Drucksache 17/9100
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Am 9. November 2010 hat allerdings der Europäische
Gerichtshof (Urteil in den verbundenen Rechtssachen
C-92/09 und C-93/09) die o. g. europäischen Vorschriften
aus Datenschutzgründen insoweit für nicht verhältnismäßig und daher ungültig erklärt, als sie bei natürlichen Personen, die Empfänger von entsprechenden EU-Mitteln
sind, die Veröffentlichung personenbezogener Daten hinsichtlich aller Empfänger vorschreiben, ohne nach einschlägigen Kriterien wie den Zeiträumen, während deren
sie solche Beihilfen erhalten haben, der Häufigkeit oder
auch Art und Umfang dieser Beihilfen zu unterscheiden.
Ich begrüße diese Entscheidung des EuGH. Denn das Urteil schafft einen guten Ausgleich zwischen dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit an der Verwendung der
Agrarbeihilfen und dem Schutz der Privatsphäre einzelner Beihilfeempfänger. Wegweisend verdeutlicht es, dass
sich Transparenz und Informationsfreiheit einerseits und
Datenschutz andererseits nicht per se ausschließen.
Die EU ist nunmehr gehalten, die einschlägigen Vorschriften an die gerichtlichen Vorgaben anzupassen. Als Übergangsregelung hat die Europäische Kommission die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 410/2011 vom 27. April 2011
erlassen, wonach auf die Veröffentlichung natürlicher
Personen vorerst generell verzichtet wird, bis eine allen
Erwägungen des EuGH-Urteils Rechnung tragende neue
Regelung beschlossen ist.
5.15
Sonstiges
5.15.1 Wo lagern die Goldbestände der
Bundesbank?
Die Deutsche Bundesbank verweigert den Informationszugang mit Hinweis auf die Sicherheit der Währungsreserven.
Ein Petent hatte die Deutsche Bundesbank um Informationen zur Verwaltung der Währungsreserven gebeten.
Diesem Wunsch kam die Bundesbank unter Hinweis auf
ihre Sicherheitsinteressen nur teilweise nach. So könne
man über die genauen Lagerorte und den jeweiligen Umfang der Goldreserven keine detaillierten Auskünfte geben.
Gemäß § 3 Nummer 2 IFG besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann. Der
Begriff der öffentlichen Sicherheit ist im Sinne des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts zu verstehen, Schutzgüter
sind also die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der
grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des
Staates sowie insbesondere der Gesundheit, Ehre, Freiheit
und des Eigentums der Bürger (vgl. Gesetzesbegründung
zu § 3 IFG, Bundestagsdrucksache 15/4493, S. 10).
Der Ausschlusstatbestand des § 3 Nummer 2 IFG setzt
damit voraus, dass das Bekanntwerden der begehrten Information eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit begründet. Es genügt nicht, dass die Information abstrakt geeignet ist, zu einem Rechtsbruch missbraucht zu
werden. Letztlich wäre nämlich jede Information geeignet, rechtsmissbräuchlich verwendet zu werden.
3. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Im konkreten Fall war fraglich, ob detaillierte Angaben
über Art, Ort und Umfang der Währungsreserven der
Bundesbank tatsächlich eine Gefahr für die Sicherheit der
Währungsreserven selbst darstellen. Diese Gefährdung
müsste konkret sein. Dies ist der Fall, wenn unter verständiger Würdigung der Sachlage in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für das
Schutzgut einträte. Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit sind umso geringer, je größer der Schaden
bzw. die Bedeutung des Schutzgutes ist. Eine solche konkrete Gefährdung der Sicherheit der Währungsreserven
vermochte ich nach damaligem Kenntnisstand nicht zu
erkennen. Den mir vorliegenden Unterlagen ließ sich insbesondere nicht entnehmen, inwieweit mit einer konkreten Gefährdung zu rechnen gewesen wäre. Die Voraussetzungen des § 3 Nummer 2 IFG lagen insoweit m. E. nicht
vor.
Gemäß § 3 Nummer 4 IFG besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die Information einer
durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufsoder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt.
Mit der Regelung des § 3 Nummer 4 Alt. 1 Var. 1 IFG beabsichtigte der Gesetzgeber, die durch besondere Geheimhaltungspflichten geschützten (und weiterhin sensiblen und schutzbedürftigen) Informationen der Behörden
und öffentlichen Stellen ausdrücklich vom Informationszugang auszunehmen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass
die allgemeine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit gemäß
§ 67 Bundesbeamtengesetz für eine Informationsverweigerung nach dem IFG nicht länger ausreicht.
K a s t e n z u N r. 5 . 1 5 . 1
§ 32 BBankG – Schweigepflicht
Sämtliche Personen im Dienste der Deutschen Bundesbank haben über die Angelegenheiten und Einrichtungen der Bank sowie über die von ihr geschlossenen Geschäfte Schweigen zu bewahren. Sie dürfen über die
ihnen hierüber bei ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen
Tatsachen auch nach ihrem Ausscheiden aus dem
Dienste der Bank ohne Genehmigung weder vor Gericht
noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgegeben. Die Genehmigung wird, soweit es sich um das
Interesse der Bank handelt, den Mitgliedern des Vorstands von diesem, anderen Bediensteten der Bank vom
Präsidenten erteilt, der diese Befugnis auf ein Mitglied
des Vorstands mit der Möglichkeit der Weiterübertragung übertragen kann; die Genehmigung darf für eine
gerichtliche Vernehmung nur versagt werden, wenn es
das Wohl des Bundes oder die Interessen der Allgemeinheit erfordern.
Bei § 32 Bundesbankgesetz (BBankG) könnte es sich um
eine solche besondere Verschwiegenheitspflicht im Sinne
des § 3 Nummer 4 Alt. 1 Var. 1 IFG handeln. Danach