– 81 –
– In einigen Fällen waren die Daten der Betroffenen
nicht in die Personenzentraldatei übernommen worden, obwohl für eine solche Speicherung ausreichend
Daten vorhanden waren. Wegen der Bedeutung, die
eine Speicherung in der Personenzentraldatei vor allem im Hinblick auf die Wahrung des Auskunftsrechts
der Betroffenen hat, habe ich den BND gebeten, künftig bei allen Neuspeicherungen die Relevanz für die
Personenzentraldatei sorgfältiger zu prüfen.
Eine Reaktion des Bundeskanzleramtes bzw. des BND zu
meinem Kontrollbericht steht noch aus.
5.7.7
Auskunftspflicht des Bundesnachrichtendienstes (BND)
Die Auskunftspflicht des BND gegenüber einem Betroffenen gilt für personenbezogene Daten nicht nur in Dateien, sondern auch in Akten.
Nach § 7 Satz 1 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BNDG) hat der BND einem Betroffenen auf
Antrag Auskunft über die zu seiner Person nach
§ 4 BNDG gespeicherten Daten entsprechend § 15 des
Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) zu erteilen.
Ein Petent teilte mit, der BND habe ihm Auskunft zur
Speicherung personenbezogener Daten lediglich in Dateien, nicht jedoch in Akten erteilt. Daraufhin habe ich die
Thematik mit dem Bundeskanzleramt als der zuständigen
Fachaufsichtsbehörde und mit dem BND erörtert. Beide
vertreten die Auffassung, die Auskunftsverpflichtung des
BND erstrecke sich lediglich auf die in Dateien gespeicherten Daten. Sie begründen dies mit dem Wortlaut des
§ 7 Satz 1 BNDG, wonach Auskunft nur über die nach
§ 4 BNDG gespeicherten Daten zu erteilen sei. § 4
Abs. 1 BNDG verweise auf die Vorschrift des
§ 10 BVerfSchG. Dort sei nur die Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten in Dateien
geregelt. Folglich bestehe für den BND im Gegensatz
zum Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und dem
Militärischen Abschirmdienst (MAD) keine Verpflichtung zur Auskunftserteilung über in Akten gespeicherte
personenbezogene Daten eines Betroffenen. Diese Privilegierung des BND entspreche im Übrigen auch dem Willen des Gesetzgebers und trage der gegenüber den anderen Nachrichtendiensten (BfV, MAD) bestehenden
Sonderstellung des BND Rechnung.
Der vom BND behauptete Privilegierungswille des Gesetzgebers ist der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. Der Hinweis auf den Wortlaut des § 7 Satz 1 BNDG
vermag insofern nicht zu überzeugen, als die Regelungen
zum Auskunftsverfahren erst in den parlamentarischen
Beratungen in die Dienstegesetze eingefügt worden sind
und der politische Wille in diesen Beratungen nicht auf
eine Privilegierung des BND, sondern auf das zur Ge-
heimschutzwahrung notwendige Ziel gerichtet gewesen
ist, ein Akteneinsichtsrecht von Petenten zu vermeiden.
Eine mit Hinweis auf die vermeintliche Sonderstellung
des BND beabsichtigte Privilegierung wäre im Übrigen
wegen der zwischenzeitlichen Änderung des Aufgabenund Befugnisrahmens des BND nicht mehr zu legitimieren. Nach der Verabschiedung des BNDG im Jahr 1990
hat sich die Aufgabenstellung dieses Dienstes, nicht zuletzt aufgrund der Terrorismusbekämpfung, wesentlich
verändert. Der Tätigkeitsbereich erstreckt sich zunehmend auf die Erhebung personenbezogener Daten auch
im Inland. Der BND ist nicht mehr nur strategisch aktiv,
sondern mehr und mehr operativ personenbezogen im
Vorfeld der Verbrechensbekämpfung. Diese Entwicklung
wird sich im Zuge der von der Bundesregierung angestrebten Optimierung bzw. Neugestaltung der informationellen Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder (vgl. Nr. 5.1) weiter fortsetzen.
Die Auffassung des Bundeskanzleramtes und des BND
steht auch nicht in Einklang mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. In seinem Beschluss vom
10. Oktober 2000
zur
Auskunftspflicht
nach
§ 15 BVerfSchG hat das Bundesverfassungsgericht die
elementare Bedeutung des Auskunftsanspruchs betont
(vgl. 1 BvR 586/90). Mit der Ausgestaltung von Auskunftsrechten und Auskunftspflichten werde dem durch
Artikel 2 Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung getragen und den Betroffenen die Möglichkeit eröffnet, gerichtlichen Rechtsschutz gegen unrechtmäßigen
Umgang mit ihren Daten in Anspruch zu nehmen. Der
Auskunftsanspruch ist demnach eine zentrale verfahrensrechtliche Sicherung. Die Bedeutung des Auskunftsanspruchs hat sich aufgrund der rasanten technologischen
Entwicklungen und der Veränderungen der praktischen
und rechtlichen Bedeutung des Datengebrauchs in der Informationsgesellschaft noch weiter gesteigert. Eine am
Wortlaut orientierte Auslegung des § 7 Satz 1 BNDG ist
hiermit nicht vereinbar. Im Übrigen wirkt die restriktive
Auffassung des Bundeskanzleramtes und des BND eher
kontraproduktiv. Denn wird die Auskunft durch den BND
gemäß § 15 Abs. 4 BVerfSchG verweigert, kann sich der
Betroffene zwecks Überprüfung an mich wenden, worauf
der gesamte Vorgang einschließlich der personenbezogenen Daten in Akten von mir geprüft wird. Dasselbe gilt,
falls ein Bürger von seinem Petitionsrecht nach § 21 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Gebrauch macht.
Meinem Petitum, § 7 Satz 1 BNDG verfassungskonform
dahingehend auszulegen, dass der BND – ebenso wie das
BfV und der MAD – grundsätzlich auch zur Auskunftserteilung aus Akten verpflichtet ist, sind das Bundeskanzleramt und der BND bisher nicht gefolgt. Im Rahmen der
vom Bundeskanzleramt für Anfang des Jahres 2007 angekündigten Beratungen zur Novellierung des BNDG
werde ich darauf drängen, dass dieser datenschutzrechtliche Mangel durch eine entsprechende Klarstellung des
Gesetzes schnellstmöglich behoben wird.
BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006
R
gilt auch für die Aufnahme von Bildaufnahmen in
Akten, sofern die Voraussetzungen des § 11
Abs. 1 BVerfSchG nicht vorliegen.