worden ist (vgl. BVerfGE 67, 157 <172>; 85, 386 <396>; 100, 313 <358>; 107,
299 <312 f.>). Die freie Kommunikation, die Art. 10 GG sichert, leidet, wenn zu befürchten ist, dass der Staat entsprechende Kenntnisse verwertet (vgl. BVerfGE 65,
1 <42 f.>; 93, 181 <188>; 100, 313 <359>). Daher erstreckt sich die Schutzwirkung
des Art. 10 GG auch auf den Informations- und Datenverarbeitungsprozess, der sich
an die Kenntnisnahme von geschützten Kommunikationsvorgängen anschließt und
in dem Gebrauch von den erlangten Kenntnissen gemacht wird (vgl. BVerfGE 100,
313 <359>; 110, 33 <68 f.>).
b) Ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis liegt vor. Aufgrund der angegriffenen
Normen können sich staatliche Stellen ohne Zustimmung der Beteiligten Kenntnis
von dem Inhalt und den Umständen eines fernmeldetechnisch vermittelten Kommunikationsvorgangs verschaffen (vgl. BVerfGE 100, 313 <366>; 107, 299 <313>). Nach
§ 33a Abs. 2 Nds.SOG können Inhalte der Telekommunikation - auch soweit sie innerhalb des Telekommunikationsnetzes in Datenspeichern abgelegt sind - ebenso
erfasst werden wie die Verbindungsdaten und die Standortkennung von Mobilfunkendeinrichtungen. Die Vielzahl der im Rahmen der modernen Telekommunikation
erfassbaren Daten führt zu einer besonderen Intensität der mit den verschiedenen
Überwachungsmaßnahmen verbundenen Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis (vgl.
BVerfGE 107, 299 <318 f.> - zu Verbindungsdaten).

82

Zusätzliche Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 10 GG können dadurch begründet werden, dass die erhobenen Daten unter den Voraussetzungen der §§ 38 ff.
Nds.SOG auch zu anderen Zwecken als dem ursprünglichen Erhebungszweck verarbeitet und übermittelt werden können (vgl. BVerfGE 110, 33 <68 f.>).

83

2. Die Regelungen des § 33a Abs. 1 Nr. 2 und 3 Nds.SOG sind formell verfassungswidrig. Der niedersächsische Gesetzgeber hat gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs.
1 Satz 2 GG verstoßen (a). Darüber hinaus hat er seine Gesetzgebungskompetenz
überschritten, soweit nach § 33a Abs. 1 Nr. 2 und 3 Nds.SOG die Telekommunikationsüberwachung zur Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten vorgesehen ist (b).

84

a) Im Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes vom
11. Dezember 2003 (Nds.GVBl S. 414) fehlt der nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG erforderliche Hinweis auf die Einschränkung des Art. 10 Abs. 1 GG.

85

aa) Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG muss ein Gesetz dasjenige Grundrecht unter Angabe seines Artikels benennen, das durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes eingeschränkt wird. Das Grundrecht auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses wird durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützt und steht nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG
unter einem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt. Das Zitiergebot findet Anwendung
auf Grundrechte, die aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung vom Gesetzgeber eingeschränkt werden dürfen (vgl. BVerfGE 64, 72 <79 f.>), also auch auf das Fernmeldegeheimnis. Die Verletzung des Zitiergebots bewirkt die Verfassungswidrigkeit des
Gesetzes (vgl. BVerfGE 5, 13 <15 f.>).

86

15/35

Select target paragraph3