Drucksache 17/13000
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
noch Anlage 5
Die Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht
Frau Dagmar Hartge
Vorsitzende der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder 2012
Stellungnahme der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes
und der Länder
zur
Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der
Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung von Straftaten oder der
Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr
KOM(2012) 10 endg. vom 25.01.2012
11. Juni 2012
Ungeachtet der Frage, ob sich die Kompetenz der EU
zum Erlass einer Richtlinie auf Basis von Art. 16 Abs. 2
Satz 1 AEUV im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten
Einzelermächtigung und das Subsidiaritätsprinzip auch
auf rein innerstaatliche Datenverarbeitungsvorgänge im
Bereich der Gefahrenabwehr, der Strafverfolgung und des
Strafvollzugs erstreckt, bewertet die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder (Konferenz) den Richtlinienentwurf wie folgt:
Zielsetzung der Richtlinie
Die Richtlinie sollte durch Mindeststandards für die Mitgliedstaaten ein möglichst hohes Datenschutzniveau festschreiben. Den Mitgliedstaaten sollte die Möglichkeit
verbleiben, in ihrem nationalen Recht über die Richtlinie
hinausgehende datenschutzfreundlichere Regelungen zu
treffen. Diese grundsätzliche Weichenstellung sollte in
der Richtlinie selbst vorgenommen werden.
Eine solche Klarstellung würde nicht nur die durch die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
entwickelten Datenschutzgrundsätze wahren (z. B. Rechtsprechung zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung), sondern es darüber hinaus den nationalen Verfassungsgerichten ermöglichen, den Grundrechtsschutz in
Zusammenarbeit mit dem Europäischen Gerichtshof weiterzuentwickeln.
Ohne entsprechende Festlegungen in der Richtlinie bestünde die Gefahr, dass grundrechtswahrende nationale
Regelungen angesichts der Vorgaben der Richtlinie (die
Gewährleistung des Datenschutzes und Sicherstellung
des Datenaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten gemäß Art. 1 (2) lit. b)) im Sinne einer Vollharmonisierung
BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012
als richtlinienwidrig ausgelegt werden. Eine entsprechende Auslegung wäre vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für den Bereich
der geltenden Datenschutzrichtlinie 95/46/EG keineswegs ausgeschlossen und hätte unvertretbare Konsequenzen, etwa im Hinblick auf die im Strafprozess- und im
Polizeirecht enthaltenen Schutzvorkehrungen für die
Rechte der Betroffenen.
Zu den einzelnen Bestimmungen wird folgendermaßen
Stellung genommen:
Kapitel I – Allgemeine Bestimmungen
Anwendungsbereich (Art. 1-2)
Die Richtlinie ist gemäß Art. 2 (1) sachlich nur anwendbar, wenn eine „zuständige Behörde“ zum Zwecke der
Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung
von Straftaten oder der Strafvollstreckung personenbezogene Daten verarbeitet. Nicht erfasst sind damit Aufgaben im Bereich der Abwehr von Gefahren, die nicht der
Abwehr von Straftaten dient (Beispiel: Fahndung nach
Vermissten ohne Bezug auf das Vorliegen einer Straftat
oder nach Strafunmündigen). Inwieweit andere Aufgaben
im Bereich der Grenzkontrolle, des Zolls oder des Aufenthaltsrechts, die je nach der Tradition des Mitgliedstaates als eine polizeiliche Aufgabe verstanden werden,
ebenfalls in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, dürfte innerhalb der Mitgliedstaaten der EU durchaus
unterschiedlich beurteilt werden. Nach Auffassung der
Konferenz sollte vermieden werden, dass dieselbe polizeiliche Tätigkeit in einem Mitgliedstaat der Verordnung
und in einem anderen Mitgliedstaat der Richtlinie unterfällt. Für die deutschen Polizeibehörden dürfte aus der