Drucksache 15/3391
6.
– 10 –
Einsatz des so genannten IMSI-Catchers
(§ 9 Abs. 4 BVerfSchG)
Für einen ordnungsgemäßen Antrag auf Anordnung einer
Telekommunikationsüberwachung nach dem G10 ist die
Benennung einer Telefonnummer erforderlich. Angehörige terroristischer Gruppen nutzen allerdings zunehmend
Mobiltelefone, deren Herkunft den Sicherheitsbehörden
nicht bekannt ist. Die Telefonnummern solcher Geräte
können deshalb auch über den Betreiber nicht festgestellt
werden. Mit Hilfe der Kartennummer lässt sich allerdings
in der Regel die dazugehörige Telefonnummer problemlos ermitteln. Daher wurde in § 9 Abs. 4 BVerfSchG eine
gesetzliche Ermächtigung zum Einsatz des so genannten
IMSI-Catchers zur Ermittlung der Geräte- und Kartennummern von Telefonen aufgenommen.
Mit dem so genannten „IMSI-Catcher“ ist es möglich, die
IMSI (International Mobile Subscriber Identity) eines
eingeschalteten Handys in seinem Einzugsbereich zu ermitteln. Diese IMSI ist eine weltweit einmalige Kennung,
die den Vertragspartner eines Netzbetreibers eindeutig
identifiziert. Die IMSI ist auf der so genannten SIMKarte (SIM=Subscriber Identity Module) gespeichert, die
ein Mobilfunkteilnehmer bei Abschluss eines Vertrages
erhält. Mit Hilfe der IMSI kann nicht nur die Identität des
Teilnehmers, sondern auch dessen Mobilfunktelefonnummer bestimmt werden.
Zur Ermittlung der IMSI simuliert ein „IMSI-Catcher“
die Basisstation einer regulären Funkzelle eines Mobilfunknetzes. Eingeschaltete Handys im Einzugbereich dieser „vermeintlichen“ Basisstation mit einer SIM des simulierten Netzbetreibers buchen sich nun automatisch
beim IMSI-Catcher ein. Durch einen speziellen „IMSIRequest“ der Basisstation – einen Befehl, der sonst üblicherweise nur im Fehlerfall benötigt wird – wird die Herausgabe der IMSI vom Handy erzwungen.
Ist der von einer observierten Person genutzte Netzbetreiber nicht bekannt, muss diese Suche ggf. für Basisstationen aller Netzbetreiber durchgeführt werden. In Funkzellen mit vielen Teilnehmern ist es zudem erforderlich,
mehrere Messungen durchzuführen, bis die gesuchte
IMSI aus der Vielzahl gesammelter Daten herausgefiltert
werden kann.
a)
Voraussetzungen
Das BfV darf zur Erfüllung seiner Aufgaben nach § 3
Abs. 1 Nr. 2 bis 4 G10 unter den Voraussetzungen des § 3
Abs. 1 G10 den so genannten IMSI-Catcher einsetzen. Da
durch den Einsatz eines IMSI-Catchers aus technischen
Gründen regelmäßig auch Daten Dritter erhoben werden,
sind hier besonders hohe Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu stellen. Der Einsatz ist
gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 BVerfSchG nur zulässig, wenn
Berlin, den 16. Juni 2004
Hartmut Büttner (Schönebeck), MdB
Vorsitzender
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
ohne ihn die Erreichung des Zwecks der Überwachungsmaßnahme aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
Die erhobenen Daten Dritter unterliegen einem absoluten
Verwertungsverbot (§ 9 Abs. 4 Satz 5 BVerfSchG).
b)
Umfang der Maßnahmen im
Berichtszeitraum
Im Berichtszeitraum kam der IMSI-Catcher in neun Fällen zum Einsatz. Die Maßnahmen richteten sich überwiegend gegen Personen, die entweder im Verdacht standen,
eine neue terroristische Vereinigung aufzubauen oder
Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen extremistischen Vereinigung zu sein oder einer terroristischen Vereinigung anzugehören.
VI.
Umsetzung der neuen Befugnisse nach
dem Terrorismusbekämpfungsgesetz in
den Ländern (§ 8 Abs. 11 BVerfSchG)
Nach der durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom
9. Januar 2002 eingeführten Vorschrift des § 8 Abs. 11
BVerfSchG stehen den Verfassungsschutzbehörden der
Länder die neuen Befugnisse nach § 8 Abs. 5 bis 8 (also
die Auskunfsbefugnisse gegenüber Kreditinstituten und
Finanzdienstleistern, Postdienstleistern, Luftfahrtunternehmen und Telekommunikationsunternehmen) nur dann
zu, wenn das Antragsverfahren, die Beteiligung der G10Kommission, die Verarbeitung der erhobenen Daten und
die Mitteilung an den Betroffenen gleichwertig wie in § 8
Abs. 9 BVerfSchG und ferner eine § 8 Abs. 10 BVerfSchG gleichwertige parlamentarische Kontrolle sowie
eine Verpflichtung zur Berichterstattung über die durchgeführten Maßnahmen an das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundes geregelt sind.
Bislang haben 11 Länder gesetzliche Regelungen geschaffen, die ihren Verfassungsschutzbehörden die Möglichkeiten der Durchführung der neuen Auskunftsersuchen unter den in § 8 Abs. 11 BVerfSchG enthaltenen
Vorgaben hinsichtlich des Genehmigungsverfahrens und
hinsichtich der Berichterstattung einräumen. Dabei handelt es sich um die Länder Bayern, Berlin, Brandenburg,
Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland,
Sachsen und Thüringen. In Baden-Württemberg, Bremen,
Sachsen-Anhalt, und Schleswig-Holstein sind entsprechende gesetzliche Vorschriften bislang noch nicht verabschiedet worden.
Inzwischen haben sieben Länder auf der Grundlage ihrer
landesgesetzlichen Bestimmungen gegenüber dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages entsprechende Berichte vorgelegt. Danach wurden im
Berichtszeitraum derartige Maßnahmen nur in Bayern,
Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz durchgeführt.