Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

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Elisabeth Scharfenberg

(A) ten Ereignis ihres Lebens, nämlich bei der Geburt ihres
Kindes.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der LINKEN)
Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Das Wort hat für die
Bundesregierung Minister Hermann Gröhe.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Hermann Gröhe, Bundesminister für Gesundheit:

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns heute mit einem Thema, das sehr viele in diesem
Haus – das weiß ich aus einer Fülle von Briefen – sehr
intensiv umtreibt.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider umtreiben muss!)
Nicht nur die Mitglieder der Berufsgruppe selbst – da
haben Sie völlig recht –, sondern auch viele Mütter und
Väter fragen, wie wir angesichts der Sorgen der Hebammen in unserem Land Sicherheit schaffen. Ich sage sehr
deutlich: Das Bekenntnis des Koalitionsvertrages, eine
ortsnahe Geburtshilfe und eine angemessene Vergütung
der Hebammen in unserem Land sicherzustellen, ist
nicht nur ein Arbeitsauftrag der Koalition, sondern mir
(B) auch ein persönliches Herzensanliegen. Ich werde Ihnen
hier gerne über die Dinge, die wir bereits getan haben
und weiter tun werden, Auskunft geben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Arbeit der Hebammen ist unverzichtbar. Sie haben nicht nur Wertschätzung und eine angemessene Vergütung, sondern vor allem Sicherheit im Hinblick auf die
Zukunft ihrer Berufstätigkeit verdient. Sie sprachen vom
einschneidendsten und schönsten Erleben, das Familien
mit der fachlich versierten und menschlichen Zuwendung von Hebammen verbinden: der Geburt eines Kindes. Das zeigt sich ja auch an der großen Sympathie, auf
die die Aktionen der Hebammen bei der Bevölkerung in
unserem Land stoßen.
Sie haben die beiden Entwicklungen, die Sorgen bereiten, angesprochen: die Steigerung der Haftpflichtprämien einerseits, eine Entwicklung der letzten Jahre, in
der Tat, und den Ausstieg eines großen Versicherungsunternehmens aus dem Gruppentarif eines deutschen Hebammenverbandes andererseits, eine Entwicklung der
letzten Woche, die eine weitere Verschärfung bedeutet.
Ihr Antrag betont dabei zu Recht – das will ich ausdrücklich sagen –, dass der Anstieg der Haftpflichtprämie nicht auf einer Zunahme der Schadensfälle beruht.
Unsere Hebammen in Deutschland leisten eine herausragende Arbeit. Fehler passieren sehr selten. Aber gleichzeitig gebietet es die Wahrheit, darüber zu reden, dass
wir bei der Haftpflicht über die Haftung für Fehler re-

den. Ich glaube, wir brauchen im Gesundheitsbereich, in (C)
der Pflege, im Krankenhaus, bei den Hebammen eine
Bereitschaft, darüber in einer Weise zu reden, die weder
fragwürdig dramatisiert, ja eine ganze Berufsgruppe auf
die Anklagebank setzt, noch bei den Betroffenen den
Eindruck erweckt, wir würden geradezu Probleme unter
den Teppich kehren.
Wir reden darüber, dass Menschen auch in hochanspruchsvollen Tätigkeiten Fehler machen, einen Ausdruck, den Ihr Antrag vielleicht nicht durch Zufall meidet, wie er überhaupt in dieser Debatte häufig vermieden
wird, und dass diese Fehler schwerste Folgen für andere
Menschen haben können. Ich finde es gut, dass Sie in
Ihrem Antrag – auch das will ich sagen – der Haltung,
den Schadensersatz zu begrenzen, entgegentreten, die es
ja mitunter auch in der öffentlichen Debatte gibt. Dann
würden wir Familien in dramatischen Situationen im
Stich lassen. Das kann kein Weg sein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sie fragen: Was ist getan worden? Der Gesetzgeber
hat 2011 gehandelt: Wir haben im Gesetz klargestellt,
dass zum 1. Januar 2012 die gesetzlichen Krankenversicherungen den Hebammen die Kosten der Berufsausübung – die Haftpflichtversicherung ist in der Gesetzesbegründung ausdrücklich genannt – angemessen
vergüten. Dies ist umgesetzt worden in Vereinbarungen
der Hebammenverbände mit den gesetzlichen Krankenversicherungen und hat erhebliche Erhöhungen der Vergütung zur Folge gehabt.
Ich hatte ein intensives Gespräch mit allen deutschen
Hebammenverbänden. Kritisiert wird, dass diese angemessene Berücksichtigung der Haftpflichtprämie in der
Vergütung sich erst ab einer bestimmten Anzahl betreuter Geburten auswirkt. Dies ist eine Herausforderung.
Zugleich sprechen Sie in Ihrem Antrag die Frage an, ob
es nicht aus Gründen der Qualitätssicherung – es geht
um die Sicherheit der Frauen – notwendig sein sollte, innerhalb eines festgelegten Zeitraums eine bestimmte
Anzahl von Geburten betreut zu haben. Das muss im Rahmen der entsprechenden Qualitätsrichtlinien der Selbstverwaltung festgelegt werden. Es zeigt aber ein Spannungsverhältnis auf: Mindestanzahl, gleichsam um
Erfahrung zu sichern, und ortsnahes Angebot auch im
ländlichen Raum müssen in eine vernünftige Balance gebracht werden.
Sie haben die Regierung aufgefordert, mit der Versicherungswirtschaft und mit den Krankenkassen zu sprechen. Ich muss Ihnen sagen: Das geschieht in hoher Intensität seit Wochen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der SPD)
Ich empfinde Ihren Antrag daher als Ermutigung, weiter
intensiv zu verhandeln, bis wir ein Ergebnis erreicht haben. Das ist selbstverständlich, und das sage ich zu.
Wir haben die Versicherungswirtschaft und die Krankenkassen in einer interministeriellen Arbeitsgruppe, die
im letzten Jahr in Folge des Bürgerdialogs der Bundes-

(D)

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