Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
1819
Martina Renner
(A) britische Geheimdienst dem BND dort hilft, wo dieser
nicht zugreifen dürfte, Freundschaftsdienste sozusagen.
Wir glauben, dass die Bundesregierungen aller Farbkombinationen in den letzten Jahren von dieser Praxis
gegebenenfalls wussten und vielleicht auch profitiert haben. Dabei müssen wir uns noch einmal vor Augen führen,
wann die Zusammenarbeit zwischen der NSA und den
deutschen Stellen intensiviert wurde, nämlich weit vor dem
11. September 2001, basierend auf einer Vereinbarung zur
engeren Zusammenarbeit zwischen den US-Geheimdiensten und den bundesdeutschen Nachrichtendiensten durch
den damaligen Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier.
Wir werden – so ist es jedenfalls Wille meiner Fraktion –
Herrn Steinmeier im Ausschuss danach fragen, was er da
im Einzelnen abgesprochen hat und warum er diese Zusammenarbeit so forciert hat.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Wir wollen die Vereinbarung sehen!)
– Und wir wollen die Vereinbarung sehen. Sehr richtig,
Herr Kollege Ströbele!
Der Untersuchungszeitraum beginnt daher aus guten
Gründen schon im Frühjahr des Jahres 2001 und endet
erst heute. Zudem werden wir dafür sorgen, dass weitere
Behörden und Institutionen des Bundes einbezogen werden: Nachrichtendienste, das Bundesamt für Sicherheit
in der Informationstechnik und selbstverständlich die
Bundesregierung.
Es geht um die Zukunft unserer Grundrechte in einer
(B) digitalisierten Welt. Es geht um die Frage, ob die Daten
und die Datenspuren schutzlos sind, Geheimdiensten
und privaten Unternehmen zur Kontrolle, zur kommerziellen Nutzung, zur Überwachung und letztendlich auch
zur Manipulation ausgeliefert bleiben oder eben nicht.
Deshalb ist es für uns alleroberstes Ziel, dass der Untersuchungsausschuss so transparent und öffentlich wie
möglich tagen und arbeiten wird. Das ist ein Versprechen, das wir heute hier geben müssen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir werden alles in unseren Kräften Stehende tun, jedem
Versuch entgegenzutreten, aus einem öffentlich tagenden
Ausschuss eine geheim tagende parlamentarische Kontrollkommission light oder 2 zu machen. Die Durchdringung unserer digitalen Welt durch Dienste, ihre Helfer
und Auftraggeber ist nicht mit geheimen Methoden aufzuklären und schon gar nicht zu kontrollieren.
Wir wollen, dass derjenige, der uns allen die Augen
geöffnet hat, Herr Snowden, vor dem Ausschuss aussagen kann in einer Form, die ihn nicht selbst gefährdet.
Edward Snowden ist der Fachmann für jeden bisher
veröffentlichten Satz. Wir alle wissen aber, dass dafür
Voraussetzungen geschaffen werden müssen, die nicht
einfach sein werden. Sicherheit, Auslieferungs- und Entführungsschutz sind die Stichworte. Es wäre nicht das
erste Flugzeug, das von den USA zur Landung gezwungen würde. Ich denke, das ist eine sehr ernste Aufgabe
für den Ausschuss.
Dass die abgehörten Institutionen, zum Beispiel auch (C)
die Regierung, selbst den Weg zur Totalüberwachung
geebnet haben, davon müssen wir ausgehen. Die Bundesregierungen haben selbst aktiv die Massenerfassung
von Daten vorangetrieben, auch gegen den Widerstand
einer kritischen Öffentlichkeit und der inner- und außerparlamentarischen Opposition. Herr Dr. Sensburg, unsere Kritik ist nicht klein-klein, sondern an dieser Stelle
fundamental.
(Beifall bei der LINKEN)
Denken wir nur an den permanenten Austausch von
Fluggastdaten zwischen der EU und den USA, die Bankbewegungsdaten im SWIFT-Verfahren oder die vielen
weiteren internationalen Abkommen, die diesen Datentransfer erst legalisiert haben. In den Diensten läuft es
nach dem Motto: Von allem, was für den US-amerikanischen Freund gesammelt wird, profitieren wir auch
selbst, und das wollen wir möglicherweise auch dann
selbst haben.
Die Bürger haben ein Recht darauf, zu erfahren, wie
umfassend die Überwachung und Kontrolle derzeit ist,
nicht nur in der Vergangenheit war, damit sie selbst und
wir als Parlament Maßnahmen ergreifen können, um die
digitalen Grundrechte zu schützen, wie es das Grundgesetz gebietet; denn unsere Demokratie ist durch ein
System totaler Überwachung und Kontrolle in Gefahr.
Das ist tatsächlich eine große Aufgabe für diesen Untersuchungsausschuss.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg.
Dr. Eva Högl [SPD])
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Dr. Eva
Högl das Wort.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Dr. Eva Högl (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Meine letzte Rede an dieser Stelle zu
diesem Thema habe ich damit begonnen, dass ich meiner
Enttäuschung Ausdruck verliehen habe, dass es bisher
nicht gelungen war, in dieser Frage an einem Strang zu
ziehen. Jetzt können Sie sich vorstellen, dass ich mich
heute umso mehr freue,
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Frühlingsanfang!)
und zwar richtig toll, dass wir es gemeinsam geschafft
haben, aus den zwei unterschiedlichen Anträgen der
Opposition und der Koalitionsfraktionen nach dieser
zunächst so verfahren anmutenden Situation einen gemeinsamen Antrag zu machen, dass wir es also doch
noch zum Guten gewendet haben und jetzt gemeinsam
den Auftrag des NSA-Untersuchungsausschusses beschließen. Das ist ein echter Erfolg. Darüber freue ich
mich.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
(D)