Drucksache 16/12600
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dungen, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild durch
das Fehlen eines Absenders gekennzeichnet waren. Dieses Aussonderungskriterium schloss aus, dass bei der Inaugenscheinnahme durch Polizeibeamte der briefliche
Kommunikationsvorgang zwischen identifizierbaren Personen bewusst zur Kenntnis genommen wurde. Das kurzzeitige Betrachten eines Briefumschlags zur Feststellung
des Vorhandenseins einer Absenderangabe stellt keine
staatliche Kenntnisnahme oder Erfassung eines Kommunikationsvorganges und damit keinen Eingriff in das
durch Artikel 10 GG geschützte Brief- und Postgeheimnis dar. Auch die Art und Weise der Öffnung des beschlagnahmten Briefes entsprach dem Regelungsgehalt
des § 100 Absatz 3 StPO.
Im Zusammenhang mit der Durchführung einer Telekommunikationsüberwachung von Anschlüssen einer Anwaltskanzlei habe ich kontrolliert, inwieweit das damit
beauftragte BKA die einschlägigen gesetzlichen Regelungen sowie den zugrunde liegenden Beschluss des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof beachtet hatte. Von
Interesse war vor allem, wie den schützenswerten Belangen von Mandanten des Anwaltsbüros bei erkennbar
nicht verfahrensrelevanten Gesprächsinhalten vor dem
Hintergrund der Vorgaben des richterlichen Beschlusses
Rechnung getragen wurde.
Zwar habe ich mich davon überzeugen können, dass bei
der Durchführung der Überwachung und Aufzeichnung
der Telekommunikation durch das BKA der Grundsatz
der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit beachtet
wurde. Die vom BKA zum Schutz von nicht verfahrensrelevanten Mandantengesprächen veranlassten Maßnahmen entsprachen hingegen nicht den Vorgaben des
Ermittlungsrichters in der Begründung des Überwachungsbeschlusses. Während dort ausgeführt war, dass
auch Uhrzeit und Dauer der Verbindung nicht einsehbar
sein sollen, waren diese Angaben beim BKA für die
Sachbearbeiter jederzeit abrufbar. Lediglich Telefonbzw. Faxnummern der Verbindungspartner waren unkenntlich gemacht.
Die Generalbundesanwaltschaft vertrat hierzu die Auffassung, dass damit dem Schutz von nicht verfahrensrelevanten Mandantengesprächen Genüge getan sei. Der
maßgebliche Rahmen für die Durchführung richterlich
angeordneter Ermittlungshandlungen ergebe sich allein
aus dem Tenor des richterlichen Beschlusses, nicht jedoch aus seinen Gründen. Soweit dort erwähnt sei, dass
Uhrzeit und Dauer eines mit einem Beweisverwertungsverbot belegten Telefongesprächs nicht einsehbar sein
sollen, handele es sich lediglich um eine nicht verbindliche Durchführungsanweisung.
Ich vertrete hingegen die Auffassung, dass die richterliche Anordnung der Überwachung und Aufzeichnung der
Telekommunikation im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens, die gemäß § 100b Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 StPO
u. a. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme anzugeben
hat, für die beantragende Strafverfolgungsbehörde auch
hinsichtlich ihrer Begründung bindend ist. Zwar schien in
BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
dem konkreten Fall der Schutz nicht verfahrensrelevanter
Mandantengespräche dadurch erreicht zu sein, dass die
Telefon- bzw. Faxnummer der Verbindungspartner nicht
einsehbar war. Gleichwohl hatte die Generalbundesanwaltschaft bzw. das BKA die richterliche Anordnung
nicht beachtet, auch Uhrzeit und Dauer dieser Gespräche
unkenntlich zu machen.
Auf meinen Hinweis hin wurden im BKA auf Anordnung
der Staatsanwaltschaft schließlich die Verbindungsdaten
und Gesprächsinhalte sämtlicher mit einem Beweisverwertungsverbot belegten Verbindungen gelöscht.
4.6
Bundeszentralregister beim Bundesamt
für Justiz
Durch Novellierung des Bundeszentralregistergesetzes
(BZRG) soll die Erteilung eines „erweiterten Führungszeugnisses“ für Personen ermöglicht werden, die aufgrund beruflicher oder ehrenamtlicher Tätigkeit in einem
besonderen Näheverhältnis zu Kindern und Jugendlichen
stehen.
Das BMJ hat Ende 2008 den Referentenentwurf eines
Fünften Gesetzes zur Änderung des BZRG vorgelegt,
welcher das Ziel verfolgt, den Schutz von Kindern und
Jugendlichen vor Straftaten zu verbessern, insbesondere
dann, wenn diese Straftaten in der Ausübung beruflicher
oder ehrenamtlicher Tätigkeiten mit Minderjährigen geschehen. Diese Zielsetzung unterstütze ich, ebenso wie
den Ansatz des Gesetzentwurfes, das Ziel durch Einführung eines sog. erweiterten Führungszeugnisses nur für
bestimmte Personengruppen, die aufgrund ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit in einem spezifischen
Näheverhältnis zu Kindern und Jugendlichen stehen, zu
erreichen. Mit dieser Problematik hatte sich bereits zu
Beginn des Jahres 2008 der Bundesrat befasst. Auch die
75. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes
und der Länder hat sich im Frühjahr 2008 mit dieser Thematik beschäftigt. In meiner Stellungnahme zu dem Referentenentwurf habe ich allerdings Bedenken hinsichtlich
des Umfangs der in ein erweitertes Führungszeugnis aufzunehmenden Verurteilungen und bezüglich der Normenklarheit der Regelung geäußert. Die Ressortberatungen
waren bei Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossen.
Das Bundeszentralregister, das seit dem 1. Januar 2007
nicht mehr beim Generalbundesanwalt, sondern bei dem
neu gegründeten Bundesamt für Justiz geführt wird, enthält nicht nur Eintragungen zu strafrechtlichen Verurteilungen, sondern auch zu behördlichen und gerichtlichen
Entscheidungen, z. B. sog. „Schuldunfähigkeitsvermerke“ infolge gerichtlicher Freisprüche wegen Schuldunfähigkeit. Somit umfasst das Bundeszentralregister
personenbezogene Daten von äußerst sensiblem Charakter, die nur einem eng begrenzten Empfängerkreis bekannt gemacht werden dürfen. Um dies sicherzustellen,
enthalten das BZRG und die einschlägigen Verwaltungsvorschriften eine Vielzahl verfahrenssichernder Regelungen.