Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
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Bundestag in seiner Entschließung zu meinem 20. TB
vom 17. Februar 2005 (Bundestagsdrucksache 15/4597)
die Bundesregierung auf, bis zum Jahresende zu prüfen,
„ob und wie, etwa durch Regelungen zur Beschränkung
der Profilbildung, zur Begrenzung der zentralen Auskunfteien auf branchenspezifische Auskunftssysteme und zur
Stärkung der Rechtsposition der Betroffenen gegenüber
zentralen Auskunfteien und ihren Vertragspartnern, ein
wirksamer Schutz der Betroffenen“ erreicht werden
könne (vgl. Anlage 4; 21. TB Nr. 9.1).
Der daraufhin vom BMI mit erheblicher Zeitverzögerung
vorgelegte Bericht führte dann im Sommer 2007 zu einem ersten Gesetzentwurf, der aber aus unserer Sicht die
Position der Betroffenen gegenüber Auskunfteien und
Score-Verfahren nicht ausreichend stärkte. Die 74. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der
Länder hat deswegen im Oktober 2007 in einer Entschlie-
Drucksache 16/12600
ßung Nachbesserung bei den Auskunfteiregelungen gefordert (vgl. Kasten c zu Nr. 2.3).
Nach langwierigen Beratungen und zahlreichen Änderungen wurde der Gesetzentwurf (vgl. zur inhaltlichen Bewertung Nr. 3.4.4) im August 2008 von der Bundesregierung beschlossen und dem Bundesrat zugeleitet, der
seinerseits eine Vielzahl von Änderungen vorschlug, die
alle darauf abzielen, den Datenschutz bei Auskunfteien
und Score-Verfahren zu stärken (vgl. Bundesratsdrucksache 548/1/08). Zu meinem Bedauern hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung diese substantiellen
Vorschläge ganz überwiegend nicht aufgegriffen. Die Behandlung des Gesetzentwurfs in den Ausschüssen des
Deutschen Bundestages hatte bei Redaktionsschluss noch
nicht begonnen. Ich hoffe sehr, dass zumindest ein Teil
der Vorschläge des Bundesrats doch noch Eingang in das
Gesetz finden werden.
K a s t e n c zu Nr. 2.3
Entschließung der 74. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
vom 25./26. Oktober 2007
Gesetzesinitiativen der Bundesregierung zu Auskunfteien und Scoring: Nachbesserung bei Auskunfteienregelungen gefordert
Die fortschreitende technologische Entwicklung führt zu immer weiter reichender Erfassung und Verknüpfung von
persönlichen Daten und ermöglicht deren Auswertung für Kontroll- und Präventionszwecke. In der Privatwirtschaft
ist daher ein engmaschiges Netz verschiedener Auskunftssysteme und branchenübergreifender Zentraldateien entstanden, die durch Profilbildung das Verhalten eines jeden Menschen ohne dessen Wissen und Wollen abbilden und
bewerten können.
Vor diesem Hintergrund begrüßt die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, dass das
Bundesministerium des Innern endlich damit begonnen hat, die gesetzlichen Regelungen zu den Auskunfteien zu
überarbeiten und neue Regelungen zum Scoring zu schaffen.
Die vorgesehenen Regelungen zu den Auskunfteien verschlechtern die Rechtsposition der Betroffenen. Sie tragen dem
sich ständig weiter entwickelnden Auskunfteimarkt und den dadurch hervorgerufenen Bedrohungen für das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung nicht hinreichend Rechnung. Ziel einer gesetzlichen Regelung muss es sein, den rasant wachsenden, branchenübergreifenden Datenaustausch zu beschränken. Es kann nicht hingenommen werden, dass
Auskunfteidienste nur einseitig das Informationsinteresse der angeschlossenen Unternehmen bedienen. Sie müssen auch
in stärkerem Maße die schutzwürdigen Belange der betroffenen Bürgerinnen und Bürgern berücksichtigen. Mit der im
Entwurf vorgesehenen Möglichkeit, die Auskunftstätigkeit auf jegliche rechtliche und wirtschaftliche Risiken zu erstrecken, wäre zu befürchten, dass letztlich bei allen vertraglichen Beziehungen – also auch bei Versicherungs- und Arbeitsverträgen – vorab Auskunfteien eingeschaltet werden. Damit würden die allgemeinen Vertragsrisiken im Wirtschaftsleben in nicht mehr angemessener Weise einseitig auf die Kundinnen und Kunden verlagert.
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordert den Gesetzgeber auf, die Situation
der Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich zu verbessern und mit dem Gesetzesvorhaben einen fairen Ausgleich
zwischen den Interessen der Wirtschaft und der betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen. Die Konferenz hält es für dringend erforderlich, die Auskunfteitätigkeit auf kreditorische Risiken zu begrenzen. Zudem fordert die Konferenz, Auskunfteidienste branchenspezifisch zu begrenzen.
Der vorgelegte Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes sieht beim Scoring
nun Ansätze für ein transparenteres Verfahren für die Betroffenen vor. Es muss jedoch darauf geachtet werden, dass
dieser Ansatz auch vorbehaltlos umgesetzt wird. Das Scoring, bei dem mittels einer mathematischstatistischen Formel das zukünftige vertragstreue Verhalten eines Menschen durch einen Zahlenwert ausgedrückt wird, dringt seit Jahren in immer mehr Bereiche des Wirtschaftslebens vor. Den Betroffenen wurde jedoch bisher das Wissen darüber,
wie sich der Score-Wert zusammensetzt, vorenthalten. Diese Praxis soll der Gesetzentwurf beenden. Die Betroffenen
sollen Auskunft darüber erhalten, welche Daten mit welcher Gewichtung in den jeweiligen Score-Wert eingeflossen
sind. Die vorgeschlagenen Regelungen gehen jedoch noch nicht weit genug. Unbedingt zu streichen ist etwa eine im
Entwurf enthaltene Regelung, wonach die Auskunft mit der Begründung verweigert werden kann, es würden Geschäftsgeheimnisse offenbart.
BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008