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BMF geäußerten Bedenken und eine entsprechende Entschließung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und
der Länder (vgl. Anlage 14) nicht berücksichtigt wurden.
Auch ein Schreiben des Vorsitzenden der Datenschutzkonferenz des Bundes und der Länder vom 5. Dezember
2006, das nochmals die datenschutzrechtlichen Probleme
aufzeigte, hat den Bundesrat nicht davon abgehalten, der
StDÜV ohne datenschutzrechtliche Nachbesserungen am
15. Dezember 2006 zuzustimmen.
Die von mir kritisierten Punkte könnten deshalb erst wieder bei einer Novellierung der StDÜV berücksichtigt
werden.
Anrufen in Call-Centern länger in der Warteschleife bleiben und werden oftmals als Vertragspartner gar nicht erst
akzeptiert. Bei immer mehr wirtschaftlichen Entscheidungen sind Scorewerte von entscheidender Bedeutung.
Die Prognose über das künftige Kauf- und Zahlungsverhalten von Personen wird maßgeblich durch Daten gewonnen, die keinen direkten Bonitätsbezug haben.
Für den Scorewert werden neben Angaben über das tatsächliche Verhalten des Betroffenen die unterschiedlichsten Daten gescort, wie z. B.:
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Wirtschaft
– Soziodemographische Daten (z. B. Wohngegend mit
überdurchschnittlich vielen Sozialhilfeempfängern;
Straße, in der überwiegend Wirtschaftsmagazine
abonniert werden);
9.1
Profilbildung verhindern
– Wohnumfeldanalysen;
Die Bildung von Persönlichkeits-, Nutzungs- und Kundenprofilen ist weiter dramatisch fortgeschritten, vor allem aufgrund neuerer Technologien und der Nutzung der
neuen technischen Möglichkeiten, insbesondere durch die
Auskunfteien.
Auf das Problem der fortschreitenden Profilbildung habe
ich bereits in meinem letzten Tätigkeitsbericht (vgl. 20. TB
Nr. 11.7) hingewiesen. Der Deutsche Bundestag hatte die
Bundesregierung mit Entschließung vom 17. Februar 2005 (Bundestagsdrucksache 15/4597) aufgefordert,
zu prüfen, ob und wie der besorgniserregenden Entwicklung der Profilbildung entgegengewirkt werden könne.
Leider sind bisher noch keine Maßnahmen in dieser Richtung ergriffen worden. Neben den steigenden Datenmengen und der ohnehin vielfältigen Verknüpfungsmöglichkeiten, hat sich eine neue Dimension der Nutzung der
gesammelten Informationen herausgebildet: die Verknüpfung der Daten mit digitalen Stadtplänen und Landkarten,
das sog. Geomarketing. Marktforscher verknüpfen Kaufverhalten, Krankheitsrisiken und Zahlungsmoral mit digitalen Landkarten. So werden anhand der Adressen individuelle Profile erstellt, unabhängig davon, ob die darin
gespeicherten Angaben bezogen auf den Betroffenen zutreffen. Die Verantwortlichen sprechen davon, dass sie
nur statistische Wahrscheinlichkeiten beschreiben würden, nicht jedoch Menschen. Doch genau hier liegt das
Datenschutzproblem: Wer am „falschen“ Ort wohnt, wird
pauschal negativ beurteilt und muss ggf. mit negativen
Konsequenzen rechnen.
Das geltende Recht trägt diesen problematischen Entwicklungen nur unzureichend Rechnung. Es ist höchste
Zeit für gesetzgeberisches Handeln.
Gesetzliche Regelung von Scoreverfahren:
Mittels Scoreverfahren werden Kunden anhand verschiedenster Kriterien nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit benotet. Solche Verfahren spielen mittlerweile in
fast allen Bereichen des Wirtschaftslebens eine Rolle und
können für die Verbraucher immense Konsequenzen haben: Kunden mit schlechtem Score bekommen ungünstige Konditionen; sie zahlen höhere Zinsen für Kredite,
können Waren nur per Vorkasse bestellen, müssen bei
– repräsentative Beobachtungen (z. B. reale oder elektronische Straßenbegehungen);
– angekaufte Daten aus den verschiedensten Bereichen
(z. B. Kfz−Daten vom Kraftfahrtbundesamt);
– sonstige Erfahrungswerte (z. B. Staatsangehörigkeit,
Geschlecht).
Das hat zur Folge, dass die Bonität des Einzelnen auch
ohne relevante individuelle Informationen, z. B. Zahlungsverhalten, Einkommens- und Vermögensverhältnisse, bewertet wird. Dem Betroffenen wird damit weitgehend die Möglichkeit genommen, durch eigenes
rechtstreues Verhalten sein Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit zu beeinflussen. Hinzu kommt, dass der Betroffene mangels Transparenz des Verfahrens ein „falsches Bild“ nicht berichtigen kann.
Dieser kritischen Entwicklung muss durch gesetzliche
Regelungen entgegengewirkt werden.
Dabei sollte klargestellt werden, dass nur bonitätsrelevante Merkmale für die Berechnung des Scorewertes genutzt werden dürfen. Allein eine statistische Korrelation
ist für die Einstellung in das Scoreverfahren keine hinreichende Bedingung (vgl. Nr. 9.2, die Ausführungen zu einer gleichgelagerten Regelung für Rating-Verfahren bei
Banken im Rahmen von Basel II).
Für die Betroffenen (wie auch für die Aufsichtsbehörden)
muss nachvollziehbar sein,
– welche Faktoren mit welcher Gewichtung in die Berechnung des Scorewertes einfließen,
– welche konkreten personenbezogenen Merkmale genutzt wurden,
– welche Merkmale den konkreten Scorewert der betroffenen Person negativ beeinflusst haben. Die maßgeblichen Merkmale sollten nach ihrer Bedeutung bzw.
dem Grad ihres Einflusses auf den konkreten Scorewert mitgeteilt werden,
– jeder Betroffene sollte zudem die Möglichkeit erhalten, den Scorewert zu erfahren, der an einen bestimmten Vertragspartner übermittelt worden ist. Da im Regelfall der Scorewert bei jeder Abfrage neu generiert
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BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006