Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
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Mir liegen bislang keine Erkenntnisse über andere als die
planmäßig dargestellten Einsätze der Flugdrohnen vor.
Ebenso habe ich keine Hinweise auf eine Verwendung der
Aufnahmen oder Daten oder gar auf einen Datenmissbrauch. Ich werde gleichwohl den Einsatz von Flugdrohnen weiterhin kritisch begleiten.
3.3.3.4
Was macht mein Nachbar gerade?
Die zurzeit im Hobbybereich beworbenen Flugdrohnen
sind vom Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes als privat-persönliche Tätigkeit nach § 1 Absatz 2
Nummer 3 BDSG ausgenommen, soweit sie ausschließlich als flugtechnisches Geschicklichkeitsspielgerät genutzt werden.
Wird Deutschland zu einem Land von Voyeuren? Für den
Einstieg in die Drohnen-Fliegerei braucht‘s nicht viel
Geld: Zwar geben die Hersteller in den Bedienungsanleitungen meist deutliche Hinweise auf datenschutzrechtliche Regeln. Dennoch tauchen immer öfter private Spionage-Videos aus Nachbars Garten bei YouTube auf.
Die Luftverkehrsordnung regelt zum Thema Privatsphärenschutz, dass die Fluggenehmigungen von den jeweils
zuständigen Landesluftfahrtbehörden nur erteilt werden
sollen, „wenn die beabsichtigten Nutzungen (…) die Vorschriften über den Datenschutz nicht verletzen“ (vgl.
Nr. 3.3.3.1).
Bereits im meinem letzten Tätigkeitsbericht hatte ich auf
diese Problematik hingewiesen (vgl. 23. TB Nr. 5.13). Im
Berichtszeitraum haben mich erneut mehrere Eingaben zu
den im Handel frei erhältlichen, als Spielzeuge beworbenen und über eine spezielle Software per Smartphone
oder Tablet PC steuerbaren Fluggeräten erreicht. Hierbei
übertragen die Bordkameras der Drohne Live-Bilder auf
die Bildschirme des Nutzers. Diese Flugdrohnen mit geringer Reichweite und Flughöhe bedürfen keiner Zulassung oder Aufstiegserlaubnis, so dass Verkauf und Einsatz keinen Beschränkungen unterliegen. Die Anfragen
und Beschwerden bezogen sich in der Hauptsache auf die
private Nutzung und deren Zulässigkeit.
Ich halte gleichwohl den Einsatz solcher Flugdrohnen im
Hinblick auf die hiervon ausgehenden Gefahren für die
Privatsphäre – die Flughöhe der Drohne beträgt nach meinen Recherchen bis zu 6 Metern mit einer Reichweite von
etwa 50 Metern – für eine potenzielle Bedrohung der Privatsphäre. Es ist dem Zweck dieses Gerätes naheliegend,
dass es auch dazu eingesetzt wird, das Verhalten anderer
Menschen (heimlich) zu beobachten. Dass dies regelmäßig unter Missachtung fremden Eigentums durch Überwindung von Grundstücksgrenzen erfolgen wird – man
denke an den Flug in Nachbars Garten über den Zaun hinweg – erhöht die Missbrauchsgefahr.
Da der Einsatz der Drohnen im rein privaten Bereich
erfolgt, halte ich das BDSG bei einer ausschließlich Verwendung als flugtechnisches Geschicklichkeitsspiel allerdings nicht für anwendbar. Die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes gelten nicht für Privatpersonen im
Drucksache 17/13000
rein privaten Bereich, zum Beispiel beim Einsatz von Videotechnik zwischen Nachbarn.
Wenn jemand das Gerät auf der Straße fliegen lässt und
seinen Nachbarn ohne dessen Wissen fotografiert, muss
dies nicht gegen das Datenschutzrecht verstoßen. Anders
sieht es aus, wenn Behörden (vgl. o. Nr. 3.3.3.2) oder Unternehmen mit der Kamera etwas ausspionieren, wenn
unerlaubte Fotografien gemacht oder Drohnen kommerziell genutzt werden. Dann würde das Datenschutzrecht
greifen. Die Abgrenzung ist in der Praxis sicherlich
schwierig.
Zivilrechtliche Unterlassungsansprüche mögen bestehen,
setzen aber voraus, dass die Drohne bemerkt und dann
auch noch einem konkreten Nutzer zugeordnet werden
kann. Daher sehe ich bei der Durchsetzung der Abwehransprüche erhebliche praktische Schwierigkeiten.
Schließlich könnte der Einsatz der Flugdrohnen sogar
strafrechtlich relevant sein, jedenfalls dann, wenn Aufnahmen einen gegen Einblick besonders geschützten
Raum betreffen. Dies könnte bereits bei der Überwindung
eines Sichtschutzes mittels Drohne der Fall sein und als
Verstoß gegen § 201a StGB gewertet werden, der mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird.
Da es sich bei dem Einsatz von Flugdrohnen im privaten
Bereich um ein aktuelles, bundesweit bestehendes Problem handelt, erörtere ich die Thematik auch mit meinen
Kollegen in den Ländern. Insbesondere gilt es, die Weiterentwicklung dieser und technisch ähnlicher Geräte im
Auge zu behalten.
3.4
Besserer Datenschutz durch
Selbstregulierung?
Das vor mehr als zehn Jahren ins Bundesdatenschutzgesetz eingefügte Instrument der Selbstregulierung hat die
damit verbundenen Erwartungen nicht erfüllt. Abgesehen
von einem Sonderfall im Bereich der Presse ist es erst im
Jahre 2012 zum ersten Mal gelungen, eine Selbstregulierung erfolgreich auf den Weg zu bringen.
Mit Umsetzung der EG-Datenschutzrichtlinie 95/46/EG
wurde es den Wirtschaftsverbänden durch § 38a BDSG
ermöglicht, der zuständigen Aufsichtsbehörde Verhaltensregeln (Codes of Conduct) vorzulegen. Damit verbunden war die Vorstellung, die Wirtschaft könnte die
notwendigerweise allgemein gehaltenen Vorschriften des
Bundesdatenschutzgesetzes konkretisieren, um damit den
Datenschutz besser handhabbar zu machen. Dies sollte
sowohl den verantwortlichen Stellen die Anwendung des
Datenschutzrechts erleichtern, als auch den Betroffenen
mehr Klarheit bei der Wahrnehmung ihrer Rechte verschaffen und die Tätigkeit der Aufsichtsbehörden vereinfachen. Dieser an sich zu begrüßende Ansatz hat sich in
der Praxis bisher aber nicht durchgesetzt. Dies hat verschiedene Ursachen.
In Politik und Wirtschaft ist die Vorstellung weit verbreitet, die Selbstregulierung sei dazu gedacht, Defizite bei
der Gesetzgebung auszugleichen und neue Regelungen
BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012