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5.2.1

Präventive Aufgaben und Befugnisse für
das BKA

Durch die Föderalismusreform hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz für die Abwehr des internationalen
Terrorismus durch das BKA erhalten (Artikel 73 Abs. 1
Nr. 9a GG).
Das Grundgesetz hatte ursprünglich auf eine Zuweisung
polizeilicher Aufgaben an den Bund verzichtet, um nach
den Erfahrungen mit der Nazi-Diktatur das erneute Entstehen einer mächtigen Zentralpolizei zu vermeiden. Im
Hinblick auf die Bedrohung durch den internationalen
Terrorismus wurde dem Bund im Rahmen der Föderalismusreform allerdings die alleinige Gesetzgebungskompetenz zur Abwehr der Gefahren des internationalen Terrorismus zugebilligt (BGBl. I 2006, S. 2034). Die neue
Bundeskompetenz zur Regelung präventiver Befugnisse
des BKA soll der besonderen Bedrohungslage Rechnung
tragen: Nicht in allen Fällen, in denen z. B. Hinweise zum
internationalen Terrorismus aus dem Ausland kommen,
sei eine örtliche Zuständigkeit einer deutschen Polizeibehörde erkennbar, eine Sachaufklärung aber gleichwohl
veranlasst. Das BKA soll dementsprechend nur in den
Fällen Aufgaben und Befugnisse zur Abwehr des internationalen Terrorismus erhalten, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste
Landesbehörde um eine Übernahme ersucht. Im
Herbst 2006 wurden im Ressortkreis erste Überlegungen
für eine Normierung präventiver Aufgaben und Befugnisse für das BKA im BKA-Gesetz bekannt.
Aus Sicht des Datenschutzes sind in diesem Zusammenhang klare Aufgaben- und Befugnisabgrenzungen zwischen dem BKA und den weiteren Polizeien des Bundes
und der Länder wichtig, damit es nicht zu Doppelzuständigkeiten und damit zu mehrfachen Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht Betroffener wegen identischer Sachverhalte kommt.
Die dem BKA für die Gefahrenabwehr gegen den internationalen Terrorismus eingeräumten Befugnisse müssen
zudem erforderlich und verhältnismäßig sein. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass das BKA im Hinblick auf seine
subsidiäre Zuständigkeit auch in Zukunft nur in wenigen
Fällen zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus tätig werden wird. Vielfach dürften zudem ausreichende Erkenntnisse für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO
vorliegen, so dass in diesen Fällen das BKA die betreffenden Maßnahmen nach der StPO ergreifen könnte. Insbesondere gilt dies im Bereich der Organisationsdelikte
wie den §§ 129a, 129b StGB, bei denen die Tatbestandsmäßigkeit bereits in einem frühen Stadium erfüllt ist.
Ich werde im Gesetzgebungsverfahren darauf dringen,
dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, die es
in seinen Entscheidungen zur akustischen Wohnraumüberwachung (s. o. Nr. 6.2; 20. TB Nr. 5.1.2), zur präventiven Telekommunikationsüberwachung nach dem Außenwirtschaftsgesetz (vgl. 20. TB Nr. 5.4.3) und nach

dem niedersächsischen Polizeigesetz (s. u. Nr. 5.4.1) sowie zur präventiv-polizeilichen Rasterfahndung (s. o.
Nr. 5.2.3) aufgestellt hat, bei der Ausgestaltung entsprechender Eingriffsbefugnisse für das BKA beachtet werden. Zudem halte ich es für geboten, die Erforderlichkeit
und Geeignetheit der dem BKA für die Gefahrenabwehr
eingeräumten Befugnisse nach einer bestimmten Zeit zu
evaluieren und eine entsprechende Evaluierungspflicht in
den Gesetzestext aufzunehmen, zumal die Aufgabenerweiterung für das BKA nicht in der Gefahrenabwehr im
engeren Sinne, sondern in der Straftatenverhütung liegen
wird.
5.2.2

INPOL

Der Ausbau des Informationssystems der Polizeien
Bundes und der Länder (INPOL-neu) war wegen
Fußball-WM 2006 vorläufig ausgesetzt worden. Die
ratungen über die konzeptionelle Weiterentwicklung
Systems wurden inzwischen wieder aufgenommen.

des
der
Bedes

Der Ausbau des im August 2003 unter der Bezeichnung
„INPOL-neu“ in Wirkbetrieb gegangenen Informationssystems der Polizeien des Bundes und der Länder (vgl.
20. TB Nr. 5.2.3) ist wegen der Fußball-WM 2006
(s. u. Nr. 5.2.5) zunächst vorläufig abgeschlossen worden. Die Polizeien des Bundes und der Länder wollten
zur Gewährleistung der Sicherheit dieses Großereignisses auf ein konsolidiertes polizeiliches Informationssystem zurückgreifen können.
Beim Ausbau von INPOL sind u. a. die im Vorgängersystem betriebenen Arbeits- und Recherchedateien in das
neue INPOL-Fall-System überführt worden. Die in diesem Rahmen geführten Falldateien basieren auf einer gemeinsamen Datenstruktur. Sie setzen sich aus einzelnen
Objekten zusammen (z. B. „Sachen“, „Personen“, „Ereignis“), an die jeweils auch Bilder oder importierte Textdateien – wie z. B. Vernehmungsprotokolle – angehängt
werden können. Alle Informationsobjekte einer Datei lassen sich zudem über beliebige Beziehungen verknüpfen
und erlauben eine entsprechende Auswertung der dabei
gewonnenen Erkenntnisse.
Datenschutzrechtlich brisant ist vor allem die Möglichkeit, in den Dateianhängen und in den Objektdatensätzen
Freitexte zu speichern, die anhand frei wählbarer Suchbegriffe recherchierbar sind.
Vor diesem Hintergrund habe ich die Sorge, dass bei
INPOL-Fall-Anwendungen die Freitexte für die polizeiliche Sachbearbeitung im Vordergrund stehen werden, wohingegen den durch die jeweilige Errichtungsanordnung
bezeichneten Datenfeldern kaum noch eine eigenständige
Bedeutung zukommt. Damit würde die Errichtungsanordnung, die den Inhalt einer Datei festlegen soll, in großen
Teilen die ihr zugewiesene Funktion einer „organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorkehrung verlieren,
welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegen wirken“ soll (BVerfGE 65, 1, 44). Zudem
habe ich erhebliche Zweifel, ob dies mit der Regelung des
§ 34 Abs. 1 Satz 1 BKA-Gesetz vereinbar ist. Beim Anhörungsverfahren zu den Falldateien habe ich daher dafür
BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006

ev
i

Bundeskriminalamt

R

5.2

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