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Vermieter wenden sich z. B. vermehrt an Auskunfteien,
um ein allgemeines und umfassendes Bonitätsprofil über
einen Mietinteressenten zu erhalten.

9.2

Auch können sich Versicherungen, Ärzte etc. zunächst
über die „weiße Weste“ ihrer Kunden oder Patienten informieren, bevor sie mit den Betroffenen Vertragsverhältnisse eingehen.

Die Umsetzung der Eigenkapitalvereinbarung Basel II
führt erstmals zu einer gesetzlichen Regelung des Ratingverfahrens. Wird sie auch Einfluss auf eine gesetzliche
Regelung zum Scoreverfahren haben?

Durch gesetzliche Klarstellung sollte dafür gesorgt werden, dass umfassende Zentraldateien durch branchenspezifische Auskunftssysteme abgelöst werden. Um auch
dem Schutzbedürfnis einzelner Wirtschaftssparten angemessen Rechnung zu tragen, sollte ihnen die Möglichkeit,
sich über das Vorverhalten des potentiellen Vertragspartners zu informieren, nicht gänzlich verwehrt werden.
Derartige Systeme sollten branchenspezifisch beschränkt
werden. Das bedeutet, dass z. B. ein Vermieter Auskünfte
darüber erhalten darf, ob der potentielle Mieter in früheren Mietverhältnissen negativ aufgefallen ist; nicht aber,
ob dieser eine Versandhausrechnung nicht bezahlt hat.
Derartige branchenspezifische Ansätze haben sich im
Ausland bewährt, etwa in Frankreich, das ein derart umfangreiches Auskunftssystem, wie es sich in Deutschland
etabliert hat, nicht kennt.
Folgenbeseitigungsanspruch
Bislang steht der Betroffene elektronischen Warnsystemen weitgehend schutzlos gegenüber. Eingaben belegen,
dass viele Bürger ohne eigenes Fehlverhalten in elektronische Warnsysteme geraten, sei es aufgrund einer Verwechslung oder durch nachlässiges oder nicht vertragskonformes Meldeverhalten von Teilnehmern solcher
Systeme und/oder mangelnder Prüfung der Korrektheit
der eingemeldeten Daten durch die Systembetreiber.
Selbst wenn ein Datum als fehlerhaft erkannt und dies berichtigt wird, weiß der Betroffene nicht, an wen das Datum bereits übermittelt wurde und welcher Schaden dadurch bereits entstanden ist.
Dem könnte durch Einführung eines gesetzlichen Folgenbeseitigungsanspruchs in das BDSG entgegengewirkt
werden. Dieser müsste bei Weitergabe unrichtiger Informationen oder bei rechtswidrigen Übermittlungen (z. B.
bestrittener Forderungen) der verantwortlichen Stelle aufgeben, daraus resultierende Folgen für den Betroffenen
zu beseitigen und zwar nicht nur im eigenen System, sondern auch überall dort, wo sich durch Fortpflanzung des
Fehlers für den Betroffenen nachteilige Auswirkungen ergeben haben können. Konkret bedeutet dies, dass die
Auskunfteien alle Stellen, an die sie das unrichtige Datum
übermittelt haben, von der Unrichtigkeit verständigen
müssen. Wenn das unrichtige Datum in einen Scorewert
eingeflossen ist, so müsste dieser in berichtigter Form erneut an den Empfänger übermittelt werden. Dieser hätte
dann dafür zu sorgen, dass negative Folgen, die sich aus
dem falschen Scorewert für den Betroffenen ergeben haben, ebenfalls beseitigt würden.

Umsetzung von Basel II schafft eine
gesetzliche Grundlage zum Ratingverfahren der Kreditinstitute

Mit dem Gesetz zur Umsetzung der neugefassten Bankenrichtlinie und der Kapitaladäquanzrichtlinie (BGBl. I
S. 2606) vom 17. November 2006 wurden inzwischen
die Vorgaben von Basel II (vgl. 20. TB Nr. 11.5.3) in
deutsches Recht umgesetzt. Dabei geht es nicht um die
Bewertung der individuellen Kreditwürdigkeit eines
Kunden im Rahmen konkreter Kreditentscheidungen.
Vielmehr liegt der Schwerpunkt der neuen Vorschriften
in der Ermittlung der Angemessenheit der Eigenmittelausstattung der Kreditinstitute und den hierfür künftig
zur Verfügung stehenden Verfahren. Der Gesetzgeber
gibt den Instituten dabei Vorgaben für die Nutzung unterschiedlicher Risikomessverfahren und für die Heranziehung sowohl externer Ratings als auch interner Schätzungen. Insbesondere die internen Schätzverfahren
basieren auf der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten durch die Institute. Aus diesem Grund ist
in § 10 Abs. 1 Sätze 3 bis 8 Kreditwesengesetz (KWG)
erstmals eine bereichsspezifische Regelung für den Umgang mit personenbezogenen Daten im Zusammenhang
mit den Risikomessverfahren geschaffen worden, an deren Entstehung ich maßgeblich mitgewirkt habe (vgl.
Kasten zu Nr. 9.2).
Diese Regelung trägt einerseits dem Interesse der Institute und der Bankaufsicht am Aufbau und Betrieb solcher Systeme Rechnung, berücksichtigt andererseits aber
auch die schutzwürdigen Interessen der Kunden. So werden Datenerhebung und Datenverwendung grundsätzlich nur in dem Umfang zugelassen, in dem diese Daten
für den Aufbau und Betrieb des internen Ratingsystems
erforderlich sind (Satz 3 Nr. 2). Darüber hinaus müssen
diese Daten unter Zugrundelegung eines wissenschaftlich anerkannten mathematisch-statistischen Verfahrens
nachweisbar bonitätsrelevant sein (Satz 1 Nr. 1). Die in
Frage kommenden bonitätsrelevanten Daten wie Einkommens-, Vermögens- und Beschäftigungsverhältnisse
sind in einer Aufzählung von Kategorien enthalten
(Satz 6); bedauerlicherweise ist diese Aufzählung nicht
abschließend geregelt. Die Verwendung besonders sensibler Daten im Sinne von § 3 Abs. 9 BDSG wird jedoch ausgeschlossen. Die Daten sind nach Satz 7 zunächst beim Betroffenen zu erheben, allerdings ist auch
der Zugang zu anderen Datenquellen wie z. B. Auskunfteien zulässig. Letzteres sehe ich sehr kritisch, weil die
Gefahr besteht, über diese Quellen Daten in das Ratingsystem einzuführen, die den strengen Maßstäben der Bonitätsrelevanz nicht genügen.
Eine wichtige Frage blieb offen. Die neue Vorschrift des
§ 10 Abs. 1 KWG dient zwar allein der Implementierung
eines bankaufsichtsrechtlich notwendigen Ratingsystems,
regelt aber gleichzeitig den Umgang mit genau den perso-

R

ev

BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006

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