Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

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Zusammenfassende Bewertung
Mit den durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene
Terrorismusbekämpfungsgesetz (Gesetz zur Bekämpfung
des internationalen Terrorismus vom 9. Januar 2002
[BGBl. I S. 361]) den Sicherheitsdiensten neu übertragenen Befugnissen (Auskunftsrechte gegenüber Banken,
Postdienstleistern, Luftfahrtunternehmen und Telekommunikationsunternehmen sowie die Befugnis zum Einsatz
des IMSI-Catchers) wird in den Schutzbereich des Brief-,
Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 GG) eingegriffen bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Abs. 1 GG) berührt. Den deutschen Nachrichtendiensten, den beteiligten Ministerien und den sie
kontrollierenden Gremien kommt insofern eine große Verantwortung bei der Beantragung, Genehmigung und
Durchführung jeder einzelnen Anordnung zu.
Für das Parlamentarische Kontrollgremium hat sich auch
im Bereich der neuen Befugnisse der Nachrichtendienste
erneut der Eindruck bestätigt, dass sich die Sicherheitsbehörden dieser Verantwortung bewusst sind, ihre Tätigkeit
gewissenhaft ausüben und die Beschränkungen der Bürgerinnen und Bürger gerade auch auf diesem Gebiet so
gering wie möglich halten.
Im vorliegenden Berichtszeitraum haben die Dienste in
insgesamt 36 neuen Fällen von den neuen Befugnissen
Gebrauch gemacht. Im Einzelnen handelt es sich um
– 16 Maßnahmen aus dem Bereich der Auskunftsersuchen gegenüber Banken und Finanzdienstleister (im
letzten Berichtszeitraum: 7),
– 2 aus dem Bereich der Auskunftsersuchen gegenüber
Luftfahrtunternehmen (im letzten Berichtszeitraum: 1),
– 9 auf den Bereich der Auskunftsersuchen gegenüber
Telekommunikationsunternehmen (im letzten Berichtszeitraum: 17)
– und schließlich wurde der IMSI-Catcher in ebenfalls
9 Fällen (im letzten Berichtszeitraum: 3) eingesetzt.
Allein im Bereich der Auskunftsmöglichkeiten gegenüber
Postdienstleistungsunternehmen wurde bislang noch kein
Antrag gestellt.
Gegenüber dem letzten Berichtszeitraum hat sich die Gesamtzahl der Maßnahmen damit von 28 auf 36 um insgesamt 28,6 Prozent erhöht. Die Steigerung ist insbesondere
auf den Anstieg der Bankenauskünfte und den verstärkten
Einsatz des IMSI-Catchers zurückzuführen. Es zeigt sich
aber, dass die Dienste immer noch sehr restriktiv von den
neuen Befugnissen Gebrauch machen.
Obwohl es aufgrund der doch noch relativ geringen Zahl
durchgeführter Maßnahmen für eine fundierte Evaluation
noch zu früh ist, konnte das Parlamentarische Kontrollgremium bereits jetzt feststellen, dass insbesondere die
Auskünfte von Banken und Telekommunikationsunternehmen den Diensten wichtige Erkenntnisse zur Verbesserung ihrer Aufgabenerfüllung vermittelt haben.
Gerade durch die Bankenauskünfte konnten neue Detailkenntnisse zur Aufklärung terroristischer Netzwerke und

Drucksache 15/3391

ihrer Finanzierung gewonnen werden. Außerdem konnten
neue Erkenntnisse zu Kontaktpersonen und zum modus
operandi erlangt werden, die weitere Aufklärungsansätze
lieferten. Hierbei ist allerdings immer zu berücksichtigen,
dass beispielsweise die Analyse von Kontenbewegungen
regelmäßig nur einzelne „Bausteine“ und Hinweise liefern kann, deren Bedeutung sich erst allmählich in der
Zusammenschau mit anderweitigen Erkenntnissen erschließt.
Durch die Einholung von Auskünften bei Telekommunikationsunternehmen, insbesondere über die Rufnummern
oder Kennungen der Anrufenden bzw. angerufenen Anschlüsse, konnte im Wege der Auswertung und durch Abgleich mit bekannten Anschlussnummern im In- und Ausland festgestellt werden, ob die Anschlussinhaber in
Deutschland tatsächlich Kontakt beispielsweise zu mutmaßlichen Mitgliedern terroristischer Vereinigungen im
In- und Ausland hatten.
Auch der Einsatz des IMSI-Catchers hat in den meisten
Fällen zu wichtigen Erkenntnissen über vorher nicht bekannte Mobilfunkanschlüsse verdächtiger Personen geführt, die dann in bestehende Überwachungsmaßnahmen
nach § 3 G10 aufgenommen werden konnten. Ohne den
Einsatz dieses neuen technischen Mittels hätte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) keinen Zugriff auf
die Inhalte der so geführten Telefongespräche der überwachten verdächtigen Personen erhalten können.
Es zeigt sich somit, dass – neben dem Einsatz des IMSICatchers zur Unterstützung der Maßnahmen nach § 3
G10 – insbesondere die beiden Möglichkeiten, Auskünfte
von Banken und Finanzdienstleistern sowie von Telekommunikationsunternehmen zu erhalten, immer wichtiger werdende Befugnisse für die bundesdeutschen Nachrichtendienste darstellen. Dabei konnte aber auch
festgestellt werden, dass die Dienste von diesen Befugnissen sehr restriktiv Gebrauch machen und in jedem
Einzelfall grundrechtsrelevanter Eingriffe die Beschränkungen der Bürgerinnen und Bürger auf das zur Aufgabenerfüllung der Dienste, die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu wahren, so
gering wie irgend möglich halten.
Auch in Zukunft wird eine wichtige Aufgabe der Sicherheitsbehörden – und der sie kontrollierenden Gremien –
darin bestehen, unter Einsatz aller rechtsstaatlichen Mittel
einerseits ein größtmögliches Maß an Sicherheit für die
Bürgerinnen und Bürger in unserem Land zu garantieren
und dabei andererseits die Bedürfnisse jedes Einzelnen
auf Schutz seiner Privatsphäre im Rahmen der rechtsstaatlichen Ordnung zu wahren.
I.

Neue Befugnisse der Sicherheitsbehörden
durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz

Als Reaktion auf die Terroranschläge in den USA vom
11. September 2001 und der damit verbundenen verstärkt
wahrgenommenen Bedrohung durch den weltweit agierenden internationalen Terrorismus hat der Gesetzgeber
zahlreiche Sicherheitsgesetze der neuen Bedrohungslage

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