Drucksache 16/12600
– 90 –
K a s t e n zu Nr. 7.1
Entschließung der 76. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
am 6./7. November 2008
Datenschutzgerechter Zugang zu Geoinformationen
Die Einführung einer einheitlichen Geodateninfrastruktur und die Veröffentlichung der staatlichen Daten eröffnen ein großes Potential an volkswirtschaftlichem
Nutzen und ist geeignet, vielen E-Government- und
E-Commerce-Anwendungen die erforderliche Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Als einen ersten
Schritt regelt das europäische Recht mit der so genannten INSPIRE-Richtlinie, die bis Mai 2009 in nationales
Recht umgesetzt werden muss, die Bereitstellung von
amtlichen Geodaten nach einheitlichen Standards für
europaweite behördliche, kommerzielle und private
Nutzungen.
Durch diese neue Infrastruktur werden georeferenzierbare Angaben auf Grund der Erschließungsmöglichkeit
über Wohnanschriften oder Eigentümer- bzw. Standortdaten als personenbezogene Daten zur Verfügung gestellt.
Diesem Umstand müssen die gesetzlichen Regelungen
gerecht werden und angemessene Datenschutzregelungen enthalten.
Bei der Bereitstellung amtlicher Geodaten ist sowohl
nach der europäischen Richtlinie als auch nach deutschem Verfassungsrecht der Schutz personenbezogener Daten angemessen zu gewährleisten. Der Entwurf
der Bundesregierung zur Umsetzung dieser Richtlinie
in einem Geodatenzugangsgesetz (Bundestagsdrucksache 16/10530) sieht eine entsprechende Anwendung
der Schutzvorschriften des Umweltinformationsgesetzes
vor. Im Gegensatz zum einzelfallbezogenen Zugang
nach den Umweltinformationsgesetzen birgt der im Entwurf eines Geodatenzugangsgesetzes vorgesehene massenhafte Abruf solcher Daten aber ein höheres datenschutzrechtliches Gefährdungspotenzial. Der Verweis
auf das Umweltinformationsgesetz ist nach Ansicht der
Konferenzen der Datenschutz- und der Informationsfreiheitsbeauftragten des Bundes und der Länder deshalb nicht interessengerecht. Ein Geodatenzugangsgesetz muss einen differenzierenden Ausgleich zwischen
Informations- und Schutzinteressen für die spezielle
Problematik der Geobasis- und der Geofachdaten vornehmen. Es ist insbesondere zu berücksichtigen, dass
nach der INSPIRE-Richtlinie die Zugangsmöglichkeit eingeschränkt werden soll, wenn der Zugang nachteilige
Auswirkungen auf die Vertraulichkeit personenbezogener Daten haben kann.
Beim Zugang der Öffentlichkeit zu Geodaten nach dem
GeoZG wird auf Regelungen im Umweltinformationsgesetz (UIG) verwiesen. Der Zugang zu personenbezogenen
Daten darf danach nur versagt werden, wenn Interessen
der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden. Die
Übernahme der Zugangsregelungen aus dem Umweltinformationsrecht verkennt, dass beim Zugang zu Geo-
BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
daten nach dem GeoZG ein höheres Gefährdungspotential für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
gegeben ist: Während der Zugang nach dem UIG grundsätzlich nur auf Antrag im Einzelfall gewährt wird, stehen
die Geodaten nach dem GeoZG für einen massenhaften
Abruf zur Verfügung. Der Verweis auf das UIG ist deshalb nicht angemessen und lässt die in der INSPIRERichtlinie vorgesehenen weiteren Möglichkeiten zum
Schutz der Persönlichkeitsrechte unberücksichtigt (s. Entschließung der 76. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 6./7. November 2008,
Kasten zu Nr. 7.1)
7.2
Ihr Haus im Internet?
Den Dienst „Street View“ bietet der Suchmaschinenkonzern Google seinen Nutzern als Ergänzung seines Stadtplandienstes „Google Maps“ an. Mit der Erweiterung
können Anwender virtuell durch die Häuserzeilen von
Städten wandern. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen
auf die Persönlichkeitsrechte von Eigentümern, Bewohnern und abgebildeten Personen.
In den USA zeigt der Dienst schon jetzt aus der Bodenperspektive 360-Grad-Ansichten von Straßen in über
40 Städten und hat auch dort wegen potenzieller Verletzung der Privatsphäre für Diskussionen gesorgt. In den
USA ist das Ablichten von Straßenszenen legal, nur Detailaufnahmen von öffentlichen Plätzen sind nicht erlaubt.
Google plant nun diesen Service auch auf europäische
Großstädte auszudehnen. In Deutschland sind die Kamerawagen von Google schon in München, Berlin und
Frankfurt am Main unterwegs gewesen.
Vergleichbare Daten sind zwar schon vor Jahren angeboten worden, allerdings per CD. Bereits damals haben sich
hieran datenschutzrechtliche Diskussionen entzündet
(vgl. 18. TB Nr. 31.3). Neu ist an „Street View“, dass
diese Daten kostenlos weltweit online verfügbar gemacht
werden sollen. Das hat erhebliche datenschutzrechtliche
Auswirkungen.
In mit dem Diensteanbieter geführten Diskussionen habe
ich deutlich gemacht, dass das Unternehmen die Persönlichkeitsrechte wahren muss. Das heißt in erster Linie,
dass die Personen so verfremdet werden, dass sie nicht
identifiziert werden können. Dies gilt auch für zufällig ins
Bild geratene Personen, da auch in diesem Falle personenbezogene Daten erhoben werden. Ein Personenbezug
ist selbst dann gegeben, wenn nur wenige Betrachter die
dargestellten Personen identifizieren können. So sind in
Abhängigkeit von besonderen Eigenschaften einer aufgenommenen Person (z. B. ein auffälliges äußeres Erscheinungsbild) Fälle denkbar, in denen nach sozialüblichen
Maßstäben nicht ausgeschlossen werden kann, dass sogar
Google einen Personenbezug herstellen kann. Auch der
Bildkontext kann die Identifizierung erleichtern, etwa
wenn eine Person in ihrem Wohn- oder Arbeitsumfeld
aufgenommen wird.
Zudem kann eine Unkenntlichmachung technisch – zumindest derzeit – noch nicht vollständig umgesetzt
werden. Google hat angekündigt, die in Aufnahmen dargestellten Personen sowie KfZ-Kennzeichen besser un-