Automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen zur Fahndung nach Personen
oder Sachen sind Eingriffe von erheblichem Gewicht. Ihre verfassungsrechtliche
Rechtfertigung setzt demnach voraus, dass sie auf Gründe gestützt werden, die dem
Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder sonst einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse dienen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom selben Tag - 1 BvR 142/15 -, Rn. 95 ff.). Die uneingeschränkte Ermächtigung zu Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen zur Abwehr konkreter Gefahren
oder noch weiter auch zum Schutz privater Rechte und sonstiger nicht näher benannter Aufgaben der Polizei genügt dem nicht. Indem solche Kontrollen durch die angegriffenen Vorschriften allgemein zum Schutz der Rechtsordnung insgesamt erlaubt
werden, fehlt es ihnen an einer hinreichenden Begrenzung auf einen Verhältnismäßigkeitsanforderungen genügenden Rechtsgüterschutz (vgl. BVerfG, Beschluss des
Ersten Senats vom selben Tag - 1 BvR 142/15 -, Rn. 104 ff.).
73
b) Nicht hinreichend begrenzt sind auch die Regelungen zur Kennzeichenkontrolle
als Mittel der Schleierfahndung. Zwar ist verfassungsrechtlich nicht schon grundsätzlich zu beanstanden, dass die Vorschrift von ihrer Zielrichtung her weit gefasst ist und
die Kennzeichenkontrollen nicht auf objektiv umgrenzte Anlassfälle begrenzt. Als
Ausgleich für den Wegfall von Grenzkontrollen und getragen von dem Ziel, einer hierdurch erleichterten Durchführung bestimmter Straftaten entgegenzutreten, ist das
verfassungsrechtlich ausnahmsweise gerechtfertigt (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom selben Tag - 1 BvR 142/15 -, Rn. 143 ff.). Das gilt freilich nur insoweit, als für die Orte solcher Kontrollen in einer den Bestimmtheitsanforderungen genügenden Weise ein konsequenter Grenzbezug sichergestellt ist. Dem entsprechen
die Vorschriften zum Teil nicht.
74
Nicht hinreichend begrenzt ist unter diesem Gesichtspunkt § 22a Abs. 1, Abs. 2,
§ 26 Abs. 1 Nr. 6 PolG BW, der Kennzeichenkontrollen allgemein auf Durchgangsstraßen im ganzen Land eröffnet. Indem er sie ohne weitere Einschränkung - etwa
auf Bundesautobahnen und Europastraßen - allgemein auf allen Straßen von erheblicher Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität für zulässig erklärt, fehlt
es an einer hinreichend klaren örtlich grenzbezogenen Beschränkung solcher Kontrollen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom selben Tag - 1 BvR 142/15 -,
Rn. 147 ff.).
75
Dies gilt erst recht für Hessen, wo § 14a Abs. 1, Abs. 2, § 18 Abs. 2 Nr. 6 HSOG
Kennzeichenkontrollen schon ohne Beschränkung auf Durchgangsstraßen auf allen
Straßen insgesamt eröffnet, soweit aufgrund von Lageerkenntnissen oder polizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, dass diese von erheblicher Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität sind. Dadurch werden Kontrollen im ganzen Land eröffnet, soweit es nur um die Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität als
solcher geht. Dies stellt einen örtlichen Bezug solcher Kontrollen zur Grenze als Ausgleich für die Abschaffung der Grenzkontrollen nicht hinreichend sicher. Im Ergebnis
führte dies - zumal angesichts des weitreichenden Begriffs der grenzüberschreitenden Kriminalität - zu einer kaum mehr auf konkrete Anlässe beschränkten und nach
76
24/31