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neuen Vergütungssystem wird die Morbiditätsstruktur der
Versicherten der einzelnen Krankenkassen für die Höhe
des von den Krankenkassen an die Kassenärztliche Vereinigung zu zahlenden Honorarvolumens von zentraler Bedeutung sein. Die vorgesehene Ermittlung des für die
Vergütung ausschlaggebenden Behandlungsbedarfs sowie
die Nachverfolgung von Veränderungen der Erkrankungen macht eine Änderung der Regelungen zur Datenverarbeitung erforderlich.
Bereits nach geltendem Recht verfügen die einzelnen
Krankenkassen über alle erforderlichen Daten, die sie zur
Vereinbarung und Durchführung von Vergütungsverträgen erheben, speichern, verarbeiten und nutzen dürfen
(§ 284 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 und Abs. 3 SGB V). Der für
die Krankenkasse verhandlungsführende und vertragschließende Krankenkassenverband verfügt aber nicht
über diese Daten und den Kassenärztlichen Vereinigungen steht nur ein Teil dieser Daten zur Verfügung. Aus
diesem Grunde enthält § 85a Abs. 6 des Gesetzesentwurfes ergänzende Regelungen zur Übermittlung der erforderlichen Sozialdaten von Krankenkassen an die Vertragspartner. Dem Krankenkassenverband wird auch die
Befugnis zur Verarbeitung versichertenbezogener Daten
gegeben, für die Kassenärztlichen Vereinigungen erfolgt
eine entsprechende Ergänzung.
Schon im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Modernisierung der Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz, vgl. 20. TB Nr. 17.1.1) hatte ich gemeinsam
mit allen Landesdatenschutzbeauftragten gefordert, Pseudonymisierungsverfahren bei der versichertenbezogenen
Erhebung von Behandlungs- und Abrechungsdaten einzuführen. Zu meinem Bedauern ist auch im neuen Gesetzesentwurf der Einsatz datenschutzfreundlicher Technologien, beispielsweise durch Pseudonymisierungsverfahren,
nicht vorgesehen. Vor dem Hintergrund der geplanten
Einrichtung weiterer großer Datenbestände halte ich die
Entwicklung pseudonymisierter Verfahren für geboten.
Ich werde mich weiterhin für eine solche datenschutzfreundliche Lösung einsetzen.
13.1.2 Risikostruktur-Ausgleichsverordnung
Mit der Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs
soll die Morbidität aller Versicherten unmittelbar berücksichtigt werden. Aus diesem Grunde sollen zur Feststellung des Morbiditätsrisikos der Versicherten u. a. Daten
über Diagnosen, Indikationen und medizinische Leistungen erhoben werden.
Mit der Einführung des Risikostrukturausgleichs zum
1. Januar 1994 wurde der Ausgabenstandard der gesetzlichen Krankenkassen je nach Alter, Geschlecht, Berufsund Erwerbsfähigkeitsstatus und die Anzahl der beitragsfrei mitversicherten Familienangehörigen festgelegt. In
dem Ausgleichsverfahren wurden auch besonders intensive Behandlungen chronisch erkrankter Menschen berücksichtigt. Aufgrund der ermittelten Werte sollte innerhalb der gesetzlichen Krankenkassen ein finanzieller
Ausgleich durchgeführt werden, um zu verhindern, dass
Kassen mit einem überproportionalen Anteil einkom-
mensschwacher, älterer, kinderreicher oder chronisch erkrankter Versicherte benachteiligt würden (s. 19. TB
Nr. 24.1.2 und 20. TB Nr. 17.1.4).
Mit dem vom BMG vorgelegten Entwurf der
„14. Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung“ soll der Risikostrukturausgleich zielgenauer ausgestaltet werden. Kernstück ist die Festlegung
der zusätzlichen Daten, die neben den bisher schon berücksichtigten Merkmalen Alter und Geschlecht und Bezug einer Erwerbsminderungsrente das Morbiditätsrisiko
der Versicherten unmittelbar kennzeichnen. Abweichend
von den bisherigen Disease-Management-Programmen
werden die Versicherten nicht mehr in gesonderten Versichertengruppen erfasst. Nunmehr soll die Morbidität gemäß der Regelung des § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V
auf der Grundlage von Diagnosen, Diagnosegruppen, Indikationen, Indikationsgruppen, medizinischen Leistungen oder Kombinationen dieser Merkmale unmittelbar
berücksichtigt werden. Mit dem beabsichtigten Einstieg
in die direkte Morbiditätsorientierung wäre die Erfassung
in gesonderten Versichertengruppen im Rahmen der
Disease-Management-Programme nicht mehr erforderlich.
Da die direkte Morbiditätsorientierung von der gesetzlichen Regelung des § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V auf
der Grundlage von Diagnosen und Arzneimittelwirkstoffen vorgesehen ist, habe ich meine datenschutzrechtlichen
Bedenken gegen die beabsichtigten umfangreichen Datenerhebungen einschließlich der Möglichkeit, die erhobenen Daten miteinander zu verknüpfen, zurückgestellt. Im
Rahmen meiner Mitarbeit an der 14. Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung habe
ich aber darauf gedrungen, dass die vorgesehenen Regelungen zur Datenerhebung so klar wie möglich gefasst
werden. Ein weiteres datenschutzrechtliches Anliegen
war die strikte Zweckbindung der erhobenen Daten ausschließlich für die Zwecke der Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs sowie klare Löschungsregelungen.
Im Hinblick auf die durch die Neuregelung des Risikostrukturausgleichs erheblich ausgeweitete Verarbeitung
und Nutzung sensibler medizinischer Daten erwarte ich,
dass das neue Verfahren hinsichtlich seiner Wirkung und
Angemessenheit evaluiert wird, sobald entsprechende Erfahrungen vorliegen.
13.1.3 Datenerhebung ohne gesetzliche Grundlage? – „Selbstauskunftsbögen“ der
Krankenkassen
Die Krankenkassen dürfen personenbezogene Daten nur
im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse erheben. Darüber hinaus erbetene Selbstauskünfte der Versicherten
und darauf basierende Erhebungen bei Ärzten unter
Rückgriff auf entsprechende Schweigepflichtentbindungserklärungen sind datenschutzrechtlich äußerst bedenklich.
Mit der Erhebung medizinischer Daten durch gesetzliche
Krankenkassen habe ich mich in der Vergangenheit häufig beschäftigen müssen (vgl. 18. TB Nrn. 21.3; 19. TB
Nrn. 24.1.4, 24.2.2; 20. TB Nrn. 17.1.5, 17.1.6, 17.2.1).
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BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006