Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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gruppen erfolgt. So sind beispielsweise Betreiber von Hotels oder Cafés, die ihren Gästen einen Internetzugang
anbieten, ebenso Diensteanbieter wie Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern die private Nutzung der betrieblichen
Telekommunikationsinfrastruktur erlauben.
Gestrichen wurde die Regelung des § 92 TKG, nach der
Diensteanbieter personenbezogene Daten an ausländische
Stellen nach Maßgabe des BDSG nur übermitteln durften,
soweit dies für die Erbringung von Telekommunikationsdiensten, für die Erstellung und Versendung von Rechnungen oder für die Missbrauchsbekämpfung erforderlich war.
Diese Vorschrift enthielt also eine bereichsspezifische
Zweckbindung, die zusätzlich zu den Regelungen des
BDSG zu beachten war. Künftig bemisst sich die Zulässigkeit einer entsprechenden Datenübermittlung nach den
§§ 4b und 4c BDSG. Wie sich das konkret auswirken wird,
ist noch nicht sicher zu beurteilen. Der Datenverkehr in und
zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist
nun genauso zu behandeln wie der inländische. Für eine
Datenübermittlung in ein Land außerhalb der Europäischen
Union, ein sog. Drittland, sind nunmehr die Vorgaben des
BDSG maßgeblich. Ich gehe davon aus, dass auch in diesen
Fällen das neue Verfahren keine datenschutzrechtlichen
Standards absenkt, zumal ich nach § 4c Absatz 2 BDSG für
Genehmigungen zuständig bin, falls personenbezogene Daten in einen Drittstaat übermittelt werden sollen.
6.5

Ortung per Handy

Die jüngste TKG-Änderung hat für Ortungsdienste Regelungen geschaffen, die einen Missbrauch signifikant erschweren – zumindest theoretisch.
Die Situation bei den Ortungsdiensten hatte ich in meinem 23. TB (Nr. 6.2) ausführlich dargestellt. Kritisch sah
ich insbesondere die Möglichkeiten zur heimlichen
Handy-Ortung. Mit der im Mai 2012 in Kraft getretenen
Änderung von § 98 TKG wurden die rechtlichen Anforderungen an Ortungsdienste verschärft. Sie müssen bei
jeder Feststellung des Standortes eine Informations-SMS
an das Handy senden. Nur wenn der Standort ausschließlich auf dem Handy angezeigt wird, darf auf den SMSHinweis verzichtet werden.
Einige Monate nach dem Inkrafttreten der Neuregelung recherchierte ich im Internet stichprobenartig deren Umsetzung. Dabei fielen mir zwei Firmen auf, die offensichtlich
noch Ortungen ohne Übersendung von SMS durchführten.
Hierbei handelt es sich um einen bußgeldbewehrten Tatbestand, weshalb ich die Bundesnetzagentur als zuständige
Bußgeldbehörde um weitere Prüfung bat.
Die Unternehmen beriefen sich darauf, dass es sich um
„Eigenortungen“ handele, bei denen keine SMS zu versenden sei. Mich und die BNetzA überzeugte diese Einlassung
nicht, denn der Standort wird ja nicht auf dem georteten
Handy, sondern an anderer Stelle angezeigt – insofern gibt
es keinen Rechtfertigungsgrund für den Verzicht auf die
Info-SMS. Die BNetzA erließ einen Bußgeldbescheid, gegen den Widerspruch eingelegt wurde. Den weiteren Fortgang des Verfahrens werde ich mit Interesse verfolgen.
Bedeutsam ist eine weitere Änderung der datenschutzrechtlichen Vorgaben für die Ermittlung und Verwendung

Drucksache 17/13000

von Standortdaten. Bisher erfasste das TKG nur Standortdaten, die in einem Telekommunikationsnetz erhoben
oder verwendet werden. In der TKG-Novelle wurden
auch die Standortdaten aufgenommen, die von einem Telekommunikationsdienst erhoben oder verwendet werden
(s. § 3 Nummer 19 TKG). Es sind nicht nur die Funkzellen umfasst, in denen ein Handy eingebucht ist, sondern
ggf. auch die per Satelliten- oder WLAN-Ortung erfassten Standortdaten. Bisher sind die praktischen Konsequenzen dieser Änderung noch nicht abschließend abzuschätzen. Schon jetzt erkennbar sind jedoch zwei
Problemkreise: Zum Einen ist vielfach eine klare Unterscheidung zwischen Telekommunikationsdienst und Telemediendienst schwierig, so dass unklar bleibt, ob jeweils
das TKG oder das Bundesdatenschutz- bzw. Telemediengesetz anwendbar ist. Zum Anderen kann die Ortung
durch einen Dienst erfolgen, der über das (mobile) Internet aus dem Ausland erbracht wird, so dass deutsche Vorschriften nur eingeschränkt gelten und durchsetzbar sind.
Unabhängig von diesen gesetzlichen Vorgaben trete ich
dafür ein, die ausufernde Verwendung von Standortdaten,
insbesondere mittels Smartphone-Apps, wirksam zu begrenzen und für die Betroffenen transparent zu gestalten.
Die Verantwortung hierfür liegt bei den App-Anbietern,
den Unternehmen, die Download-Plattformen bereitstellen und bei den Herstellern der Smartphone-Betriebssysteme. Von der in der Diskussion befindlichen Datenschutz-Grundverordnung (vgl. Nr. 2.1.1) erwarte ich hier
deutliche Verbesserungen, insbesondere weil auch Anbieter aus Drittstaaten an die Vorgaben des europäischen Datenschutzrechts gebunden werden.
6.6

Notrufortung: Weihnachten kommt
immer so überraschend …

Die Notrufortung sollte an Weihnachten 2012 umgesetzt
worden sein – zumindest nach den Vorstellungen des Gesetzgebers. Technische Umsetzungsprobleme führen zu
Verzögerungen.
Bereits seit 2004 sieht das Telekommunikationsgesetz
(TKG) eine Übermittlung des Standortes eines Notrufenden zur Rettungsleitstelle vor. Nur so können Notrufe von
Handys bearbeitet werden, wenn der Anrufer nicht in der
Lage ist, seinen genauen Standort zu nennen. Bei Festnetzkunden kann der Standort vom Netzbetreiber alternativ auch anhand der Bestandsdaten ermittelt werden. Zur
Umsetzung dieser Regelung des TKG waren die Notrufverordnung und die Technische Richtlinie Notruf
(TR Notruf) erforderlich, die beide auf sich warten ließen. Die Björn-Steiger-Stiftung hatte daraufhin im
Jahr 2006 die Initiative ergriffen und ein alternatives System zur Notrufortung aufgebaut. Dieses wurde inzwischen von der Allianz OnlineService GmbH (AOS) übernommen (vgl. 23. TB Nr. 6.2). Dieses System ermöglicht
zwar eine Ortung von Notrufenden, entspricht aber nicht
den Vorgaben des Gesetzgebers, und auch ein Missbrauch
ist zumindest theoretisch nicht ausgeschlossen.
Nachdem die Notrufverordnung mit einiger Verzögerung
2009 erlassen und die TR Notruf schließlich am 22. Juni
2011 im Amtsblatt Nr. 12 der Bundesnetzagentur (Verfügung Nr. 42/2011) veröffentlicht wurde, war diese auf-

BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012

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