Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
– 77 –
Selbstbestimmung darstellen, an dessen Verhältnismäßigkeit Zweifel erlaubt sind. Verstärkt werden meine Zweifel
durch den geplanten Aufbau des europäischen VIS, das
den Sicherheitsbehörden ebenfalls weit reichende Zugriffsrechte auf Daten von Visum-Antragstellern und zugehörigen Referenzpersonen einräumt (vgl. Nr. 13.3.5).
Auch den zunächst im Entwurf vorgesehenen, die Speicherung der Warndaten veranlassenden Straftatenkatalog
habe ich als zu umfassend kritisiert, da er auch Straftaten
mit geringerem Unrechtsgehalt enthielt. Zudem ließen
sich nicht sämtliche der aufgeführten Delikte den einschlägigen Kriminalitätsbereichen, deren Verhinderung
das Gesetz zum Ziel hat, zuordnen. Ein umfangreicher
Straftatenkatalog würde zu einer „Quasi-Spiegelung“
großer Teile des Bundeszentralregisters führen, ohne dass
die dort geltenden Beschränkungen und Sicherungen des
sensiblen Datenbestandes auf die Warndatei übertragen
würden.
Es bleibt abzuwarten, ob das Vorhaben noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden kann. Bei
Redaktionsschluss war das Gesetzgebungsverfahren jedenfalls noch nicht abgeschlossen.
5.8
Die Bundesbeauftragte für die
Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU)
Neben den Anträgen auf Akteneinsicht stellt die Verwendung der Unterlagen für die politische und historische
Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes
oder der Herrschaftsmechanismen der ehemaligen DDR
einen meiner Kontrollschwerpunkte dar.
Als Ergebnis zweier Beratungs- und Kontrollbesuche bei
Außenstellen der BStU kann ich erneut festhalten, dass
die Mitarbeiter der BStU sich durch Sensibilität und Gewissenhaftigkeit im Umgang mit den personenbezogenen
Daten auszeichnen.
Neben dem einwandfreien Arbeitsablauf für einen Antrag
auf Akteneinsicht habe ich den Sachbereich „Verwendung von Unterlagen für die politische und historische
Aufarbeitung“ nach § 32 Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG)
geprüft. Auf der Grundlage von Eingaben habe ich insbesondere erörtert, inwieweit die Antragsteller von Forschungsvorhaben eine Belehrung erfahren, dass die zur
Verfügung gestellten Unterlagen ausschließlich für den
beantragten Zweck der politischen und historischen Aufarbeitung verwendet werden dürfen und dass Veröffentlichungen der Forschungsergebnisse den strengen Anforderungen des StUG entsprechen müssen. Ich begrüße es,
dass die BStU zu einer Vielzahl von Vorschriften des
StUG Auslegungsvorschriften und Anwendungshinweise
erlassen hat, so auch zu diesem Fragenkomplex, um zum
einen der Sensibilität der Materie gerecht zu werden und
zum anderen eine einheitliche und juristisch belastbare
Anwendung der einschlägigen Rechtsgrundlagen in der
Zentrale und in allen Außenstellen sicherzustellen. Die
Vorschriften zu § 32 StUG sowie die zu § 34 StUG (Verwendung von Unterlagen durch Presse, Rundfunk und
Film) werde ich wegen ihrer datenschutzrechtlichen Bedeutung im Detail prüfen.
Drucksache 16/12600
In organisatorischer Hinsicht gilt mein besonderes Augenmerk den technischen Fortschritten der Bearbeitungsverfahren durch Einsatz moderner IT-Bürokommunikation und anderer IT-Anwendungen. Auch insoweit war
ein hohes Niveau an Datenschutz und Datensicherheit
festzustellen. Jedoch sind im Bereich des Dokumentenmanagements zur Bescheiderteilung Verbesserungen bei
Datenspeicherung und Löschung erforderlich, die ich im
Einzelnen mit der BStU erörtere.
5.9
Dopingbekämpfung
Auch bei der Dopingbekämpfung darf der Datenschutz
nicht vergessen werden.
Zahlreiche Dopingfälle im Leistungssport haben dazu geführt, dass die Bekämpfung des Dopings zunehmend an
Bedeutung gewinnt. Im Rahmen von Dopingkontrollen
und zur Dopingprävention werden zunehmend persönliche Daten über Sportlerinnen und Sportler erhoben, gespeichert, übermittelt und ausgewertet. Diese Entwicklung hat mich veranlasst, mich verstärkt der Problematik
des Datenschutzes bei der Dopingprävention und -verfolgung zu widmen.
Die Bekämpfung des Dopings im Sport ist zweifellos ein
wichtiges Ziel. Schon jetzt besteht in diesem Bereich eine
hohe Kontrolldichte, die mit erheblichen Belastungen des
Persönlichkeitsrechts des jeweiligen Sportlers verbunden
ist. Für Dopingkontrollen werden Daten erhoben, die sehr
sensibel sind und weit reichende Rückschlüsse auf die
Gesundheit und Persönlichkeit der Sportler erlauben: einerseits das zu untersuchende biologische Material selbst,
andererseits aber auch Angaben, die von den Sportlern im
Vorfeld der Kontrollen verlangt werden, wie etwa Aufenthaltsdaten zur Ermöglichung von Spontankontrollen
oder Krankheits- und Behandlungsdaten für medizinische
Ausnahmegenehmigungen. Durch die Errichtung neuer
Datenbanken – insbesondere des von der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) in Kanada verwalteten, webbasierten und somit weltweit zugänglichen Informationssystems ADAMS („Anti-Doping Administration and
Management System“, vgl. Kasten zu Nr. 5.9) – und die
Vielzahl beteiligter Kontrollorganisationen entsteht hier
eine große Datenmenge, die vor unberechtigtem Zugriff,
Missbrauch und Manipulation zu schützen ist.
Angemessene Datenschutzregelungen sind daher auch
hier unerlässlich. Die WADA hat inzwischen einen internationalen Datenschutzstandard zum Welt-Anti-DopingCode beschlossen, der am 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist. Die Artikel-29-Gruppe hatte in einer Stellungnahme (WP 156 vom 1. August 2008) ein solches Regelwerk grundsätzlich begrüßt, allerdings festgestellt, dass
die konkrete Ausgestaltung in mehreren Punkten europäischen Datenschutzstandards nicht entspricht. Außerdem
fehlt es dort an detaillierten Regelungen für die Datenbank ADAMS. Eine Überarbeitung des WADA-Datenschutzstandards erscheint daher dringend erforderlich.
Ich stehe mit dem BMI und der Nationalen Anti-DopingAgentur (NADA) im Kontakt, um die entsprechenden
Belange des Datenschutzes auch in weiteren europäischen Gremien zu unterstützen und verstärkt in die nationale Anti-Doping-Diskussion einzubringen.
BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008