Drucksache 16/12600
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formationssystem der Verfassungsschutzbehörden des
Bundes und der Länder (NADIS) durch die Aufnahme
weiterer gemeinsamer Textdateien und multimedialer Dateien zu einer noch umfassenderen Informationsplattform
für alle deutschen Verfassungsschutzbehörden ausgebaut
werden.
Die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Polizei
und Nachrichtendiensten wirft bedeutsame datenschutzrechtliche Fragen auf. So ist jeweils zu klären, ob die
Änderung von Zuständigkeiten, die Zuweisung neuer Befugnisse oder die Einrichtung neuer technischer Infrastrukturen das verfassungsrechtliche Trennungsgebot von
Polizei und Nachrichtendiensten beeinträchtigt. Auch die
angestrebte Optimierung der Zusammenarbeit darf nicht
dazu führen, dass unklare oder überlappende Zuständigkeiten entstehen oder dass es zur unzulässigen Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten kommt. Hierauf
werde ich auch zukünftig weiterhin strikt achten.
4.2.1
Bündelung der Telekommunikationsüberwachung beim Bundesverwaltungsamt
Das Vorhaben des BMI, Einrichtungen zur Telekommunikationsüberwachung durch Polizeien und Nachrichtendienste des Bundes und der Länder beim Bundesverwaltungsamt (BVA) zusammenzufassen, begegnet
datenschutzrechtlichen Bedenken.
Das Vorhaben, die Telekommunikationsüberwachung zu
bündeln, in dem gemeinsame technische Anlagen zur
Durchführung dieser verdeckten Datenerhebungsmaßnahme in einem Servicezentrum beim BVA bereitgestellt
werden, sehe ich angesichts der unterschiedlichen Aufgaben und Befugnisse von Polizei und Nachrichtendiensten
kritisch. Es besteht die Gefahr, dass dabei die Grenzen
dieser unterschiedlichen Befugnisse überschritten werden
und das Trennungsgebot verletzt wird. Zumindest würden
derartige Infrastrukturen es erleichtern, die unterschiedlichen Maßnahmen und die dabei gewonnenen Informationen zu verknüpfen. Sollte dieses Projekt weitergeführt
werden, wäre daher darauf zu achten, dass die Maßnahmen der verschiedenen Bedarfsträger von Polizei und
Nachrichtendiensten organisatorisch und technisch strikt
voneinander zu trennen sind. Zudem halte ich eine parlamentarische Begleitung des Projekts für unerlässlich.
Zwar begrüße ich es, dass das BMI beabsichtigt, die Aufgaben und Befugnisse des BVA im Zusammenhang mit
der technischen Unterstützung von Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung auf eine gesetzliche
Grundlage zu stellen. Der Gesetzentwurf enthält bisher
aber keine akzeptablen Vorschläge zur Separierung der
Unterstützungsleistungen des BVA für die verschiedenen
Bedarfsträger von Polizei und Nachrichtendiensten. Vorgesehen ist eine lediglich logische Trennung der Speichermedien über die Speichersoftware. Rein logische
Trennungen von Daten lassen sich aber ohne großen technischen Aufwand wieder aufheben. Angesichts der Bedeutung des Trennungsgebots für die polizeiliche und
nachrichtendienstliche Datenerhebung und -verarbeitung
reicht die allein über die Vergabe von Zugriffsrechten ge-
BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
steuerte Trennung der erhobenen und verarbeiteten Telekommunikationsüberwachungsdaten von Polizei- und
Strafverfolgungsbehörden einerseits sowie Nachrichtendiensten andererseits nicht aus. Hier bedarf es einer weitergehenden technischen Separierung, etwa auf Betriebssystemebene. Zudem muss ausgeschlossen werden, dass
die im Rahmen der technischen Unterstützungsleistung
eingesetzten Mitarbeiter des BVA doppelfunktional, d. h.
gleichzeitig für polizeiliche und nachrichtendienstliche
Bedarfsträger tätig werden. Rein fiskalische Erwägungen
dürfen bei der Organisation und Durchführung von Telekommunikationsüberwachungen, die tief in den Schutzbereich des Artikel 10 GG eingreifen, nicht ausschlaggebend sein.
Daneben müssen noch weitere Fragen einer Lösung zugeführt werden.
Klärungsbedürftig ist u. a., in welchem Umfang das BVA
im Rahmen seiner Beauftragung gegenüber dem jeweiligen Bedarfsträger weisungsgebunden ist. Ich halte es für
problematisch, wenn nach dem Gesetzentwurf das BVA
zwar den fachlichen und gesetzlichen Anforderungen des
jeweiligen Auftraggebers Rechnung zu tragen hat, der
einzelne Bedarfsträger jedoch keinen Anspruch darauf
haben soll, dass das BVA seine technischen Einrichtungen nach dessen Wünschen konfiguriert. Im Hinblick auf
die beim jeweiligen Bedarfsträger verbleibende Verantwortlichkeit bezüglich der Rechtmäßigkeit der Überwachungsmaßnahme sowie der dabei zu beachtenden Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit muss klar
geregelt werden, dass das BVA den Weisungen des jeweiligen Bedarfsträgers zur Ausgestaltung der technischen
Unterstützung, die dieser zur Wahrung seiner jeweiligen
gesetzlichen Verpflichtungen für erforderlich hält, uneingeschränkt unterliegt. Entsprechende Vorkehrungen
können, je nachdem auf welcher Rechtsgrundlage eine
Telekommunikationsüberwachung durchgeführt wird, unterschiedlich hoch sein, so dass ein entsprechendes Auftragsverhältnis in jedem Einzelfall entsprechend ausgestaltet sein muss. Der Bedarfsträger muss zudem die
Möglichkeit haben, in einem laufenden Auftragsverhältnis ergänzende Maßnahmen vom BVA zu verlangen, etwa
aufgrund geänderter Rechtsprechung, oder wegen neuer
technologischer Entwicklungen.
Offen ist auch, in welchem Umfang die technischen Unterstützungsmaßnahmen des BVA protokolliert werden
und wie meine Beteiligungs- und Kontrollrechte bezüglich der Tätigkeit des BVA, etwa wenn das BVA Unterstützung bei Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen nach dem G 10-Gesetz oder für Landesbehörden
leistet, gewährleistet werden.
Bei Redaktionsschluss waren die Ressortberatungen zu
dem Gesetzentwurf noch nicht abgeschlossen.
4.2.2
Anti-Terror-Datei-Gesetz
Im Berichtszeitraum habe ich mich mit der Umsetzung
des Ende 2006 in Kraft getretenen Anti-Terror-Datei-Gesetzes (ATDG) (vgl. 21. TB Nr. 5.1.1) befasst. Im Mittelpunkt stand dabei das Protokollierungsverfahren gemäß