Drucksache 17/13000
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liegenden ärztlichen Unterlagen, wie z. B. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, ergeben. Zu diesen Unterlagen
gehören keine Behandlungsdaten des Versicherten (Krankenhausentlassungsberichte, Arztbriefe, Befundberichte,
ärztliche Gutachten etc.).
Soweit sich Krankenkassen auf ein Rundschreiben des
GKV-Spitzenverbandes vom 31. Mai 2012 berufen, habe
ich immer wieder darauf hingewiesen, dass derartige
Rundschreiben eine gesetzliche Grundlage zur Datenerhebung nicht ersetzen und vorhandene Gesetzesbestimmungen nicht außer Kraft setzen können. Zudem lässt das
zitierte Rundschreiben keine Hinweise auf eine zulässige
Datenerhebung in der vorgefunden Form erkennen.
Selbst die aus datenschutzrechtlicher Sicht sehr bedenkliche „Begutachtungsanleitung – Arbeitsunfähigkeit (AU)“
des GKV-Spitzenverbandes vom 12. Dezember 2011
sieht eine Datenerhebung in dem vorgefundenen Umfang
nicht vor.
Meiner Aufforderung, die vorhandenen Selbstauskunftsbogen nicht mehr zu verwenden und bereits ausgefüllte
zu vernichten, ist z. B. die Audi BKK gefolgt.
Um das Problem „Selbstauskunftsbogen“ grundsätzlich
zu lösen, habe ich mit dem BMG und dem GKV-Spitzenverband die Bildung einer Arbeitsgruppe vereinbart, deren Ziel es ist, bis Ostern 2013 die Selbstauskunftsbogen
in der jetzigen Form abzuschaffen und datenschutzgerecht sicherzustellen, dass die Krankenkassen die für die
Bearbeitung von Krankengeldfällen erforderlichen Daten
erhalten. Dabei ist ein modular aufgebautes System angedacht, in dem zielgerichtet nur die für den Einzelfall erforderlichen und gesetzlich zulässigen Daten erhoben
werden.
Telefonische Beratung und Handakten von
Mitarbeitern im Krankenfallmanagement
Die Mitarbeiter der Deutschen BKK führen mit den Versicherten bei Arbeitsunfähigkeit regelmäßig telefonische
„Beratungsgespräche“, wenn zu erwarten ist, dass Krankengeld auszuzahlen sein wird. In den von mir kontrollierten Geschäftsstellen wurden Handakten über jeden
arbeitsunfähigen Versicherten geführt, die, neben dem ausgefüllten Selbstauskunftsbogen, mehr oder weniger ausführliche Gesprächsvermerke mit zum Teil detaillierten Angaben
zur familiären und gesundheitlichen Situation, Krankenhausentlassungsberichte, Reha-Entlassungsberichte, hausärztliche Unterlagen, Gutachten des MDK und vieles mehr
enthalten. Von Petenten wird mir zudem berichtet, in den
dargestellten Telefonaten würde z. T. ein erheblicher Druck
durch die „Fallmanager“ der Krankenkassen aufgebaut, in
dem teilweise mit Leistungskürzungen gedroht wird oder
zu einem Wechsel der Krankenkasse aufgefordert werde.
Die Ergebnisse der Beratungsgespräche werden von den
Fallmanagern – neben handschriftlichen Vermerken in
Handakten – im EDV-Programm „Krankengeld Fallmanagement“ als individuelle Gesprächsnotizen in Freitextfeldern aufgezeichnet. Die vorgefundenen Programme sahen eine maschinelle Löschung der gespeicherten Daten
nicht vor.
BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Weder für die telefonische Datenerhebung noch für deren
Speicherung gibt es eine gesetzliche Grundlage. Die kontrollierten Kassen wurden von mir gebeten, unverzüglich
jegliche Datenerhebung und -speicherung durch Telefonate mit den Versicherten einzustellen sowie vorhandene
Daten und gespeicherte Vermerke über die Telefongespräche zu löschen.
Einschaltung „neutraler Stellen“
In zahlreichen Fällen bieten Mitarbeiter der Deutschen BKK ihren Versicherten – z. B. bei Rückenleiden
oder psychischen Erkrankungen – den Besuch bei einer
„neutralen Stelle“ an. Diese „neutrale Stelle“ ist ein externer Gutachter, der die Versicherten untersucht und weitere oder alternative Maßnahmen zur schnellen Beendigung der Arbeitsunfähigkeit empfiehlt. Wenn Versicherte
dieser Verfahrensweise während des Telefonates zustimmen, übermittelt die Krankenkasse die Daten der Versicherten (Name, Telefonnummer) an diese „neutrale Stelle“,
damit diese anschließend Kontakt zu den Versicherten
aufnimmt. Die Deutsche BKK versteht diese Vorgehensweise als „Serviceleistung“ gegenüber ihren arbeitsunfähig erkrankten Versicherten.
Bereits vor Ort haben meine Mitarbeiter der Krankenkasse vorgeschlagen, den Versicherten lediglich die Kontaktdaten der „neutralen Stelle“ (z. B. in einem Flyer zum
Thema Rückenleiden) zur Verfügung zu stellen und sie zu
bitten, selbst mit der „neutralen Stelle“ Kontakt aufzunehmen. Das Gegenargument, es handele sich oft um Versicherte, die aufgrund ihrer sprachlichen Fähigkeiten zu einer eigenständigen Kontaktaufnahme mit der „neutralen
Stelle“ nicht in der Lage seien, kann ich nicht nachvollziehen. Es zeugt von mangelndem Respekt vor den Versicherten. Viele Institutionen – auch gesetzliche Krankenkassen –
sind zudem aus Servicegründen dazu übergegangen,
„Flyer“ auch in anderen Sprachen bereitzustellen.
Die dargestellte Vorgehensweise ist datenschutzrechtlich
unzulässig und verletzt das Sozialgeheimnis (§ 35 Absatz 1 SGB I). Die Vermittlung von Versicherten im
Krankengeldbezug an „neutrale Stellen“ gehört nicht zu
den gesetzlichen Aufgaben einer Krankenkasse. Eine gesetzliche Grundlage für die Übermittlung von Sozialdaten
an die „neutralen Stellen“ gibt es nicht.
Ich habe die Deutsche BKK aufgefordert, auf die rechtswidrige Einschaltung „neutraler Stellen“ zu verzichten.
Die dargestellten zahlreichen Verstöße der Deutschen
BKK gegen die gesetzlichen Vorgaben zum Persönlichkeitsschutz der Versicherten habe ich nach § 81 Absatz 2
SGB X i. V. m. § 25 Absatz 1 BDSG wegen Verstoßes
gegen das Sozialgeheimnisses nach § 35 Absatz 1 SGB I
förmlich beanstandet.
Sensible Versichertendaten in Handakten
der Sachbearbeiter
Bei der Kontrolle einer Geschäftsstelle der Siemens BKK
wurden in Handakten sehr umfangreiche Dokumentationen von Telefongesprächen zwischen Sachbearbeitern
und Versicherten vorgefundenen. Diese enthielten Anga-