verstieße der Informationszugang nicht gegen das Sozialgeheimnis, so dass
der Ausnahmegrund des § 3 Nr. 4 IFG nicht gegeben
wäre.
Soweit keine Einwilligung des Betroffenen vorliegt, steht
bei Einzelunternehmen auch § 5 Abs. 1 IFG der Herausgabe von Name und Adresse entgegen. Ein Informationszugang aufgrund einer Interessenabwägung durch die
Behörde ist schon deshalb nicht möglich, weil das Informationsinteresse des Antragstellers bei Informationen,
die einem besonderen Amtsgeheimnis wie dem Sozialgeheimnis unterliegen, gemäß § 5 Abs. 2 IFG nie
überwiegt.
Anders stellt sich die Rechtslage jedoch bei Gesellschaftsunternehmen dar. Hier sind die Berufsgenossenschaften auch ohne Einwilligung der Unternehmen verpflichtet, Zugang zu Namen und Adressen zu gewähren,
da weder personenbezogene Daten noch Betriebs- oder
Geschäftsgeheimnisse betroffen sind. Weder Name und
Sitz einer Firma noch ihre Branchenzugehörigkeit besitzen Geheimnischarakter. Auch an dem Umstand, dass die
betroffenen Unternehmen Mitglied der jeweiligen Berufsgenossenschaft sind, besteht kein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse. Daher konnte der Informationszugang nach meiner Auffassung insoweit weder nach § 3
Nr. 4 IFG i. V. m. dem Sozialgeheimnis, noch nach § 6
Satz 2 IFG abgelehnt werden (vgl. auch Nr. 2.2.6).
Leider konnte ich die Berufsgenossenschaften nicht von
meiner Auffassung überzeugen. Das von der Petentin angerufene Verwaltungsgericht verneinte ebenso im Ergebnis einen Anspruch auf Herausgabe der Namen und
Adressen, auch wenn es weitgehend meine Rechtsauffassung bestätigte. Das Gericht ging davon aus, dass keine
Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse betroffen waren und
Einwilligungen nur insoweit erforderlich gewesen wären,
als personenbezogene Daten offenbart würden. Letzteres
nahm es sowohl bei Einzelunternehmen als auch bei Gesellschaftsunternehmen mit Personenfirma an. Trotz des
daher teilweise bestehenden Anspruchs auf Informationszugang, nämlich zu den Namen und Adressen von Unternehmen mit Sach- oder Phantasiefirma, wies das Gericht
die Klage unter Hinweis auf § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG ab.
Eine Sortierung ihrer ca. 120 000 Datensätze nach Personenfirmen und anderen sei der betroffenen Berufsgenossenschaft nur mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand möglich.
Interessant war in dieser Angelegenheit noch ein weiterer
Aspekt. Die Petentin berief sich auch auf das – zum damaligen Zeitpunkt erst im Entwurf vorliegende – IWG
bzw. unmittelbar auf die zugrunde liegende EU-Richtlinie
(2003/98/EG) und meinte, daraus sei für sie ein Anspruch
auf Gleichbehandlung mit einem ihrer Wettbewerber herzuleiten, der das offizielle Mitteilungsorgan der betroffenen Berufsgenossenschaften herausgebe und hierzu die
fraglichen Adressdaten zur Verfügung gestellt bekomme.
Dies schied aus meiner Sicht zum damaligen Zeitpunkt
zwar noch aus, da das IWG noch nicht verabschiedet und
eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie trotz Ablaufs
der Umsetzungsfrist abzulehnen war, weil auch Rechte
privater Dritter betroffen worden wären. Inzwischen ist
das IWG aber in Kraft und sieht einen Anspruch auf
Gleichbehandlung bei der Gestattung der Weiterverwendung von solchen Informationen vor, die öffentliche Stellen zur Weiterverwendung zur Verfügung gestellt haben
(§ 3 IWG). Künftig könnte daher in vergleichbaren Fällen
der Umstand, dass die begehrten Informationen einem
Wettbewerber bereits zur kommerziellen Nutzung zur
Verfügung gestellt wurden, dazu führen, dass ein Antragsteller diese zu denselben Bedingungen wie sein Konkurrent ebenfalls verlangen kann.
K a s t e n zu Nr. 4.7.4
§ 3 IWG
(1) Jede Person ist bei der Entscheidung über die Weiterverwendung vorhandener Informationen öffentlicher
Stellen, die diese zur Weiterverwendung zur Verfügung
gestellt haben, gleich zu behandeln. Ein Anspruch auf
Zugang zu Informationen wird durch dieses Gesetz
nicht begründet.
(2) Werden Informationen von öffentlichen Stellen als
Ausgangsmaterial für eigene Geschäftstätigkeiten weiterverwendet, gelten hierfür die gleichen Entgelte und
Bedingungen wie für andere Personen.
1. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit