Drucksache 17/9100

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Satz 1 IFG und auch keine mit öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgaben betrauten sonstigen Bundesorgane
i. S. d. § 1 Absatz 1 Satz 2 IFG. Das Recht der Wahlen
zum Deutschen Bundestag sei kein Verwaltungsverfahren
und das IFG sei deshalb nicht anwendbar. Der „besondere
Charakter des Wahlverfahrens“ stehe einem Informationsanspruch entgegen.

5.5

Auswärtiges Amt

5.5.1

Wir lassen uns nicht in die Karten
schauen!

Ich habe erhebliche Zweifel an dieser Rechtsauffassung
des Bundeswahlleiters.

Das AA verweigerte den Zugang zu Unterlagen eines
Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin. An diesem Gerichtsverfahren war der Petent selbst
nicht beteiligt. Die besonderen prozessrechtlichen Informationsrechte standen ihm daher nicht zur Verfügung.
Konkret begehrte er Einsicht in Schriftwechsel zwischen
dem AA und der für die Visumserteilung zuständigen
Auslandsvertretung über die Klageschrift, die Klageerwiderung, das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie
den Schriftsatz, mit dem Rechtsmittel gegen die Entscheidung des VG eingelegt worden waren.

Der Bundeswahlleiter und der BWA arbeiten als Wahlorgane weisungsunabhängig. Ihre Arbeit wird durch die
Vorschriften des Bundeswahlgesetzes geregelt und stellt
sich weder als Gesetzgebung noch als Rechtsprechung
dar, die dem Anwendungsbereich des IFG entzogen sind.
Die Unabhängigkeit des Bundeswahlausschusses soll
Schutz vor willkürlichen Eingriffen Dritter gewähren,
schließt m. E. aber nicht die Anwendung der gesetzlichen
Transparenzregelungen des IFG aus.
Die effektive und unabhängige Wahrnehmung der Aufgaben des BWA wird durch die in § 18 Absatz 4 BWahlG in
Verbindung mit den §§ 33 Absatz 3 und 86 Absatz 1 Bundeswahlordnung vorgesehene Unterrichtung der Öffentlichkeit vielmehr gestärkt. Transparenz – auch im Sinne
eines Informationszuganges nach dem IFG – entspricht
diesem Ansatz und stärkt die Legitimität und Akzeptanz
des gesamten Wahlverfahrens und seiner Vorbereitung.
Dieser Wille des Gesetzgebers kommt auch in § 10 Absatz 1 BWahlG zum Ausdruck, der die Öffentlichkeit der
Sitzungen des BWA vorschreibt.
Meine Rechtsauffassung sehe ich auch durch die Rechtsprechung gestützt. Das Verwaltungsgericht Bremen verpflichtet in seiner Entscheidung vom 5. Juli 2007
– 2 V 1731/07 – den Wahlbereichsleiter Bremerhaven,
die Wahlniederschriften für eine Akteneinsicht nach dem
Bremer IFG zur Verfügung zu stellen. Das Gericht vertritt
die Auffassung, dass der Wahlbereichsleiter zwar ein unabhängiges Wahlorgan, zugleich aber auch Behörde im
funktionalen Sinne sei und im Grundsatz eine Verwaltungstätigkeit ausübe, die dem Bremer IFG unterliege,
das dem Bundesgesetz hinsichtlich des Anwendungsbereichs nachgebildet ist. Gleiches muss deshalb für den
Bundeswahlleiter und den BWA gelten, die – wenn nicht
als „Behörde“, so jedenfalls als unabhängige „sonstige
Bundesorgane“ i. S. d. § 1 Absatz 1 Satz 2 IFG – „öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben“ wahrnehmen und
deshalb grundsätzlich dem IFG unterliegen.
Ich verkenne nicht, dass diese Verwaltungsaufgaben bei
der Wahlvorbereitung und -durchführung einen deutlichen
verfassungsrechtlichen Bezug haben. Bundeswahlleiter
und BWA wirken bei der Vorbereitung und Durchführung
der Wahl und der Konstituierung des Verfassungsorgans
Bundestag mit. Dies schließt jedoch eine Anwendung des
IFG nicht aus.
Ich halte es allerdings für sachgerecht, eine gesetzliche
Klarstellung ins Auge zu fassen und die Anwendbarkeit
des IFG ausdrücklich zu regeln.

3. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit

Das Auswärtige Amt (AA) verweigerte die Akteneinsicht
zu einem Gerichtsverfahren – mit zweifelhafter Begründung.

Das AA lehnte dies ab, da der Zugang zu Unterlagen des
laufenden Gerichtsverfahrens nachteilige Auswirkungen
auf dessen Durchführung haben könne und deshalb der
Ausschlusstatbestand des § 3 Nummer 1 Buchstabe g
Alt. 1 IFG greife. Ferner berief sich das AA auch auf § 4
Absatz 1 IFG, der laufende behördliche Entscheidungsprozesse schützt und nach Auffassung des Ministeriums
damit auch die Prozessführung, weshalb die hierfür angefertigten Aufzeichnungen ebenfalls nicht zugänglich zu
machen seien.
K a s t e n z u N r. 5 . 5 . 1
§ 3 Nummer 1 Buchstabe g Alt. 1 IFG
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht,
wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige
Auswirkungen haben kann auf die Durchführung eines
laufenden Gerichtsverfahrens.
Durch § 3 Nummer 1 Buchstabe g Alt. 1 IFG soll die ordnungsgemäße, also prozessrechtskonforme und sachliche
Durchführung laufender Gerichtsverfahren gewährleistet
werden. Geschützt wird das Gerichtsverfahren als „Institut der Rechtsfindung“ gegen negative Einflüsse, die von
dem Informationszugang ausgehen könnten. Damit werden nur solche Informationen vom Schutzbereich erfasst,
die sich nachteilig auf das Verfahren „als solches“ auswirken könnten.
Das AA führte diesbezüglich jedoch nur an, das Verwaltungsstreitverfahren sei noch nicht abgeschlossen, es
seien also Nachteile für die Durchführung des Verfahrens
zu erwarten. Ihm könnten für die Prozessführung nicht
nur im anhängigen Gerichtsverfahren, sondern auch in
anderen, ebenfalls Visaangelegenheiten betreffenden Verfahren Nachteile entstehen, wenn die zwischen den Beteiligten in laufenden Gerichtsverfahren auszutauschenden
Schriftsätze Dritten zugänglich gemacht würden.
Diese – hier vom AA befürchtete – Veränderung der eigenen Verhandlungsposition als Prozesspartei ist jedoch für

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