Drucksache 17/13000
7.4.7

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Öffentlichkeitsfahndung im Internet

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes
und der Länder hat sich mit der Öffentlichkeitsfahndung
im Internet, insbesondere in sozialen Netzwerken beschäftigt. Auch das Bundeskriminalamt betreibt eine
Fahndungsseite bei „Facebook“.
Zahlreiche Behörden von Bund und Ländern betreiben eigene Websites, einige haben eine „Fanpage“ bei Facebook
(vgl. Nr. 5.8.2.). Für Diskussionen sorgten dabei besonders
Polizeibehörden, die das soziale Netzwerk zu Fahndungsausschreibungen einsetzen. Die Öffentlichkeitsfahndung
greift besonders intensiv in die Persönlichkeitsrechte der
Betroffenen ein. Im Internet werden Informationen weltweit einem unbeschränkten Empfängerkreis bekannt gegeben. Nach derzeitigem Stand ist ein „Rückholen“ der
im Internet verbreiteten Informationen unmöglich. Daher
ist eine Öffentlichkeitsfahndung im Internet stets Ultima
Ratio. Sie kommt nur bei besonders schwerwiegenden
Delikten in Betracht. Besonders kritisch wäre es, wenn im
Internet nicht nur nach Verdächtigen sondern auch nach
Zeugen gefahndet würde. Die dort veröffentlichten Informationen sind stets auf das Notwendigste zu beschränken. Äußerst bedenklich ist auch, wenn Hinweise aus der
Bevölkerung im Internetauftritt der Ermittlungsbehörde
öffentlich einsehbar sind (z. B. in Foren, Chats, sozialen
Netzwerken o. Ä.). Werden auf diese Weise Verdachtsmomente veröffentlicht, belastet dies den Betroffenen
stets in unangemessener Weise, insbesondere, wenn sich
später seine Unschuld herausstellt.
Das BKA betreibt eine Fanseite bei „Facebook“. Es zeigt
dabei aber große Zurückhaltung, denn bislang hat es diese
Seite nur in dem Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder
des „Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)“ genutzt. Dabei geht es um besonders schwerwiegende Delikte. Bei Facebook-Fahndungen sind jedoch nicht nur die
besonderen strafprozessualen Anforderungen zu beachten. Vor allem ist zu fragen, wie mit den Daten derjenigen
umgegangen wird, die das Angebot aufrufen (Nutzerdaten). Das BKA hat Maßnahmen getroffen, um die datenschutzrechtlichen negativen Auswirkungen zu begrenzen.
Deaktiviert sind Pinnwand- und Teilenfunktion in den
Fahndungsaufrufen und das Senden von Nachrichten. Zu
den eigentlichen Fahndungen verlinkt die Facebook-Seite
auf die Website des BKA, enthält also nicht selbst die
Fahndungsinformation. Dadurch werden zwar die Daten
der Besucher minimiert. Allerdings kann so nicht verhindert werden, dass Cookies gesetzt und über den „Gefälltmir“-Knopf IP-Adressen an Facebook übertragen werden. Auch ungefragt wird die Nutzungsanalyse mit Hilfe
von „Facebook Insights“ durchgeführt.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Falls sie dies nicht für ausreichend erachten, müssen
sie einen Betreiber auswählen, der deutsches Datenschutzrecht einhält.
– Die jeweilige Polizeibehörde bzw. Staatsanwaltschaft
muss ihre datenschutzrechtliche Verantwortung wahrnehmen können (Herrin des Verfahrens). Dies gilt
sowohl für die Erstveröffentlichung des Fahndungsaufrufs als auch für die weitere Behandlung (z. B. Löschung). Es muss vollständig erkennbar sein, welche
Daten der Anbieter des Netzwerks verarbeitet.
7.4.8

Darf das BKA bei datenschutzrechtlichen Auskunftsersuchen
Ausweiskopien verlangen?

Das Bundeskriminalamt verlangt für Auskünfte an die Betroffenen eine beglaubigte Ausweiskopie. Dies ist nicht zu
beanstanden.
Jeder Bürger hat einen Auskunftsanspruch über zu seiner
Person beim Bundeskriminalamt (BKA) gespeicherte Daten. Das BKA verlangt hierfür eine beglaubigte Kopie des
Personalausweises oder Reisepasses der Betroffenen. Es
lässt auch eine polizeilich bestätigte Kopie der o. g. Ausweise als Nachweis gelten. Diesen Nachweis erhalten
Betroffene bei ihrer örtlichen Polizeidienststelle. Dort
können Betroffene zu den täglichen Bürozeiten von ihren
o. g. Ausweisdokumenten eine Kopie und das Original
vorlegen und sich ihre Identität auf der Kopie von der
Polizei bestätigen lassen. Nur die Polizeidienststellen in
Berlin vergeben diesen Nachweis nicht. Da das Bundeskriminalamt nicht alle Merkmale des Ausweises zur Identifizierung benötigt, können die Seriennummer und das
Passbild geschwärzt werden. Ich habe dieses Verfahren
akzeptiert, da es dem Nachweis der Identität von Betroffenen und der Vermeidung von Verwechslungen dient.
Dadurch soll auch vermieden werden, dass sensible Daten unter Umständen an Personen versandt werden, die zu
deren Empfang nicht berechtigt sind. Das BKA darf diese
Ausweiskopien nicht dauerhaft aufbewahren und nur zu
dem Zweck verwenden, zu dem sie angefordert worden
sind.
Zukünftig könnten Betroffene ggf. auch mittels der eIDFunktion des neuen Personalausweises (vgl. Nr. 8.5) gegenüber Behörden ihre Identität nachweisen; Ausweiskopien und andere Identitätsnachweise wären dann nicht
mehr erforderlich. Soweit ist das BKA aber noch nicht.
7.4.9

Forschungsdaten

Das Bundeskriminalamt möchte Fingerabdruckdaten für
ein Forschungsprojekt weitergeben und hat mich um datenschutzrechtliche Beratung gebeten.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes
und der Länder hat gegenüber der Innenministerkonferenz und der Justizministerkonferenz in einem Schreiben
auf wesentliche Eckpunkte hingewiesen:

Bevor das Bundeskriminalamt (BKA) Fingerabdruckdaten für Forschungszwecke weitergab, hat es sich mit mir
in Verbindung gesetzt. Gemeinsam konnten wir eine datenschutzgerechte Lösung finden.

– Die Polizeibehörden müssen vorrangig prüfen, ob sie
eigene Internetseiten schalten können, bevor sie soziale Netzwerke in Anspruch nehmen.

Fingerabdruckdaten sind personenbezogene Daten. Dies
gilt auch dann, wenn sie nicht mit weiteren, identifizierenden Daten verbunden sind (z. B. Personennamen). Denn

BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012

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