Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

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Zusammenfassung
Das Parlamentarische Kontrollgremium hat den gesetzlichen Auftrag, die Bundesregierung hinsichtlich der Tätigkeit der Nachrichtendienste des Bundes parlamentarisch
zu kontrollieren. Im Rahmen dieser Kontrollaufgabe begleitet und unterstützt das Gremium die Arbeit der Nachrichtendienste für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und für die innere und äußere Sicherheit der
Bundesrepublik Deutschland.
Im vorliegenden Berichtszeitraum besteht der Eindruck,
dass die Bundesregierung das Gremium angemessen und
zeitnah über relevante nachrichtendienstliche Vorgänge
unterrichtet hat. Dieses gilt grundsätzlich auch für die Information durch die Nachrichtendienste. In einigen Einzelfällen wurde das Parlamentarische Kontrollgremium
im Berichtszeitraum auf bestimmte nachrichtendienstliche Vorgänge erst durch Veröffentlichungen in den Medien aufmerksam und hat sich dazu von der Bundesregierung berichten lassen.
Insgesamt haben die Dienste im Berichtszeitraum ihre
Aufgaben in verantwortlicher und gewissenhafter Weise
ausgeübt. Hierbei war für das Gremium im Rahmen der
Berichterstattung über nachrichtendienstliche Vorgänge
eine engagierte und professionelle Aufgabenerfüllung
durch den Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und den Militärischen
Abschirmdienst (MAD) erkennbar. Grundsätzlich erfolgte
auch die Durchführung von Beschränkungsmaßnahmen
im Bereich grundrechtlich geschützter Bürgerrechte in
rechtstaatlicher, gewissenhafter und verantwortlicher Weise.
Allerdings kam es bei der Auslandsaufklärung durch den
BND zu einem Vorkommnis, bei dem sowohl Grundrechte
verletzt wurden als auch Unterrichtungspflichten im Rahmen der Rechts- und Fachaufsicht und der parlamentarischen Kontrolle nicht rechtzeitig nachgekommen wurde
(siehe dazu unten unter V.3).
Thematisch stellte sich die Bekämpfung des internationalen Terrorismus auch im vorliegenden Berichtszeitraum
weiterhin als zentrale Aufgabe der deutschen Sicherheitsbehörden dar. Das Gremium ließ sich kontinuierlich über
die bestehende Gefahrenlage und das Handeln der Nachrichtendienste unterrichten. Weitere thematische Schwerpunkte waren die Proliferation von Massenvernichtungswaffen und Trägerraketen, der politische Extremismus in
Deutschland, die Piraterie vor der Küste Somalias und die
Spionageabwehr. Im Berichtszeitraum wurden mehrfach,
gestützt auf § 5 Absatz 1 Satz 5 des Kontrollgremiumgesetzes (PKGrG) in seiner bis zum 3. August 2009 geltenden Fassung, mit der erforderlichen Mehrheit öffentliche
Erklärungen zu in den Medien erörterten Vorkommnissen
mit Bezug zu den Nachrichtendiensten abgegeben: Zur
Rolle des BND bei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung mit Hilfe liechtensteinischer Stiftungen, zu Vorwürfen gegen den BND im
Zusammenhang mit der Ausbildung libyscher Sicherheitskräfte, zur Erfassung der E-Mail-Korrespondenz einer deutschen Journalistin bei der Auslandsaufklärung
des BND und zu den Festnahmen von drei BND-Mit-

Drucksache 16/13968

arbeitern im Kosovo. Dem ging jeweils eine intensive Beratung des entsprechenden Vorgangs im Gremium voraus.
Nach Einschätzung des Gremiums waren die vorhandenen Kontrollmechanismen dennoch reformbedürftig. Es
war festzustellen, dass sich den Nachrichtendiensten ständig neue Herausforderungen stellen, die beispielsweise
von der Existenz grenzüberschreitend vernetzter terroristischer Netzwerke und der rasanten Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie ausgehen.
Diesen Herausforderungen ist einerseits durch personelle,
organisatorische und technische Vorkehrungen bei den
Nachrichtendiensten rechtzeitig zu begegnen. Andererseits ist es aber auch erforderlich, die parlamentarische
Kontrolle der Nachrichtendienste regelmäßig an diese
veränderten Gegebenheiten anzupassen. Insofern war die
angemessene Weiterentwicklung und Reform der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste mit dem
Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 45d)
vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1977) und dem Gesetz zur
Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der
Nachrichtendienste des Bundes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I
S. 2346) zum Ende der 16. Wahlperiode dringend erforderlich, um eine wirksame parlamentarische Kontrolle
der Nachrichtendienste auch in Zukunft auf der Grundlage veränderter Gegebenheiten und Herausforderungen
zu gewährleisten (siehe dazu näher unter VII). Diese Änderungen sind am 23. Juli und am 4. August 2009 in Kraft
getreten. Für den größten Teil des Berichtszeitraumes war
also noch das Kontrollgremiumgesetz in der Fassung vom
11. April 1978 (BGBl. I S. 453), zuletzt geändert durch
Gesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254) maßgebend
(im Folgenden: PKGrG a. F.).
I.

Grundlagen der Berichtspflicht

Nach § 13 des Kontrollgremiumgesetzes in der seit 4. August 2009 geltenden Fassung erstattet das Parlamentarische Kontrollgremium in der Mitte und am Ende jeder
Wahlperiode dem Deutschen Bundestag einen Bericht
über seine Kontrolltätigkeit. Dabei nimmt es auch dazu
Stellung, ob die Bundesregierung gegenüber dem Gremium ihren Pflichten, insbesondere ihrer Unterrichtungspflicht zu Vorgängen von besonderer Bedeutung, nachgekommen ist. Bis zum 3. August 2009 ergab sich die
Berichtspflicht des Gremiums aus § 6 PKGrG a. F.
Das Parlamentarische Kontrollgremium hat seinen letzten
Bericht am 12. Dezember 2007 (Bundestagsdrucksache
16/7540), in der Mitte der 16. Wahlperiode, vorgelegt. Er
betrifft den Zeitraum von Oktober 2005 bis Dezember
2007. Der nunmehr, zum Ende der 16. Wahlperiode vorgelegte Bericht umfasst den Berichtszeitraum von Januar
2008 bis August 2009.
Ältere Berichte des Gremiums wurden für die
– 12. Wahlperiode
von Juli 1993 bis Juni 1994 auf Bundestagsdrucksache 12/8102,
– 13. Wahlperiode
von Juli 1994 bis Juni 1996 auf Bundestagsdrucksache 13/5157,

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