Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
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Durch FATCA müssen alle FFIs auf Basis einer vertraglichen Regelung mit der amerikanischen Steuerbehörde
die Konten ihrer Geschäftspartner auf eine potentielle
Steuerpflicht in den USA hin überprüfen und mit Einverständnis des US-Kunden regelmäßig detaillierte
Meldungen bzgl. der steuerpflichtig kategorisierten
Konten und Zahlungen an die IRS übermitteln. Zu den
betreffenden Daten gehören unter anderem Namen,
Adressen und US-Steuernummern der betreffenden
Kunden sowie Transaktionsdaten und Salden ihrer Konten. Die US-Kunden müssen diesem Eingriff in das
Bankgeheimnis ausdrücklich zustimmen und zugunsten
der US-Behörden umfassend auf das Bankgeheimnis
verzichten. Tun sie dies nicht, müssen die betreffenden
Finanzintermediäre ihre Geschäftsbeziehungen zu diesen Kunden beenden. Zu den Betroffenen zählen nicht
nur in Deutschland lebende US-Bürger, sondern auch
europäische Bürger, wenn sie in den USA steuerpflichtig sind.
Die Nichtteilnahme eines FFIs ahndet das IRS mit einem Einbehalt (Quellenbesteuerung) in Höhe von
30 Prozent auf alle Zahlungen an das FFI, die auf einen
US-Vermögenswert zurückzuführen sind. FATCA stellt
die FFIs somit weltweit vor die Wahl, entweder personenbezogene Daten von US-Kunden den US-Behörden
zugänglich zu machen oder aber einen Quellensteuerabzug auf die US-Wertpapiererträge in Kauf zu nehmen.
3
Grundsatzangelegenheiten
3.1
Unabhängigkeit der Datenschutzbehörden
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom
16. Oktober 2012 zur mangelnden Unabhängigkeit der
österreichischen Datenschutzkommission ist weitgehend
auf meine Rechtsstellung übertragbar.
Bereits im Jahr 2010 hatte der EuGH in einem Vertragsverletzungsverfahren entschieden, dass die Organisation
der deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden im nicht-öffentlichen Bereich auf Landesebene nicht den in der EGDatenschutzrichtlinie 95/46 festgelegten Anforderungen
an eine „völlige Unabhängigkeit“ genügt (Urteil vom
9. März 2010, C-518/07 – vgl. 23. TB Nr. 2.1). Die unabhängige Stellung der Datenschutzbehörden solle gewährleisten, dass diese ihre Aufgaben frei von äußerer
Einflussnahme wahrnehmen könnten. Jegliche Form politischer oder institutioneller Einflussnahme, etwa in Form
einer staatlichen Aufsicht, oder auch nur der Anschein
staatlicher Beeinflussung sei hiermit unvereinbar. Inzwischen haben die Länder die Rechtsstellung ihrer Datenschutzaufsichtsbehörden für den nicht-öffentlichen Bereich an die Vorgaben des EuGH angepasst.
Im öffentlichen Bereich kommt es sogar in noch viel stärkerem Maße als bei der Datenschutzkontrolle über die
Wirtschaft darauf an, dass die Exekutive keinerlei Einfluss auf die Aufgabenwahrnehmung der Kontrollbehörde
Drucksache 17/13000
nehmen kann, da sie ihrerseits durch diese überwacht
wird. Das BMI hat bislang allerdings keine Konsequenzen aus diesem Urteil gezogen.
Mit Urteil vom 16. Oktober 2012 (C-614/10) hat der
EuGH seine Rechtsprechung zu den Anforderungen an
die „völlige Unabhängigkeit“ der Datenschutzbehörden
bestätigt und erstmals auf den öffentlichen Bereich ausgedehnt. Gegenstand des von der Europäischen Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens war die
Rechtsstellung der österreichischen Datenschutzkommission (DSK), die in Österreich sowohl die Datenschutzkontrolle im öffentlichen als auch im nicht-öffentlichen
Bereich wahrnimmt. Die Bundesrepublik Deutschland ist
dem Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung Österreichs beigetreten.
Es überrascht nicht, dass der EuGH in dem Verfahren gegen die Republik Österreich erneut betont, die europarechtlich geforderte völlige Unabhängigkeit der Datenschutzbehörden sei umfassend zu verstehen. Völlige
Unabhängigkeit bedeute nicht nur den Ausschluss unmittelbarer Einflussnahme in Form von Weisungen, sondern
auch jeder Form mittelbarer Einflussnahme staatlicher
Stellen, die zur Steuerung der Entscheidungen der Datenschutzbehörde geeignet sei. Hiermit nicht zu vereinbaren
sei u. a., dass das geschäftsführende Mitglied der österreichischen DSK ein der Dienstaufsicht unterliegender Bundesbeamter sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden,
dass das geschäftsführende Mitglied der DSK sich bei
seinen Entscheidungen durch die die Dienstaufsicht führende Bundesbehörde beeinflussen lasse. Weiterhin monierte der EuGH die organisatorische Eingliederung der
DSK in das Bundeskanzleramt, welches nach österreichischem Recht die Sach- und Personalausstattung der DSK
bereitstellt. Dass die Geschäftsstelle der DSK aus Beamten besteht, die dienst- und besoldungsrechtlich dem Bundeskanzleramt zugeordnet sind und daher auch dessen
Dienstaufsicht unterliegen, berge die Gefahr der Beeinflussung der DSK-Entscheidungen. Das Bundeskanzleramt werde schließlich selbst durch die DSK kontrolliert.
Auch wenn aus dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland als Streithelferin zur Unterstützung Österreichs
keine unmittelbare Rechtswirkung für Deutschland ausgeht, entfaltet das Urteil eine deutliche Signalwirkung.
Die durch das BDSG vorgegebene Rechtsstellung des
BfDI ist der vom EuGH beanstandeten Rechtslage in Österreich in vielfacher Hinsicht vergleichbar: Der BfDI untersteht der Rechtsaufsicht der Bundesregierung und der
Dienstaufsicht des BMI. Organisatorisch ist er zudem
beim BMI eingerichtet. Die Mitarbeiter des BfDI sind
Bedienstete des BMI, das über Stellenbesetzungen und
Beförderungen mitentscheidet und die Dienstaufsicht
über die Mitarbeiter des BfDI ausübt.
Die Bundesrepublik Deutschland sollte sich eine dritte
Lektion aus Luxemburg ersparen und die Rechtsstellung
des BfDI dem Erfordernis völliger Unabhängigkeit anpassen. Solange dies noch nicht geschehen ist, müssen die
bestehenden Rechtsvorschriften im Sinne der europa-
BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012