I.
Eine Verfassungsbeschwerde kann sich ausnahmsweise unmittelbar gegen ein
vollziehungsbedürftiges Gesetz richten, wenn der Beschwerdeführer den Rechtsweg
nicht beschreiten kann, weil er keine Kenntnis von der Maßnahme erlangt (vgl.
BVerfGE 30, 1 <16 f.>; 67, 157 <169 f.>; 100, 313 <354>; 109, 279 <306 f.>). Gleiches gilt, soweit eine nachträgliche Bekanntgabe zwar vorgesehen ist, von ihr aber
aufgrund weitreichender Ausnahmetatbestände auch langfristig abgesehen werden
kann. Unter diesen Umständen ist effektiver fachgerichtlicher Rechtsschutz ebenfalls
nicht gewährleistet (vgl. BVerfGE 109, 279 <307>; Landesverfassungsgericht
Mecklenburg-Vorpommern, LKV 2000, S. 345 <346>).
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Die Datenerhebung durch Überwachung der Telekommunikation gemäß § 33a
Nds.SOG erfolgt heimlich. Der Betroffene erfährt weder vor noch während der Durchführung von der Maßnahme, so dass zu diesem Zeitpunkt kein fachgerichtlicher
Rechtsschutz in Anspruch genommen werden kann. Der Umstand, dass § 30 Abs. 4
Nds.SOG eine Unterrichtung vorsieht, sobald dies ohne Gefährdung der Maßnahme
möglich ist, steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen. Eine
zeitnahe Kenntnis von der Maßnahme und eine daran anknüpfende Möglichkeit zur
Überprüfung im gerichtlichen Verfahren sind nicht gewährleistet, weil § 30 Abs. 5
Nds.SOG umfangreiche Ausnahmetatbestände enthält. Nach dieser Vorschrift unterbleibt die Benachrichtigung, solange Zwecke der Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit entgegenstehen (Nr. 1), wenn zur Durchführung der Unterrichtung in
unverhältnismäßiger Weise weitere Daten über die betroffene Person erhoben werden müssten (Nr. 2) oder solange durch das Bekanntwerden der Datenerhebung
Leib, Leben, Freiheit oder ähnlich schutzwürdige Belange einer Person oder die weitere Verwendung einer Vertrauensperson oder der weitere Einsatz einer Verdeckten
Ermittlerin oder eines Verdeckten Ermittlers gefährdet werden (Nr. 3). Insbesondere
durch Nummer 3 kann die Mitteilung an die Betroffenen auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen sein.
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II.
Der Beschwerdeführer ist durch die angegriffenen Vorschriften auch selbst und gegenwärtig betroffen.
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Erfolgt die konkrete Beeinträchtigung - wie hier - zwar erst durch die Vollziehung
des angegriffenen Gesetzes, erlangt der Betroffene jedoch in der Regel keine Kenntnis von den Vollzugsakten, reicht es für die Möglichkeit der eigenen und gegenwärtigen Betroffenheit aus, wenn der Beschwerdeführer darlegt, dass er mit einiger Wahrscheinlichkeit durch die auf den angegriffenen Rechtsnormen beruhenden
Maßnahmen in seinen Grundrechten berührt wird (vgl. BVerfGE 67, 157 <169 f.>;
100, 313 <354>; 109, 279 <307 f.>). Der geforderte Grad der Wahrscheinlichkeit wird
davon beeinflusst, welche Möglichkeit der Beschwerdeführer hat, seine Betroffenheit
darzulegen. So ist bedeutsam, ob die Maßnahme auf einen tatbestandlich eng umgrenzten Personenkreis zielt oder ob sie eine große Streubreite hat und Dritte auch
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