Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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Weiterübermittlung der Daten an andere Drittstaaten nur
dann erfolgen könnten, wenn in dem jeweiligen Staat ein
angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet sei oder
die Ausnahmetatbestände des Artikel 26 der Datenschutzrichtlinie erfüllt seien. Sehr kritisch sieht die
Gruppe weiterhin, dass aufgrund von Dopingverstößen
verhängte Strafmaßnahmen im Internet veröffentlicht
werden. Dies sei weder erforderlich noch verhältnismäßig. Schließlich fordert sie die WADA auf, die Verhältnismäßigkeit der Erhebung „Whereabouts“ (Aufenthaltsdaten zur Ermöglichung von Spontankontrollen) zu
überprüfen und zumindest die Speicherzeit dieser Daten
zu verkürzen.
Seit Beginn des Jahres 2012 werden nun sowohl der
WADA-Code als auch die dazugehörigen Standards,
insbesondere auch der International Standard for the Protection of Privacy and Personal Information (ISPPI) überarbeitet. Dies soll Ende 2013 abgeschlossen sein. Im Rahmen des Überarbeitungsprozesses wird die Artikel-29Gruppe prüfen, ob ihre Kritik aus früheren Stellungnahmen (Working Paper 156 vom 1. August 2008 und Working Paper 162 vom 6. April 2009) in dem Entwurf für
eine Überarbeitung der Regelungswerke aufgegriffen
wurde, und wird gegebenenfalls verbleibende datenschutzrechtliche Bedenken in einem Brief an die WADA
geltend machen.
9

Finanzwesen

9.1

Steuerdaten-CD

Die Diskussion um die Nutzung rechtswidrig erlangter
Steuerdaten-CDs dauert an. Ob die Einführung eines
Straftatbestands der Datenhehlerei für Abhilfe sorgen
kann, erscheint zweifelhaft.
Ohne Zweifel ist der Ankauf im Ausland befindlicher
Steuerdaten fiskalisch sehr lukrativ und sorgt für erhebliche Mehreinnahmen des Staates in Zeiten der Finanzkrise. Auch im Hinblick auf den verfassungsrechtlich
garantierten Grundsatz der Steuergerechtigkeit sind Ziel
und Durchsetzung einer dem Gleichheitssatz des Artikel 3 Absatz 1 GG entsprechenden Besteuerung ein
Grund, der auf den ersten Blick für den Ankauf von Steuerdaten-CDs sprechen könnte, da so der Steuerflucht ins
Ausland in gewissem Umfang Einhalt geboten und die
Steuerhinterziehung effektiv verfolgt werden kann.
Dabei sind aber die Grenzen des Rechtsstaats zu beachten, denn der Staat bedient sich letztlich der Hilfe Krimineller, die die eigentliche Datenerhebung durch „Datendiebstahl“ vornehmen. Ich habe bereits mehrfach die
Erforderlichkeit einer speziellen Rechtsgrundlage betont,
damit die widerstreitenden Interessen und Rechtsgüter in
einen angemessenen Ausgleich gebracht werden können
(vgl. zuletzt 23. TB Nr. 9.1). Hieran ändert auch nichts,
dass die Verwertbarkeit der Steuerdaten-CDs im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 9. November 2010,
2 BvR 2101/09) und im Besteuerungsverfahren von der
Finanzgerichtsbarkeit (FG Köln, Beschluss vom 15. De-

Drucksache 17/13000

zember, 14 V 2484/10; FG Hamburg, Beschluss vom
12. Oktober 2011, 3 V 117/11) grundsätzlich nicht beanstandet wurde. Denn der Ankauf der Steuerdaten-CDs
findet nach wie vor in einer rechtlichen Grauzone statt
und ist nicht unbeträchtlichen strafrechtlichen Risiken
ausgesetzt, wie erst jüngst Haftbefehle aus der Schweiz
gegen deutsche Steuerfahnder belegt haben.
Eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage fehlt bislang.
Die deutschen Instanzgerichte sind bisher davon ausgegangen, dass die betroffenen Finanzbeamten weder deutsches
Strafrecht noch Völkerrecht verletzen (vgl. LG Düsseldorf,
Beschluss vom 11. Oktober 2010, 4 Qs 50/10; LG Bochum, Beschluss vom 7. August 2009, 2 Qs/09). So soll
insbesondere der Ankauf der Daten durch die deutschen
Finanzbehörden aufgrund der allgemeinen Ermittlungsbefugnis möglich sein. Eine solche extensive Auslegung
dieser Befugnisse ist aus datenschutzrechtlicher Perspektive jedoch problematisch und schafft Raum für behördliche Willkür. Die Heranziehung von allgemeinen Ermittlungsbefugnissen zur Rechtfertigung des Ankaufs der
Steuerdaten kann angesichts der schweren Beeinträchtigung vertraulicher personenbezogener Daten nicht überzeugen und würde den Datendiebstahl zwangsläufig bagatellisieren. Rechtsstaatliche Vorgaben und allgemeine
Prinzipien des Datenschutzes verlangen, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung einer Eingriffsgrundlage den
Verwendungszweck bereichsspezifisch und präzise bestimmt und die Daten für diesen Zweck geeignet und erforderlich sind (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983,
1 BvR 209/83 u. a.).
Die momentan erwogene Ergänzung des Strafgesetzbuches um einen Tatbestand der Datenhehlerei (§ 259a
StGB-E) in der Fassung, die der hessische Justizminister
vorgeschlagen hat, überzeugt mich aber nicht. Zwar ist es
aus datenschutzpolitischer Sicht durchaus zu begrüßen,
den strafrechtlichen Schutz rechtswidrig erlangter personenbezogener Daten wie auch anderer Daten (z. B. Passwörter oder sonstige Sicherungscodes) zu verbessern und
im Strafgesetzbuch eine zentrale ergänzende Norm zu
schaffen. Eine auch im allgemeinen Strafrecht verankerte
Strafbarkeit des Ankaufs und Erwerbs illegal erhobener
Daten kann daher neben den bisher schon bestehenden
Regelungen (§§ 43, 44 BDSG) sinnvoll sein. Für schwer
vermittelbar halte ich es aber, dass staatliches Handeln
vom Tatbestand der Datenhehlerei ausgenommen werden
soll – eine Lex Steuer-CD?
9.2

Steueridentifikationsnummer

In Bestrebungen, den Anwendungsbereich der Steueridentifikationsnummer (Steuer-ID) weiter auszudehnen,
sehe ich die Gefahr, dass diese sich doch zu einem verfassungswidrigen allgemeinen Personenkennzeichen entwickelt.
Immer wieder habe ich mich in früheren Tätigkeitsberichten mit der datenschutzrechtlichen Problematik der Steueridentifikationsnummer (Steuer-ID) auseinandersetzen
müssen (vgl. zuletzt 23. TB Nr. 9.2). Auch jetzt besteht
wieder Veranlassung dazu. Die Steuer-ID dient der ein-

BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012

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