Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

– 177 –

Drucksache 16/12600
Anlage 10 (zu Nr. 13.8)

Erklärung der Europäischen Datenschutzkonferenz vom 16. bis 18. April 2008 in Rom
Die Europäische Union wird in Kürze über verschiedene
neue Initiativen zur verbesserten Kontrolle von Reisenden in die Europäische Union und aus der Europäischen
Union, diskutieren. Drei von der Kommission vor kurzem
verabschiedete Mitteilungen4 haben zum Ziel, eine solche
Diskussion über die nächsten Schritte zum Border Management, sowie über die Schaffung eines Europäischen
Grenzüberwachungssystems und über die Bewertung von
Frontex in Gang zu bringen.
Zusammen mit den Maßnahmen, die bereits eingeführt
wurden oder bald eingeführt werden sollen, und die auf
eine verbesserte Überwachung von Reisenden für Grenzkontrollen, Visum-Politik und Strafverfolgungsmaßnahmen abzielen, lassen die aktuellen Mitteilungen deutlich
eine Entwicklung in Richtung einer vollständigen Kontrolle und Überwachung von Personen – unabhängig von
ihrer Nationalität – die in das Schengen-Gebiet einreisen
oder ausreisen, erkennen.
Obwohl ein effizientes Border Management für den Schutz
der Union gegen mögliche Bedrohungen notwendig ist,
so darf dies niemals in unverhältnismäßiger Weise die
Rechte und Freiheiten der Reisenden, und vor allem nicht
deren Recht auf Privatsphäre verletzen. Die Überwachung der Reisenden muss wohlbegründet sein und darf
nur in Ausnahmefällen gestattet werden, und dies auch
nur für berechtigte und besondere Zwecke. Jede allgemeine Überwachung stellt nicht hinnehmbare Risiken für
die Freiheit der Einzelnen dar.
Ein anderes Thema, das überdacht werden muss, ist das
zu Grunde liegende Konzept, Reisenden zu misstrauen, in
dem man ausgewählte „vertrauenswürdige“ Reisende von
allen anderen Reisenden isoliert, und die letzteren sogar
als potentielle Straftäter erachtet. Das wird eine Durchleuchtung vor und am Eingang beinhalten, so wie die
Kontrolle der Grenzüberschreitungen und die automati4

KOM (2008) 69 endg.
KOM (2008) 68 endg.
KOM (2008) 67 endg.

sche Verarbeitung spezieller Daten der Reisenden. Dieses
Konzept trägt nicht gerade viel dazu bei, den „symbolischen Effekt, die EU als weltoffen darzustellen“5, zu verwirklichen, so wie es die Mitteilung der Kommission erwähnt, und es ist sogar fraglich, ob dies mit den Werten
der Europäischen Union im Einklang steht.
Die Konferenz hat bereits die Mitglieder der Europäischen Union und die Kommission, den Rat und das Europäische Parlament dazu aufgerufen, zuerst einmal eine
Evaluierung zu fertigen, ob die bereits bestehenden rechtlichen Maßnahmen effektiv umgesetzt und durchgeführt
werden.6 Ein neuer Vorschlag sollte nur dann eingebracht
werden und wenn klare Hinweise vorliegen, die solche
Maßnahmen unterstützen.
Allerdings fand bis jetzt keine solche Bewertung über die
Effektivität der Umsetzung der bestehenden rechtlichen
Maßnahmen statt. Auch wurden keine verlässlichen Hinweise vorgelegt, die die Notwendigkeit neuer Systeme
untermauern. Ebenso wenig wurden Beweise erbracht,
die es erforderlich erscheinen lassen, die aktuellen Initiativen auf diesem Gebiet zu ergänzen.
Die von der Kommission vorgelegten Informationen über
die geplanten Systeme liefern keinen klaren Beweis für
ihre Effektivität. In Bezug auf die direkten und indirekten
Kosten im Hinblick auf die Freiheiten und die Bürgerrechte – ganz abgesehen von den finanziellen Aspekten –
für die Schaffung neuer Systeme wie zum Beispiel das
Einreise-Ausreise-System, sollten auch aussagekräftige
Beweise vorliegen, dass dieses System die beste Antwort
auf das Problem ist, das es in Angriff nehmen soll.
Da dies anscheinend nicht der Fall ist, ruft die Konferenz
die Europäische Union auf, die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit weiterer Maßnahmen im Lichte der
oben erwähnten Kommentare sorgfältig zu überdenken,
und zwar vor allem in Bezug auf die in den Mitteilungen
der Kommission vorgesehenen Vorschläge.
5
6

KOM (2008) 69 endg. Seite 6.
Erklärung von Larnaka über die Verfügbarkeit, Mai 2007

BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008

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